Was schön war, Freitag bis Sonntag, 30.12.2016 bis 1.1.2017 – Happy new year!

Am Freitag fuhr ich in die Stabi, um das FAZ-Archiv durchzuwühlen. Das geht trotz Unizugang nur direkt von den Stabi-Rechnern, weil die über eine Bibliothekslizenz verfügen. Soll mir recht sein, denn ich musste eh in den Lesesaal, wo Literatur auf mich wartete – in Mikroficheform. Zunächst setzte ich mich aber an einen der Bibliotheksrechner, ging ins FAZ-Archiv und suchte nach „Amnesty“.

Im Gespräch mit meiner Dozentin des Menschenrechtskurses hatte ich drei Hausarbeitsvorschläge gehabt. Der erste war – und deswegen hatte ich mich mit einem Menschen von AI getroffen –, eine Münchner AI-Gruppe auszuwerten und zu überprüfen, ob sich die Entwicklung der großen Gesamtorganisation in den 1970er Jahren im kleinen Grüppchen vor Ort widerspiegelt und wenn ja, wie (oder eben auch nicht, denn die Gruppen arbeiten recht autark). Das scheint aber eher schwierig zu werden, weil nicht jede Gruppe alles aufgehoben hat. Ich maile heute noch ein weiteres langjähriges Mitglied an, deren Namen ich von meinem Gesprächspartner vorletzte Woche bekommen habe, aber so recht glaube ich nicht mehr daran, dass die Idee trägt. Wenn das hier eine Masterarbeit wäre, säße ich natürlich längst im Zug nach Berlin, um das deutsche AI-Archiv durchzuwühlen, aber für eine Hausarbeit ist mir das zeitlich und finanziell zu viel Aufwand.

Meine zweite Idee war, mich mit den Imagefilmen von AI zu beschäftigen. Ich hatte einen Aufsatz einer spanischen Kommunikationswissenschaftlerin gelesen, die einem Film von AI unterstellt, rassistische und neokoloniale Bilder zu reproduzieren. Auf der internationalen AI-Website stehen weitere Imagefilme, mit denen ich diesen Aufsatz kontrastieren wollte. Das ist zwar im Prinzip eine nette Idee, aber diese Quellen sind schlicht zu neu, sie sind noch nicht historisch. Daher kamen wir auf die Idee, vielleicht eine Art visuelle Geschichte von Amnesty zu erstellen – oder wenigstens einen Ansatz, denn eine komplette Geschichte wäre schon dissertationswürdig. Also fuhr ich Dienstag ins Zentralinstitut für Kunstgeschichte, denn dort standen mehrere Bücher mit Fotos und Plakaten von AI. Nachdem ich sie durchgeblättert hatte, war mir allerdings auch klar, dass diese Idee selbst im Ansatz viel zu groß für eine Hausarbeit ist, denn jedes Land fuhr in der Vergangenheit eine eigene visuelle Strategie; dieser Link zum Guardian macht klar, was ich meine. Nicht mal das Logo war überall das gleiche, manche Länder nutzten sogar nicht einmal den Namen „Amnesty International“, sondern übersetzten ihn in die Landessprache (ich habe den Namen einmal in Portugiesisch gesehen). Mein Fazit wäre also, zumindest bis 2008: Es gab keine eindeutige visuelle Geschichte von AI, höchstens im Detail, weil sich die Versatzstücke natürlich wiederholten: Friedenstauben, Gitterstäbe, die Kerze im Stacheldraht etc. Aber es gab scheinbar keine gemeinsame Corporate Identity, keine immer gleiche Fotoauffassung oder ähnliches. Die Idee habe ich geknickt.

Bleibt die Presseschau, die mir inzwischen auch recht gut gefällt. Beim ersten Durchklicken des Archivs fielen mir schon schöne Dinge auf, die ich für notierenswert hielt. Der erste Artikel über Amnesty in der FAZ erschien im Dezember 1963, zweieinhalb Jahre nach Gründung der Organisation. 1966 wurde AI noch als „Juristenverband“ bezeichnet, 1967 wurde die Orga noch falsch erklärt: Angeblich kümmerten sich Gruppen von drei um einen Gefangenen – richtig wäre: eine Gruppe aus egal wie vielen Mitgliedern kümmert sich nicht um einen, sondern um drei Gefangene: einen aus einem westlich-demokratischen Land, einen aus einem kommunistischen und einen aus den sogenannten Entwicklungsländern. Nebenbei hatte AI damals noch einen Artikel, es hieß immer „die „Amnesty International““ in Anführungszeichen.

Nach dem ersten erfolgreichen Wühlen ging ich zum Mikrofichelesegerät. Dort wartete ein Stapel Länderdossiers von 1976 und 1977 (oder ein kleines Heftchen Plastikfolie) auf mich. Ich lernte, dass AI eingeladen wurde, an der Autopsie der RAF-Häftlinge in Stammheim teilzunehmen. AI hatte sich im Vorfeld mit der Gefangenensituation beim Hungerstreik oder der Einzelhaft beschäftigt; die Organisation hatte aber keinen der RAF-Häftlinge als politischen Gefangenen adoptiert (der AI-Ausdruck für ein Engagement für eine*n Gefangene*n). Die RAF war natürlich auch ein Gegenstand der Berichterstattung in der FAZ, das könnte ganz spannend werden.

Derart motiviert setzte ich mich zuhause an die Hausarbeit und schrieb die Einleitung runter. Die las sich auch am Samstag noch gut.

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Den Silvesterabend verbrachte ich bei F., der schon vor einigen Tagen mein Racletteset zu sich geschleppt hatte. Ich brachte Fleisch und Gemüse mit, er hatte Käse und Brot besorgt sowie eine kleine Selektion an Schaumwein, denn Frau Gröner trinkt Silvester gerne Schaumwein. (Okay, Frau Gröner trinkt immer gerne Schaumwein.)

Der Abend war schön, aber irgendwas irritierte mich. Das fiel mir aber erst am Neujahrstag auf. Raclette war immer Kais und mein Silvesteressen gewesen. Im letzten Jahr hatte ich alleine Raclette gemacht, weil F. und ich da gerade eine Beziehungspause eingelegt hatten, weil ich schlicht von allem überfordert gewesen war. Ein Teil der Überforderung war damals, dass ich Beziehungsmuster, die ich elf Jahre lang verinnerlicht hatte, in die neue Beziehung mitgeschleppt hatte, was natürlich stets knirschte und quietschte, denn F. ist nicht Kai (ach was). Alleine Raclette zu machen, hatte mir gefallen, weil ich mir so Dinge wiederholen konnte, die vorher pärchenkonnotiert waren – wie Paris, wo ich im Januar alleine war. (Da fällt mir ein: Ich muss noch alleine nach Sylt.) Und jetzt saßen F. und ich um das olle Racletteset und irgendwas nervte. Als ich am 1. Januar die übliche Restepfanne aufsetzte, beschloss ich, nächstes Jahr kein Raclette mehr zu machen und auch F. meinte, schön bekocht zu werden oder essen zu gehen, würde ihm auch besser gefallen. Weg mit euch, Silvesterpfännchen. Zeit für neue Traditionen.

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