Tagebuch 12. Oktober 2015 – 12 von 12 im Oktober

Zwölf Bilder vom Tag. Andere gibt’s wie immer bei Draußen nur Kännchen.

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Mein übliches Frühstück (aus dem Hintergrund: „Boring!“) aus Cappuccino und Multivitaminsaft. Auf meinem Tablett lag auch noch das Programmheft zum Theaterabend vom Sonntag, den ich verbloggen wollte.

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Hiermit erledigt.

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Gestern ging das WS 2015/16 los – oder anders: mein erstes Semester im Master. Ich freue mich seit Tagen, ach, Wochen wie ein Idiot. Die erste Amtshandlung in jedem Semester ist immer, den Stundenplan auszudrucken, weil ich mir erst nach zwei Wochen gemerkt habe, in welche Gebäude und Räume ich muss. Die Uhrzeiten weiß ich schon vorher auswendig.

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Mein geliebter Le 7 (Rosé-Perlwein) geht zur Neige. Ich habe nur noch lausige 20 Flaschen, wobei ich immerhin in Hamburg noch eine Kiste mit sechs Fläschchen fand, was meinen Umzugsschmerz kurz lindern konnte. allemanfang hatte aber einen guten Tipp parat, was meine Ersatzdroge werden könnte. Auf den Mann höre ich blind, wenn’s um Wein geht. Bestellt.

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Nach so viel Tippen und Geld ausgeben war ich hungrig. Frühstück Teil 2 mit dem letzten selbstgemachten Lemon Curd. Gleich mal neuen anrühren, so herrlich wie er immer aussieht.

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Und dann war es endlich halb 12 und ich durfte zur Uni. Ich mag es am liebsten, wenn die Uni um 10 anfängt, aber das klappt in diesem Semester nur ein einziges Mal. Sonst ist es immer mindestens 12, und wenn ich einen Kurs behalte, bei dem ich noch nicht weiß, ob ich das will, fange ich sogar an einem Tag erst um 16 Uhr an. 16 Uhr?! Da denkt mein Kopf doch schon an Feierabend und „Was koche ich denn nachher?“

Im Bild mein Hamburgfahrrad. Im wahrsten Sinne des Wortes.

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Erste (und für heute einzige) Vorlesung: Baukunst der frühen Neuzeit – Barock und Klassizismus. Wir begannen mit der Definition von Barock und Rokoko, ordneten ihn zeitlich ein – 1570/80 bis 1630 Frühbarock, 1630 bis 1700/20 Hochbarock, 1710/20 bis 1760/80 Spätbarock. Rokoko fällt zeitlich ungefähr zusammen mit dem Spätbarock, ist aber nicht das gleiche: Rokoko ist ein reiner Ausstattungs- und Dekorstil und beschränkt sich auf den Innenraum. Beides hat sich aber natürlich gegenseitig beeinflusst.

Die Bezeichnungen für diese beiden Stilrichtungen waren zunächst negativ und zeigten den Unterschied zur Klassik. Barock bedeutet übertragen „schief, ungeformt, gekrümmt“, Rokoko kommt von der geschwungenen Form der Rocaille. Heute gilt Barock als eine der prachtvollsten Epochen der Kunstgeschichte. Das wusste ich alles so halb von verschiedenen Kunstwerken, fand es aber nett, es nochmal gerafft und sinnvoll geordnet präsentiert zu bekommen.

Wir lernten kurz etwas zum historischen Hintergrund, den Unterschied zwischen den Barockkirchen in Rom und den Barockschlössern in Frankreich und besahen uns dann den ersten großen Barockbau: den Neubau des Petersdoms. Die Baugeschichte dieser Kirche war mir schon im ersten (oder zweiten) Semester in der Einführung zur Kunstgeschichte begegnet. Damals hatte mich die lange und komplizierte Baugeschichte völlig überfordert. Jetzt mit ein bisschen mehr Vorwissen und architektonischem Vokabular ausgestattet, war die Entwicklung von einem Zentralbau zu einem Longitudinalbau total nachvollziehbar.

