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„Es ist ein Hin- und Hergerissensein zwischen Verheimlichung und Offenherzigkeit, zwischem dem Wunsch, die Wahrheit zu sagen, und dem Unvermögen, es auch in den intimsten Situationen zu tun; es ist die Erkenntnis, dass das Wesen der Liebe Wissen ist und das Ringen mit der Angst, mit der so großen Angst, sich eine Blöße zu geben. Wer schreibt, greift mit dem Stift nach der Macht, weil die Ohnmacht so unerträglich groß ist. Wer schreibt, hört für eine Weile auf, sich selbst Gewalt anzutun, zu leugnen, zu lügen, zu verschleiern und sich zu verstellen, hört mit all dem auf, wozu er sich gezwungen sieht, sobald die Angst zuschlägt, was ein anderer mit ihm machen könnte. Und diese Angst schlägt zu, sobald ein anderer auftaucht, der den Traum vom Sich-eine-Blöße-geben-Wollen wahrzumachen droht.

Schreiben wird aus Schweigen, Angst, Verlegenheit und einer möglicherweise übermäßig ausgeprägten Abneigung gegen Unechtheit, vor allem die eigene Unechtheit, geboren. Fiktion entspringt dem Verlangen nach Wahrheit.“

Connie Palmen (Hanni Ehlers, Übers.), I.M. Ischa Meijer. In Margine. In Memoriam, Zürich 2001, S. 38/39