Tagebuch, Mittwoch, 18. Mai 2016 – Weiter mit von Welden

Letzte Woche legte einer meiner geschätzten Twitter-Verfolger einen Wikipedia-Eintrag zu Leo von Welden an, und am Dienstag abend habe ich mich getraut, ein winziges bisschen daran rumzueditieren. Mein erster Wikipedia-Edit! Das war großartig, das machen wir noch mal.

Gestern und vorgestern saß ich außerdem mal wieder im Zentralinstitut für Kunstgeschichte, um weiteres über den Mann und seine Kunst rauszufinden. Dienstag las ich viel über die Kunst, die zur NS-Zeit geduldet oder gefordert war. Wie genau sie aussah, darüber scheint sich die Literatur nicht ganz einig zu sein, genauso wenig wie die Nationalsozialisten selbst sich darüber einig waren. Was sie schon in den 20er Jahren in mehreren ekligen Pamphleten und Schriften sagten: Alles Jüdische und alles Kommunistische sei keine deutsche Kunst. Was aber jetzt genau deutsche Kunst werden sollte, darüber gingen die Meinungen stark auseinandern.

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Von circa 1933 bis 1935 war der Expressionismus noch im Gepräch, als „nordische“ Ausprägung dieser Kunstrichtung deutsch zu sein. Spätestens ab 1935/36 setzte sich aber immer mehr die Kunst des 19. Jahrhunderts durch, also alles, was an die Romantik erinnerte, das Biedermeier, den Naturalismus: Landschaften, Genrebilder (hier vor allem bäuerliche Szenen, was mich immer wieder irritiert – Deutschland zur NS-Zeit war hochtechnisiert, glorifizierte aber die olle Scholle), Porträts, Stillleben, Tierbilder. Dazu kam das Heldisch-Kämpferische, und gegen die allgegenwärtigen Funktionärsbüsten hatte auch niemand was.

Ich fand hier eine interessante Statistik zur Großen Deutschen Kunstausstellung; im ersten Jahr ihres Bestehens (1937) waren 40% der Bilder Landschaftsmalerei, 35% Porträts und bäuerliche Genreszenen, 10% Stillleben und Tierbilder und nur 5% nazifaschistische Thematik, also die nervigen Herrenmenschen eines Arno Breker und ähnliches – oder eben ein Bild wie ein von Welden: Der Aufmarsch am 9. November, das 1938 im Haus der Kunst gezeigt wurde.

Der Forschungsstand zu von Welden ist, ich erwähnte es vermutlich schon, äußerst bescheiden. Da ich die wenigen dünnen Kataloge, die mir vorliegen, schon auswendig kann und in ihnen nicht mit einem Wort erwähnt wird, dass von Welden zu NS-Zeiten irgendwie linientreu produktiv war, wühlte ich gestern mal auf gut Glück in alten Lexika. Zunächst im Lexikon der Müncher Kunst von 1994. Und siehe da, der Herr steht drin und zwar mit weiterführenden Literaturangaben, die ich zwar so gut wie alle schon kannte, aber: Das Allgemeine Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart von 1942 kannte ich noch nicht. Netterweise steht im ZI ja alles direkt vor meiner Nase, ich ging also die acht Meter vom Lesesaalsitzplatz zum Regal, zog das Lexikon raus – und stellte erstens fest, dass von Welden verzeichnet war und dass zweitens eines der Bilder aus der GdK – Heimkehr der Wolhyniendeutschen von 1940 – zur Zeit der Drucklegung des Lexikons in der Alten Reichskanzlei in Berlin hing. Damit können wir diesen Quatsch von „entartet“ wohl endgültig abhaken.

Der stand aber noch 1979 bräsig in einem Katalog, der allerdings von einem guten Freund von Weldens geschrieben wurde: „Die Zeit spielte von Welden übel mit. In den Jahren öder Gleichschaltung wurde er als „Entarteter“ empfunden. Man verweigerte ihm sogar die Mitgliedschaft der Kulturkammer, die doch für jeden, der künstlerisch tätig sein wollte, obligatorisch war.“ (Kat. Ausst. Leo von Welden 1899–1967, Pavillon Alter Botanischer Garten, München, 3. bis 26. Oktober 1979, Rosenheim 1979, o. S.)

Mein Dozent erzählte mir, dass nicht jede/r, der*die in der GdK ausstellte, auch Mitglied der Reichskulturkammer war. Ich weiß inzwischen auch, an welches Archiv in Berlin ich eine Mail schreiben muss, um nachzuprüfen, ob der Mann sich überhaupt um eine Aufnahme bemüht hat und/oder er abgelehnt wurde. Aber das ist ein Nebenschauplatz.

Ich suche immer noch bessere Bilder des Herrn, denn in den wenigen Katalogen sind meist die gleichen abgebildet. Die reichen zwar für ein anständiges Referat, dafür, die Kontinuität des von Welden’schen Schaffens aufzuzeigen und den Wechsel in seinen Stilarten, aber einen wirklich vollständigen Ãœberblick – oder auch nur einen annähernd ordentlichen – habe ich schlicht nicht.

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