„Fragst du nach Tristan, teure Frau“

Der Countdown nach Bayreuth hat begonnen. Heute nachmittag geht’s in die (Städtemetaphern rocken) Wagnerstadt, morgen gibt’s Parsifal und am Donnerstag Tristan und Isolde, die einzige Wagneroper, die ich bis jetzt noch nie gesehen habe. Seit einigen Tagen läuft die wunderbare Aufnahme von 1966 aus Bayreuth (Karl Böhm, Birgit Nilsson, Wolfgang Windgassen) auf dem iPod, während ich wahlweise die Partitur oder nur das Reclam-Libretto mitlese. Und wie immer, wenn ich Opern höre, stelle ich mir die Frage, ob die Leute damals bei der Uraufführung, als es noch kein Reclamheft zum Mitlesen gab, auch nur ein Wort des Textes verstanden haben. Hatten die Hörer damals vielleicht ein operngeschultes Gehör, das noch nicht von Simpelpop runtergedummt war? Oder war der Text egal?

Was sich allerdings in meiner persönlichen Opernrezeption geändert hat, ist der Respekt vor den Sängern. Mir war zwar schon länger klar, dass Wagner wahrscheinlich ein bisschen schwieriger zu singen ist als „Hoch auf dem gelben Wagen“, aber erst, seit ich selber Unterricht habe, merke ich, wie verdammt großartig die Jungs und Mädels ihren Job machen. Mir war nie klar, wie schwierig es ist, leise und trotzdem betont zu singen. Wie unmöglich es ist, in den ganz hohen Lagen überhaupt noch Worte zu formen. Ich höre auf einmal Feinheiten, die ich bis jetzt als selbstverständlich hingenommen habe – zum Beispiel schlicht und einfach eine gewissen Betonung oder eine Emotion, die transportiert wird. Erst seit ich selber versuche, schnulziges Zeug zu singen, ohne dass es trieft oder lächerlich wirkt oder (noch schlimmer) es sich anhört, als wäre mir alles total egal, ahne ich, welche Gratwanderung eine gefühlvolle Interpretation ist. Ich achte auf einmal darauf, wann geatmet wird, auf welchen Silben betont wird, auf welchem Vokal die Sänger und Sängerinnen sich nach oben quälen (i) oder schwingen dürfen (a). Es klingt nicht anders als früher, als ich Opern gehört habe. Aber es klingt auf einmal so, wie es eben ist: richtig, richtig schwer.

Das iBook reist natürlich mit nach Bayreuth und das Hotel wurde natürlich nach W-LAN-Aspekten gewählt und die Digitalkamera ist natürlich ab Abflug Hamburg im Anschlag, aber ich weiß trotzdem nicht, ob hier in den nächsten drei Tagen was passieren wird oder ob ich stattdessen so vom Haus Wahnfried ergriffen sein werde, dass ich erst Samstag wieder poste. Kiek mol wedder in. Oder lest meinen Eintrag vom 26. Juli vergangenen Jahres, wo ich mich bereits sehnsüchtig nach Bayreuth verzehrt habe, nicht ahnend, dass ich nur ein Jahr später wieder da sein werden würde (wollen gehabt getan).

9 Antworten:

  1. Mein Neid ist Ihnen sicher, Frau Gröner. Und auf Ihre Meinung zum “Tristan” mit Häschen bin ich mächtig gespannt. Der “Tristan” ist ja mein absoluter Favorit, den könnte ich ganztags hören.

  2. Tipp: Machen Sie ein Foto im Festspielhaus, schon allein, weil’s verboten ist! Viel Spaß!

  3. Huhu aus München .. ich lese schon länger Dein Blog.. kompliment es macht immer mehr Spaß .. Wollte nur mal zu Deinem Bayreuth Ausflug anmerken …
    Wenn Du eine Chance hast in den Orchestergraben hineinzuschauen, tu es .. Viele der Musiker sitzen da bei den Aufführungen in lockersten Freizeitkleidung und schmunzeln über die gestylten Promis .. Ich kenn eine Horde von den Wagnersöldnern aus Leipzig ( Gewandhausorchester ) .. extrem gute Bezahlung, wenn auch nicht als Orchester eingespielt und da will man es ja bei der Arbeit bequem haben, gell … Kontraste.. Kontraste.. viel Spaß beim Genießen !! Stephan

  4. wow, viel freude und eine unvergessliche auffuehrung!!
    mamo

  5. Viel Spaß!!!!
    Ein bisschen neidisch bin ich ja…

  6. @Modeste
    Tristan mit Häschen?
    Wenn das der Herr Schlingensief liest …
    Das Häschen verwest im Parsifal.

  7. Da bin ich richtig neidisch! Stand eben gerade vor der Kasse und hab versucht für morgen ne Karte zu bekommen. -Naja, vielleicht bekomm ich für nächste Woche eine… Bevor ich hier in Bayreuth mit dem Studium fertig bin sollte ich doch wenigstens einmal was sehen…

    Falls du noch Programm suchst: Kennst du die Wagner-Parodien im Steingräber Hoftheater?
    Hojotoho und “Seelige Öde auf sonniger Höh” (mein Lieblingsstück) sind recht lustig.

  8. Unbedingt nicht vergessen: nach Sanspareil fahren!
    Oder wieder Franke sagt: “Sannsbaarail”!

    Der Felsengarten ist wirklich schön!

  9. Auch ich zucke ein wenig mit den Mundwinkeln, wäre ich doch auch gern da. Aber ich bin nicht neidisch und gönn’s Ihnen von Herzen! Ich find’ – abgesehen von der Ouvertüre und Isoldes Liebestod – Parsifal und Tannhäuser noch großartiger, aber nichts destoweniger: Grad in Bayreuth selbst würd’ ich’s gern mal sehen. Viel Spaß!