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„Im ersten Stock saß Jenny auf der Bettkante (vielleicht stand sie aber auch hinter dem Vorhang und schaute aus dem Fenster) und weigerte sich, zu ihrem eigenen Fest zu kommen. Vermutlich betrunken. Und Siri war gekommen, um die Sache in die Hand zu nehmen. Sie wollte die Sache in die Hand nehmen. Diesen Ausdruck hatte sie noch nie benutzt, und plötzlich war sie in dem langen blauen Seidenkleid und den hochhackigen Schuhen (die bei jedem Schritt in der Erde versanken, pitsch, patsch, pitsch) durch den Garten gestapft und hatte sich auf eine Weise benommen, die fremd anmutete, Worte und Formulierungen benutzt, die nicht zu ihr passten. Hin und wieder, in kurzen, panischen Momenten, sah sie sich selbst: wie sie durch den Garten stapfte und sich verstellte. Die Sache in die Hand nehmen. Die schrille Stimme. Als hätte sie etwas Altes, Harsches auf der Zunge, das sofort entfernt werden musste, auch wenn Gäste zugegen waren – zum Beispiel die Formulierung Ich muss die Sache in die Hand nehmen, auf einschmeichelnde, theatralische Weise geäußert –, und aus ihrem Mund holte sie ein großes glänzendes Insekt.“

Linn Ullmann (Ina Kronenberger, Übers.), Das Verschwiegene, München 2013, S. 164–165.