Was schön war, 12. bis 20. Oktober 2016

Die langen Madrid-Einträge haben mein tägliches Notieren total ruiniert, deswegen folgt jetzt ein Sammeleintrag, damit ich wieder in die Spur komme.

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Mittwoch, 12. Oktober

Wir fuhren mit der S-Bahn für lächerliche 4,30 Euro eine knappe Stunde von Madrid aus zu El Escorial. Das hatte ich mal in einer Vorlesung gesehen, und alles, was ich in Vorlesungen sehe und mir angucken kann, wird angeguckt. Eigentlich wollte ich nur die Bibliothek, die Basilika und ein Bild von Rogier van der Weyden sehen, aber irgendwie landete ich dann doch in der Tour, die einen ohne Abkürzungsmöglichkeit durchs halbe Kloster jagt. Ich war an diesem Tag etwas matschig, von den Bildprogrammen weder in der Kirche noch in der Bibliothek wirklich begeistert, wollte eigentlich nur Architektur gucken und sprintete dementsprechend durch alles durch. Dabei rannte ich allen Ernstes an Rogier vorbei, was ich erst merkte, als F. mich am Ausgang einholte (ich hatte mich ungeduldig abgesetzt) und fragte, wie er mir gefallen hätte. Muss ich wohl noch mal hin.

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Donnerstag, 13. Oktober

Irrwitzig früher Rückflug nach München. Ich konnte im Flugzeug immerhin etwas dösen und F., der alte Charmeur, überreichte mir zuhause dann auch das übliche Mitbringsel, wenn er weg ist: meine geliebte Flughafentoblerone. (Ja, die schmeckt anders. Ganz bestimmt.) Es war mir neu, dass ich auch Mitbringsel kriege, wenn ich auf der Reise dabei bin, aber bei Schokolade diskutiere ich natürlich nicht.

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Freitag, 14. Oktober

Ich buk Apfelkuchen, für den ich 150 g Butter brauchte. Ich wickelte ein neues Butterpäckchen aus, griff zum Messer, trennte einen Block ab und wog ihn – genau 150 g. Der alte Edeka-Spot, in dem die Fleischereifachverkäuferin die Wurst exakt abwiegt, ist einer meiner Lieblingsspots.

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Samstag, 15. Oktober

In Madrid waren wir zwar mehrmals essen, aber so richtig gemüsig war das nie. Ich befürchtete einen akuten Anfall von Skorbut und warf nach drei Stunden in der KuGi-Bib und der Erstellung des langen Prado-Eintrags hungrig ein komplettes Backblech voller Ratatouille-Zutaten. Dann googelte ich ein bisschen, ob man das Zeug noch irgendwie aufhübschen könnte und landete bei La Mia Cucina, wo der Tipp gegeben wird, das Gemüse nicht ewig zu backen, sondern ganz leicht mit Puderzucker zu bestäuben und deutlich kürzer zu grillen. Das habe ich gemacht (knapp 20 Minuten), danach mit Balsamico und Olivenöl abgeschmeckt und mit geröstetem Weißbrot verspeist. Bestes Essen seit langem. So simpel, so gut. Und hübsch isses auch.

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Sonntag, 16. Oktober

Ich gebe zu, dieser Eintrag ist arg fresslastig, aber ich merke seit einiger Zeit wieder, wie gut es mir tut, am Herd zu stehen und mir etwas mehr Mühe zu geben als nur Nudeln aufzusetzen, wozu es meistens nur reicht, wenn ich hungrig aus der Bibliothek komme. Sonntag gab’s mal wieder meine geliebte Suppe aus Naturreis und roten Linsen, die eher ein Brei ist und über die ich noch die restliche Zucchini und Aubergine gab, die ich nicht ins Ratatouille geschnitten hatte. Diese Suppe macht mich immer glücklich, ganz egal, was ich auf sie raufwerfe.

Montag, 17. Oktober

DAS WINTERSEMESTER FING AN, WO-HOO!

Ich saß im zweiten Teil des Rosenheimseminars, wo ich mich wieder mit Leo von Welden beschäftigen werde. Der Kurs ist sehr gut gefüllt, und es sind fast alle Teilnehmerinnen des letzten Semesters wieder mit dabei, was mich sehr freut. Außerdem verteilte der Dozent die Hausarbeiten, und so erfuhr ich endlich von meiner 1,0, auf die ich seit dem Notenschluss am 10. Oktober in unserem Onlinetool gewartet hatte.

Frohgemut fuhr ich zur Auer Dult, um mich mit Keramik zu belohnen, fand aber nicht mal ansatzweise irgendwas, was mir gefiel. Stattdessen ging ich zum Metzger, kaufte mir eine Hühnerbrust und verwandelte sie zusammen mit vielen bunten Tomaten in das nächste tolle Abendessen.