Der Petersdom war zu Michelangelos Tod ein Zentralbau, dem allerdings noch die Ostfassade fehlte. 1607 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, bei dem die Fassade endgültig zu den Akten gelegt wurde, denn nun meinte man, ein Langhaus wäre echt super. (Ich persönlich fand das Langhaus eher doof. Wobei mir die Rom-Einträge aus kunsthistorischer Sicht heute sehr peinlich sind, aber da müssen wir jetzt durch. Ich vor allem.) Carlo Maderno gewann die Ausschreibung und machte nun nicht das, was der Dozent in einem kurzen Seitenhieb vielen heutigen Architekt_innen vorwirft, nämlich dass sie eher auf Kontrast gehen anstatt auf Einheit. Maderno zeigte stattdessen Respekt vor dem Ausgangsmaterial, griff den Stil der Bramante’schen Säulen und die der klassischen Proportionen Michelangelos auf und schuf ein Bauwerk, das trotz diverser Architekten und einer Bauzeit von 120 Jahren so ziemlich wie aus einem Guss aussieht.

Ein Detail faszinierte mich besonders:

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(Das ist aus der PowerPoint unseres Dozenten; ich habe leider keine Quellenangabe.)

Der deutlich sichtbare Schildbogen trennt den alten Zentralbau (hinten) vom neuen Langhaus (vorne). Der flache Pilaster des Zentralbaus wird zu einem deutlich plastischeren im Langhaus; man sieht den Unterschied, aber das Neue ist eine gewollte Referenz an das Alte. Außerdem zu sehen: Das Tonnengewölbe vom Langhaus setzt weiter außen an; das Langhaus ist breiter als der Zentralbau, was das Bauwerk etwas großzügiger macht. Das Licht kommt allerdings nicht mit. Der neue Petersdom ist eine Saalkirche mit verschatteten Abseiten. Eine Abseite ist quasi ein Nebenraum zum Hauptschiff; es ist aber kein Seitenschiff, denn es kann nicht durchschritten werden, sondern besteht aus einzelnen Kammern, bzw. hier Kapellen. Jede dieser Kapellen ist mit einer Kuppel ausgestattet, die die große Hauptkuppel Michelangelos zitiert. Neu ist hier die ovale Form, die durch die rechteckigen Anlage der Abseiten bedingt wird.

Hier sieht man eine Abseite vorn rechts im Bild, man kann die Kuppel erahnen.

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Wir sprachen abschließend noch über die Fassade, die eigentlich zwei Türme seitlich der Kuppel hätte bekommen sollen, aber anscheinend sind alle ganz froh, dass das nicht geklappt hat und St. Peter heute so aussieht wie er eben aussieht.

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Von der großen Kirche in den kleinen Keller: Als ich nach Hause kam, zerrte ich die zweite Matratze meines ehemaligen Bettes aus der Wohnung. Das Bett hatten F. und ich auseinandergebaut, bevor die Umzugsjungs kamen, es steht von Kartons verdeckt rechts an der Wand. Eigentlich wollte ich die Matratze erst runterschleppen, wenn die Kartons abgeholt wurden, aber das scheint noch zu dauern. Die Matratze lehnte aber genau vor der Heizung, und genau die wollte ich heute endlich mal anmachen.

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Done. Die Farbspritzer sind noch von meiner Vormieterin und mir sehr egal.

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Wäsche zusammengelegt. Vorne auf dem Wäscheständer hängt mein Dirndl, das jetzt nicht mehr nach Oktoberfest riecht. Oben drauf liegen zwei meiner geliebten Geschirrtücher, die mir Mama vor 100 Jahren zum Auszug mitgab. Sie müssten aus den 70er Jahren sein und ich habe die letzten 25 Jahre damit zugebracht, einen adäquaten Ersatz zu finden, weil sie ja doch recht schlicht aussehen. Ich habe aber nie wieder ein Handtuch gefunden, das so streifen- und fusselfrei abtrocknet. Daher werde ich diese Handtücher benutzen, bis sie auseinanderfallen.

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Dank F. ist seit gestern wieder mein Lieblingsdarjeeling im Haus. Gleich mal eine Kanne davon aufgebrüht.

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Zum Abschluss des Tages verarbeitete ich die letzte übriggebliebene Roulade von Samstag zu einer Bœuf-Stroganoff-Variante (Weißwein, Sahne, Zwiebel, fertig). Das Rote ist kein blutiges Fleisch, sondern der Schinkenspeck aus dem Inneren der Roulade.