Was schön war, Montag, 25. Januar 2016

Uni. (War ja klar.)

In unserer letzten Sitzung der Barock-und-Klassizismus-Vorlesung sprachen wir zunächst über von Klenzes Walhalla in Regensburg, was ich sehr lustig fand, weil Anselm Kiefers Bild Deutschlands Geisteshelden an das Innere dieses Bau erinnert. Danach wandten wir uns wieder München zu, genauer gesagt, Friedrich von Gärtner und seiner Ludwigskirche, die gegenüber der Uni steht und zum Ensemble der Ludwigstraße gehört.

Die Ludwigskirche ist die Kirche in München, in der ich auf häufigsten war, einfach weil sie direkt vor meiner Nase steht, wenn ich im Hauptgebäude der Uni bin, von wo ich mal schnell rüberlaufen und etwas verweilen kann. Meistens sitze ich nur da und gucke und denke nicht weiter über die Kunstgeschichte nach. Hätte ich mal machen sollen, dann wäre mir nämlich längst aufgefallen, dass von Gärtner lustig das gotische Kreuzrippengewölbe mit den romanischen Rundbögen mischt. Vielleicht liegt es daran, dass mir die Kirche nie so neo-irgendwas vorkam, sondern fast zeitlos. Klar habe ich Referenzen gesehen, aber mir selbst im Kopf nie ein komplettes Bild gebastelt; ich habe mich nur darüber gefreut, dass mir die Kirche gefällt. (Muss ja auch mal sein.)

Hätte ich den Wikipedia-Eintrag zu ihr gelesen, hätte ich auch schon vor gestern erfahren, dass im Chor das zweitgrößte Altarfresko der Welt zu sehen ist. (Das größte ist natürlich das von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle.) Was ich aber am spannendsten fand, und das steht nicht in der Wikipedia, ist der Grund, warum die Türme so seltsam auseinandergezogen dastehen. Das habe ich mich jedesmal gefragt, wenn ich die Fassade angeschaut habe: Wieso ist da ein Abstand zwischen Giebel und Türmen? Auf diesem Bild sieht man ganz gut warum: Die Türme sind nicht aus dem Bauwerk heraus geplant gewesen, sondern schon im Bezug auf die Straßen, an denen sie steht: Sie bilden optisch einen Abschluss der Schellingstraße, die rechtwinklig auf die Ludwigstraße trifft und von der aus man einen Kilometer lang auf die Front der Kirche guckt. Ich mag Stadtplanung ja gerne bzw. ich sehe gerne, warum irgendwas in meiner Stadt so dasteht wie es eben dasteht, und das war wieder ein schönes Beispiel.

Die Ludwigstraße wurde von König Ludwig I. erbaut, um die ludovizianischen Werte widerzuspiegeln: Wissenschaft/Kunst (Uni, Stabi), das römisch-katholische Christentum (St. Ludwig) und die Wittelsbacher Herrschaft (die Straße beginnt an der Residenz bzw. der Feldherrnhalle und endet am Siegestor). Der Dozent erzählte uns außerdem, dass der König die Kirche bauen ließ, ohne sie überhaupt finanzieren zu können. Er hatte dreist den Münchner Magistrat aufgefordert, die Kirche zu bezahlen, sonst würde er die Universität und die Residenz einfach in eine andere bayerische Stadt verlegen. Die Stadt knickte ein und zahlte. „Da können Sie jetzt mal kurz rüber zu St. Ludwig gehen und ein Dankgebet sprechen, dass Sie heute nicht in Ingolstadt sitzen.“

Hausarbeit finalisieren – und kürzen, verdammte Axt.

Ich pflegte gutgelaunt die Korrekturen meiner Drüberleserin ein und machte mich dann an die Arbeit, mit der ich immer warte, bis der Haupttext wirklich steht: die Fußnoten. Ich nenne beim ersten Vorkommen eines Titels den gesamten Rattenschwanz, also zum Beispiel „Hamann, Brigitte: Winifred Wagner, oder Hitlers Bayreuth, München 2003, S. x.“ Bei der nächsten Nennung steht da nur noch „Hamann 2003, S. x.“ Das füge ich erst ein, wenn ich wirklich weiß, wo die erste Nennung hin muss. Eigentlich mache ich das gerne, denn dieser Schritt bedeutet, dass ich fertig bin. Gestern fiel mir aber siedendheiß ein, dass ich mit diesen ganzen Rattenschwänzen die Zeichenzahl wieder nach oben jage, die ich ja gerade unter 50.000 gedrückt hatte. Im Master zählt bei uns nicht nur der Haupttext, sondern auch der wissenschaftliche Apparat mit zu den Zeichen, was mich anfangs jubeln ließ und jetzt nur noch kotzen lässt. In meiner Arbeit nenne ich fast 50 Werke von Kiefer (ja, selber schuld, ich weiß), die alle Fußnoten à la „Buch, 210 Seiten; Emulsion auf farbigem, teilweise verbranntem Papier, Filzstift, Tinte, Klebeband, Holz und Nägel, 28 x 46 x 5 cm, Privatbesitz, vgl. Kat. Ausst. Paris 2015, S. 108/109.“ haben. Das Verhältnis von Haupttext zu Fußnoten ist, wie ich gestern entsetzt feststellen musste, 30.000 zu 20.000 Zeichen. Meine Arbeit ist damit genau so lang wie meine Hauptseminararbeiten im Bachelor – der ganze Rest meiner herrlichen Zeichenzahl wird von den verdammten Fußnoten gefressen. Und die verlängerte ich durch die Literaturtitelnennung gestern noch mal, woraufhin ich noch mal kürzen musste. Jetzt bin ich bei 49.996 Zeichen und rühre das Ding nicht mehr an, verdammt.

Ich vermisse die Arbeit jetzt schon. Ich war so schön im Flow. Und ich hätte noch so viel zu sagen. Snif.