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Dienstag, 18. Oktober

Der lange Uni-Tag in diesem Semester. Von 10 bis 12 die Vorlesung zu osmanischer Architektur, von 14 bis 16 Vorlesung zu Iconic Architecture und von 17 bis 20 Uhr (Hass!) mein Aufbauseminar im Nebenfach zur Geschichte der Menschenrechte, weil mein hibbelig erwarteter Kurs zum Münchner Kunsthandel in der NS-Zeit ja nicht stattfindet.

Die Vorlesung zur osmanischen Architektur wählte ich nur so halbbegeistert, weil ich mich mit diesem Thema noch nie beschäftigt hatte und es auch eigentlich nicht wollte. Und dann stand da eine Dozentin vorne, die frei und gut verständlich sprach und als erstes Objekt – eine Jurte zeigte. Ein Zelt, Stichwort mobile Architektur. Danach kamen noch ein paar Folien mit Moscheen, die alle nicht so aussahen wie Klein-Anke sich Moscheen vorstellt, und damit hatte sie mich total im Sack. Große Vorfreude auf die nächste Sitzung.

Um 14 Uhr saß ich dann in der Vorlesung zu Iconic Architecture, die vom gleichen Dozenten gegeben wurde, bei dem ich schon das gleichnamige Seminar belegt hatte, in dem ich über das Nationalstadion in Peking schrieb. Das war im letzten Wintersemester und ich hatte gehofft, ein paar neue Objekte zu sehen, weil ich das Thema „Moderne Architektur“ so spannend finde und es im kunsthistorischen Kontext etwas stiefmütterlich behandelt wird. In den ersten 45 Minuten sah ich aber am Seminarplan, dass es um genau die Gebäude ging, die ich schon kennengelernt hatte und ging deshalb in der Pause. Irgendwo im Hinterkopf hatte ich die Idee, diesen Kurs im Halbschlaf bestehen zu können, aber als ich dann drin saß und nur Dinge hörte und sah, die ich schon kannte, merkte ich, nee, dafür bist du nicht an der Uni. Ich will was Neues lernen. Ich freue mich aber, dass jetzt noch andere die Gelegenheit haben, diese spannenden Gebäude kennenzulernen. Und ich habe mich auch über die beiden Studentinnen hinter mir gefreut, die fast jedes Bild leise kommentierten und beim Nationalstadion nur „Das ist so schön!“ sagten.

Um 17 Uhr drängelte ich mich mit knapp 30 anderen Studis in einen gerade so ausreichenden Raum, um mich den Menschenrechten zu widmen. Wir lernten erstmal den Unterschied zwischen Grund-, Bürger– und Menschenrechten und ich stellte fest, dass Jura doch nicht so schnarchig ist wie ich dachte. Dann ging es an die übliche Referatsverteilung. Ein Thema, das mich sehr interessierte, war im Semesterplan aber nur für Bachelors ausgewiesen: die Argumentation der Vertriebenenverbände nach dem Zweiten Weltkrieg, die sich auf Menschenrechte beriefen. Das hätte ich gerne gemacht, weil es zum Zeitkomplex NS-Kunst und Leo von Welden gehörte, aber wie gesagt: nur für BAs. Das kannte ich noch nicht, dass ein*e Dozent*in die Themen unterteilt und speziell die ausweist, die sie für MAs geeignet hält. (Wir müssen 30 Minuten halten, die BAs nur 20.) So schnappte ich mir das zweite Thema, das mich anlächelte und von dem ich erwarte, dass ich hier Quellen bis zum Abwinken finden werde: Amnesty International.

Dann war der lange Tag rum und ich kochte wieder Zeug. Dieses Mal Nudeln, aber immerhin mit blanchiertem Wirsing und Walnusspesto dran. Das nächste Mal gebe ich mir mehr Mühe, die Wirsingblätter zu feinen Streifen anstatt zu groben Fetzen zu verwandeln.

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Mittwoch, 19. Oktober

Keine Uni, aber dafür einen Termin bei der Stipendienberatung.

Ich weiß, dass es für meine Karriere vermutlich völlig egal ist, ob ich promoviere oder nicht, ich bin eh zu alt für alles – jedenfalls nach den beknackten kapitalistischen Definitionen, dass man nur bis 35 irgendwie denken kann –, aber inzwischen ist das ein großer Wunsch für mich geworden. Ich würde mich gerne einem Thema mit viel Zeit widmen können und nicht immer nur die hektischen Monate eines Semesters. Da meine Ersparnisse nach dem Master aber so gut wie aufgebraucht sind – hey, ich hatte dann fünf sehr gute Jahre –, brauche ich Unterstützung.

