Tagebuch Freitag, 11. Dezember 2015 – Stadionreferat

Gut war’s. Der Dozent hat sich über mein Bildmaterial gefreut – „das unterstützte immer gut, was Sie gerade sagen“ – sowie über den großen Bogen, den ich gespannt habe, anstatt nur über das Vogelnest zu sprechen. Zitat war gut, die Idee, sich daran abzuarbeiten auch – aber ich war mal wieder zu schnell. In den ersten Semestern hatte ich immer ein Post-it mit „Langsam!“ vor mir liegen; irgendwann habe ich das gelassen, weil keine Kritik mehr an meiner schnellen Sprechweise kam, aber gestern bin ich anscheinend mal wieder gerast. „Sehr viele Informationen in einem recht kurzen Referat.“ Und ich so innerlich: meine Darlings! Ich hätte sie gar nicht killen müssen! Ich hätte doch länger reden können! Aber das weiß man bei Dozierenden, die man noch nicht kennt, ja nie, wie sie auf Ãœberziehung reagieren; mir ist aufgefallen, dass der Herr bei Referaten des Öfteren auf die Uhr schaut, und daher wollte ich nicht so gnadenlos lang werden. Hätte ich aber anscheinend machen können.

Die anschließende Diskussion war ausnahmsweise mal etwas lebhafter als sonst. Ich weiß nicht, woran es gelegen hat, aber anscheinend waren viele der Teilnehmerinnen schon mal in Stadien unterwegs und konnten was dazu sagen. Die Allianz-Arena wurde nicht als Ikone angesehen, weil ihr Design nicht so irrwitzig innovativ ist. Es wurde aber anerkannt, dass es eine gute Lösung für das Problem bietet, dass sich zwei Vereine in einem Stadion wohlfühlen müssen – nur durch Licht schafft man eine andere Außenhülle, und das ist schon schick. Das alte Olympiastadion ist laut unserer Kursdefinition (runterscrollen bis zur 4-Punkt-Aufzählung) ebenfalls keine Ikone, auch wenn wir alle in es verliebt sind, denn: Es hat keine bildhaften Qualitäten. Beim Nationalstation in Peking denkt man an ein Vogelnest, beim al-Wakrah … nun ja, ich komme gleich noch darauf zurück … aber das Olympiastadion sollte ein Zeltdach sein für ein heiteres Sommerfest und genau das ist es dann auch geworden. Man denkt eher nicht an die Berge der Alpen oder hat andere Bilder im Kopf, sondern sieht ein Zeltdach für ein heiteres Sommerfest, und deswegen fliegt es raus. Was natürlich nicht heißt, dass es irgendwie schlechter ist, ganz im Gegenteil; da waren wir uns alle einig, dass es zusammen mit dem Vogelnest eines der aufsehenerregendsten und attraktivsten Olympiastadien ist.

Beim al-Wakrah hatte ich bewusst alle Hinweise in Richtung „vagina stadium“ unterlassen, aber das halbe Seminar kicherte sofort, als die Folie mit der Aufsicht auf das Stadion kam. Zaha Hadid hat sich natürlich gegen diese Zuschreibung ausgesprochen; sie meinte, wenn der Entwurf von einem Mann gekommen wäre, hätte niemand diesen Vergleich gezogen. Kann ich nicht beurteilen, aber ich fand die direkte Reaktion aus dem Kurs dann doch bezeichnend. Das Stadion hat es übrigens im November 2013 bis in die Daily Show geschafft (ab 9.30 min).

Ich habe im Referat versucht, auf die anderen Ansichten des Stadions einzugehen; gerade die Seite finde ich nämlich sehr gelungen, schön dynamisch, trotzdem elegant, und sie erinnert nicht nur an die Dau, von deren gespanntem Segel das Dach inspiriert wurde, sondern auch an Wüstendünen, was beides gut zu Katar passt.

In der Diskussion wurde sich auch kurz mit meinem gewählten Eingangszitat befasst. Eine Kommilitonin bemerkte, dass ich das Prestigeobjekt nur aus Sicht der Architekt*innen abgehandelt habe, aber ein Stadion könne ja auch für eine Stadt ein Prestigeobjekt sein, selbst wenn es nicht von einer/m Starchitekt*in käme. Auf diese Drehung bin ich gar nicht gekommen; werde ich für die Hausarbeit noch mal überdenken. Auch die Frage, ob Stadien identitätsstiftend für Städte sein könnten – ich fragte mich das in einem Blogeintrag –, wurde besprochen. Es wurde mehrfach das Ruhrgebiet genannt, vor allem der Signal-Iduna-Park und die Veltins-Arena; gerade letztere mit ihrer Berglage wirke angeblich sehr identitätsstiftend. Bei diesen Aussagen wird natürlich die nicht gerade innovative Architektur außer acht gelassen, hier geht es rein um den gefühlten Mehrwert, den das Stadion der Stadt bietet. Auch an der Ecke muss ich noch weiterdenken.

Wen’s interessiert: Hier sind die Folien (komprimiert, daher nicht ganz optimal) und hier mein Skript. (Präsentation gelöscht, weil ich die Bildrechte nicht besitze.)