Tagebuch, Dienstag, 25. Oktober 2016 – Ms. Crankypants

Der gestrige Tag war nur in Momenten schön. Er begann um 2 Uhr morgens, als ich aus dem Schlaf hochschreckte und nicht wieder einschlafen konnte. Je länger ich wach lag, desto genervter wurde ich, das wechselte sich irgendwann ab mit Traurigkeit und dann Wut und ich begann, über Dinge nachzudenken, über die man morgens um 4 nicht nachdenken sollte; wieso liege ich hier in einer blöden 1-Zimmer-Wohnung anstatt in meiner 4-Zimmer-Villa in Hamburg, wieso verdiene ich kein Geld mehr, was ist aus dem Kerl geworden, was ist aus uns geworden, was ist aus mir geworden, wer bin ich überhaupt, jetzt wo ich nicht mehr Werberin in Hamburg bin, was mache ich hier eigentlich, was soll der Scheiß. Alles tolle Themen, die ich natürlich noch keine zehntausendmal durchdacht habe, mit Vorliebe abends oder nachts, aber anscheinend war gestern einer der Tage, an denen mal wieder was hochwollte, warum auch immer. Das kam sehr aus heiterem Himmel, was mich zusätzlich traurig und wütend gemacht hat, weil ich ja immer denke, wenn es mir gut geht, dann bleibt das so. Haha.

Gegen vier machte ich das Licht an und las, was endlich dazu führte, dass ich wieder müde wurde und wieder einschlief, aber als der Handywecker klingelte, war ich eher gerädert als ausgeruht. Aber: Die Uni wartete, ich quälte mich in die Klamotten und den Bus, denn es regnete, weswegen ich keine Lust aufs Fahrrad hatte, was aber klüger gewesen wäre, weil ich dann meine Wut hätte rausstrampeln können. So stand ich im vollen Bus mit vielen Menschen, ärgerte mich im Saal über die üblichen Seniorenstudis, die erstmal die Randplätze belegen und konnte selbst im Unterricht mein Genervtheitslevel nicht abbauen. Mir ging alles auf den Zeiger, die teilweise unbeschrifteten Bilder, meine eigene Handschrift, meine Müdigkeit, und irgendwann war ich so genervt von meiner eigenen Genervtheit, dass ich mal wieder froh darüber war, dass wir so strenge Waffengesetze haben und ich keinen Baseballschläger besitze, sonst würde ich zu Falling-Down-Douglas mutieren.

Zu meiner genervten Müdigkeit kam das Gefühl, eine Erkältung in mir aufziehen zu spüren. Vor einigen Tagen dachte ich noch, hey, seit letztem September nicht erkältet gewesen, yay. Sowas sollte man ja nie denken, denn dann kichert das Universum und denkt sich, sowas solltest du nie denken, denn dann kichere ich und schicke dir Halsschmerzen und Matschigkeit.

Immerhin fiel das Menschenrechtsseminar aus, so dass ich schon mittags nach der Vorlesung wusste, dass niemand mehr was von mir wollte für den Rest des Tages. Außer der ehemalige Mitbewohner, denn eigentlich hatten wir uns auf ein Bierchen verabredet, worauf ich mich sehr gefreut hatte. Jetzt war ich also stinkig wegen Müdigkeit, Halsschmerzen und keinem Bierchen mit einem netten Menschen – und konnte das nicht mal wegschlafen. So müde war ich dann anscheinend doch nicht; ich bin nicht mal während des blöden DFB-Pokals eingenickt, wo ich bei Fußball sonst hervorragend einnicken kann. Aber da war mein Körper auf einmal bockig. Weiß auch nicht, woher er das hat.

Was mich endlich aus der Negativschleife holen konnte, waren erstens ENDLICH MAL ANSTÄNDIG VIELE BANANEN IM TROPIFRUTTI (in der letzten Tüte waren drei. DREI!) und zweitens: Teekochen.

Ich trinke überhaupt keinen Eistee, Tee ist für mich ein Herbst- und Wintergetränk, und sobald ich ihn aufsetze, beginnt die Vorfreude und mir ist sehr bewusst, dass der blöde Sommer mit seiner blöden Hitze endlich rum ist und die Temperaturen wieder angenehmer werden. Ich befülle den Wasserkocher mit warmem Wasser, damit der Wasserhahn heißes spendet, wenn der Kocher voll ist, denn damit fülle ich die Teekanne, um sie vorzuwärmen. Das hat immer so etwas Fürsorgliches. Meine Kaffeekannen wärme ich nicht vor, überhaupt wärme ich gar nichts vor, fällt mir gerade auf, aber die Teekanne kriegt diese kleine Sonderbehandlung und das finde ich jedesmal schön.

Ich mag das Zeremonielle am Teekochen, das Entzünden des Teelichts am Stövchen – überhaupt: Stövchen! Was für ein wunderschönes Wort! Das sieht schon kuschelig aus –, das Bereitstellen der schönen Teetasse – wie meine Kaffeetassen aussehen, ist mir weitaus egaler –, das Befüllen des Milchkännchens, weil ich mir keine Milch aus der schnöden Tüte in mein herrliches Getränk kippen will; das Öffnen des Zuckerdöschens, auf dem ein winziger Deckel liegt, der ein ganz feines Geräusch macht, wenn man ihn wieder auflegt; das Rauslegen des Silberlöffels, die Auswahl an Teesorten – bei Kaffee habe ich koffeiniert und entkoffeiniert –, das Abzählen der Löffel im Gegensatz zum Kapseleinsetzen bei Nespresso –, dann das Entleeren der wassergefüllten Teekanne, die sich jetzt von außen wohlig warm anfühlt, das Aufgießen des Tees, was so schön verheißungsvoll duftet, die Wartezeit, bis ich endlich den Tee in die Tasse gießen kann, in der schon Milch und Zucker warten. Und dann der erste Schluck und schon bin ich nicht mehr genervt.

Vielleicht hätte ich morgens Tee statt Kaffee trinken sollen, fällt mir gerade auf. Merke ich mir fürs nächste Mal.