Die LMU bietet in ihrer Beratung an, geeignete Stipendien für einen zu suchen, und man kann mit den fertigen Unterlagen wieder bei ihnen vorbeischauen und sich Feedback holen, bevor man sie in den Briefkasten wirft. Ich fand es spannend, dass jemand von außen auf mich draufguckt und mir sagt, was in meinem Leben bewerbungsrelevant wäre. Die guten Noten – klar. Das angestrebte NS-Thema – immer gut für politische Organisationen. Dann das Thema Engagement. Ich war der Meinung, ich hätte mich noch nie so recht engagiert bis auf Mitgliedschaft in einer Partei bzw. deren Jugendorganisation, aber die Dame meinte, ein Buch über dicke Frauen (Hilfe zur Selbstakzeptanz) sowie ein antidiskriminatorisches Weblog, das außerdem regelmäßig geführt wird, könnte man auch durchaus als gesellschaftliches Engagement bezeichnen. Auch die Tatsache, dass meine Eltern keine Akademiker*innen sind und ich die erste in unserer Familie bin, die a) einen Uniabschluss hat und b) vielleicht mal einen Doktortitel, liest sich gut im Lebenslauf.

Die Beratungsstelle ist im ehemaligen olympischen Dorf; eigentlich wollte ich noch ein bisschen über das Olympiagelände schlendern und dem schönsten Stadion der Welt – in dem man scheiße Fußball gucken kann im Vergleich zur Allianz-Arena – noch einen Besuch abstatten, aber es regnete. So fuhr ich nach Hause und las bei Tee und Butterspekulatius Briefe von Leo von Welden an seine zweite Frau, die in den 1940er und 1950er Jahren geschrieben wurden. Das fühlt sich alles immer noch sehr intim an, aber es ist unglaublich spannend, die Briefe zu lesen, weil ich inzwischen viel über den Mann und seine Kunstauffassung weiß.

Abends Fußball im deutlich kälter gewordenen Stadion. Am Samstag nehme ich meine Kuscheldecke mit.

Donnerstag, 20. Oktober

Cézanne und seine Zeit, die dritte Vorlesung, die eigentlich nur ein Ausweichtermin war, falls die osmanische Architektur mir egal sein sollte. Die wird von einem Dozenten gehalten, über den ich seit dem ersten Semester sehr geteilter Meinung bin, aber bei dem ich trotzdem jetzt das vierte Mal sitze. Er hat so einen gewissen Altherrencharme, den ich überhaupt nicht mag, und seine Vorlesungen sind zu 90 Prozent von Seniorstudis besetzt, die albern auf die Tische klopfen, wenn er – jedesmal in der ersten Sitzung – ansagt, dass bei ihm nicht gegessen und getrunken werden darf. Das ist natürlich okay, aber seine Claqueure gehen mir so auf den Zeiger, dass ich inzwischen immer denke, hey, viele alte Menschen trinken zu wenig, ihr solltet euch beschweren, dass ihr das hier nicht dürft anstatt arrogant auf die Zwanzigjährigen runterzugucken, die vielleicht gerade vier bis sechs Stunden Uni in den Knochen haben und abgehetzt in den Hörsaal sprinten, während ihr gerade vom Brunch kommt, seit einer halben Stunde im Saal die besten Plätze belegt und die Süddeutsche lest. (Knurr.)

Was mich aber immer wieder in seine Vorlesungen treibt: Kaum ein anderer Dozent beschreibt die Objekte so liebevoll wie er. Das sind winzige Adjektive, die er einstreut, pastos, pathetisch, gewagt, eigentlich alles normale Worte, aber er bringt sie immer da, wo ich sie nicht erwartet hätte. Oder er macht eine kurze Pause, wenn er auf das ganz besondere Blau des Himmels im diesem Bild hinweist, das nur als winziges Eckchen durch den Wald zu sehen ist, aber wir sollten mal drauf achten, wenn wir im Museum seien, dieses dunkle, tiefe Blau – und dann gönnt er uns drei Sekunden länger als nötig, damit wir uns daran erfreuen können, selbst wenn man es auf der PowerPoint kaum erkennen kann.

Er spricht frei, was eh die halbe Miete für eine gelungene Vorlesung ist, aber dabei sehr monoton, weswegen es mir manchmal schwerfällt, ihm zuzuhören. Aber wie gesagt: Ich sitze zum vierten Mal bei ihm, weil ich weiß, dass ich aus seinen Sitzungen immer sehr viel Grundsolides mitnehme. Bye-bye, iconic architecture, bonjour, Cézanne.

Abends Kürbissuppe in netter Gesellschaft.

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Und wie war eure Woche so?