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„Im ersten Stock saß Jenny auf der Bettkante (vielleicht stand sie aber auch hinter dem Vorhang und schaute aus dem Fenster) und weigerte sich, zu ihrem eigenen Fest zu kommen. Vermutlich betrunken. Und Siri war gekommen, um die Sache in die Hand zu nehmen. Sie wollte die Sache in die Hand nehmen. Diesen Ausdruck hatte sie noch nie benutzt, und plötzlich war sie in dem langen blauen Seidenkleid und den hochhackigen Schuhen (die bei jedem Schritt in der Erde versanken, pitsch, patsch, pitsch) durch den Garten gestapft und hatte sich auf eine Weise benommen, die fremd anmutete, Worte und Formulierungen benutzt, die nicht zu ihr passten. Hin und wieder, in kurzen, panischen Momenten, sah sie sich selbst: wie sie durch den Garten stapfte und sich verstellte. Die Sache in die Hand nehmen. Die schrille Stimme. Als hätte sie etwas Altes, Harsches auf der Zunge, das sofort entfernt werden musste, auch wenn Gäste zugegen waren – zum Beispiel die Formulierung Ich muss die Sache in die Hand nehmen, auf einschmeichelnde, theatralische Weise geäußert –, und aus ihrem Mund holte sie ein großes glänzendes Insekt.“

Linn Ullmann (Ina Kronenberger, Übers.), Das Verschwiegene, München 2013, S. 164–165.

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Wieder was gelernt. Beziehungsweise: endlich ne schöne Definition für Kubismus gefunden.

„For the traditional distinction between solid form and the space around it, Cubism substituted a radically new fusion of mass and void. In place of earlier perspective systems that determined the precise location of discrete objects in illusory depth, Cubism offered an unstable structure of dismembered planes in indeterminate spatial positions. Instead of assuming that the work of art was an illusion of a reality that lay beyond it, Cubism proposed that the work of art was itself a reality that represented the very process by which nature is transformed into art.“

Rosenblum, Robert, Cubism and Twentieth-Century Art, 2. Aufl., New York 1982, S. 13.

Bücher Mai 2013

Iwan Gontscharow (Josef Hahn, Übers.) – Oblomow

Ach, der Oblomow. Anfangs wollte ich ihn die ganze Zeit puscheln, weil er doch will und nicht kann und alle Welt ihn ausnutzt und nicht versteht, wie’s ihm geht. Dann aber trifft er Olga und versemmelt die ganze Beziehung – wobei: Da muss ich ihm im Nachhinein doch recht geben; seine ganzen Bedenken waren korrekt, der Mann kennt sich eben doch besser als ich ihn, und das hat mich dann auch mit der recht langen Olga-Episode versöhnt, die mir zeitweilig ein bisschen auf den Keks ging. Im letzten Teil des Buchs hat er mein Herz dann endgültig gewonnen, als er erkennt, dass es eben einfach nicht geht, das mit ihm und der Welt, und dann muss das wohl so. Wunderschön, zeitlos und in der alten, aber nie alt klingenden Übersetzung von Josef Hahn eine Freude zu lesen.

(Leseprobe bei amazon.de, Volltext bei Gutenberg.Spiegel, allerdings in der sehr altbackenen Übersetzung von Herrmann Röhl.)

Friedrich Ani – Süden

Wer in meine Bücherliste guckt, weiß, wie sehr ich Friedrich Ani mag, daher spare ich mir hier eine ewig lange Schwärmerei. Nur eins: Dieses Buch entstand nach einer etwas längeren Pause, eigentlich wollte Ani, soweit ich weiß, den Ermittler gar nicht mehr be-schreiben, aber so ganz kam er wohl doch nicht ohne ihn aus.

Süden hat sich aus dem Polizeidienst verabschiedet und arbeitet jetzt für eine Detektei. Deswegen fehlen die vielen liebgewonnenen Gesichter (oder kommen nur im Vorbeigehen mal vor), und die neuen fühlen sich noch nicht ganz richtig an, aber das mag daran liegen, dass ich eben 100 Bücher mit der alten Besetzung kenne. Was gleich geblieben ist: das München-Kolorit, die Sorgfalt Anis bei seinen Beschreibungen und Dialogen und die Melancholie, die alles überzieht und die Bücher für mich so unwiderstehlich macht.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Hervé Le Tellier (Jürgen und Romy Ritte, Übers.) – Kein Wort mehr über Liebe

Ich zitiere den Klappentext: „Anna begegnet Yves, Louise lernt Thomas kennen. Wie leicht verliebt man sich, wenn zu Hause ein Familie wartet? Wie hoch ist der Preis der Liebe, wenn man keine zwanzig mehr ist?“ Das trifft’s ganz gut. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, vor allem sein seltsam artifiziell klingender Stil. Ich weiß nicht, ob ich bei meinen wenigen Ausflügen ins Nachbarland traumwandlerisch immer die französischen Bücher erwische, die so klingen oder ob alle französischen Bücher auf Deutsch so klingen. Wenn ja, gerne mehr davon. Leider ist dieser Le Tellier der einzige, der in deutscher Übersetzung vorliegt.

(Leseprobe bei amazon.de.)

Petra Morsbach – Opernroman

Ja, gut, wenn irgendwas „Oper“ und „Roman“ im Titel trägt, dann muss ich das ja quasi kaufen. Hat sich auch gelohnt. Liest sich allerdings fast dokumentarisch – von mir aus hätte es etwas mehr Emotionen vertragen können, aber vielleicht muss das so sein, damit die hochemotionale Umgebung des Theaters nicht völlig überzogen daherkommt. Die Oper ist im Roman nämlich eher eine Schlangengrube plus Haifischbecken plus Klapsmühle, aber ich ahne, dass es der Realität recht nahe kommt. Das Buch beschreibt verschiedene Akteure und Actricen, ihre Lebenswege, wie sie sich im Theater treffen, was sie dort tun und wie sie wieder auseinandergehen. Alles recht unaufgeregt, aber sehr schön wegzulesen.

(Leseprobe bei amazon.de.)

John von Düffel – Goethe ruft an

Puh. Da musste ich mich erstmal 80 Seiten etwas überwinden, denn bis dahin hatte ich das Gefühl, purer Geschwätzigkeit zuzugucken. Wenn ein Satz noch eine Schleife machen kann, dann macht Düffel gleich 18. Und kommt nochmal rein. Und packt noch ne Kirsche obendrauf. Aber irgendwann hatte er mich so eingelullt, der olle Kaa, dass ich das Buch widerstandslos durchlas – und es im Endeffekt dann doch ganz ordentlich fand. Wie kann man auch vier Nachwuchsautoren und -autorinnen in einem idyllischen Hotel widerstehen, die einem überforderten Kursleiter an den Lippen hängen, der selbst gerne ein Erfolgsautor wäre?

Ein sächsisches Dankeschön …

… an Barbara, die mich mit zwei Büchern ihrer Großeltern überraschte, die bei ihr, O-Ton der beiligenden Karte, „eher verstauben würden“, wofür sie zu schade seien. Das sehe ich genauso.

Ich habe beim Paketauspacken jedenfalls vorfreudig rumgequietscht und beim Blättern freudig weitergequietscht, denn im ersten Buch Die Dresdner Galerie Alte Meister finden sich bergeweise alte Lieblinge (im Bild ein van Eyck, erkennen wir ja alle sofort, ne) und im zweiten Buch Das alte Dresden bergeweise neue: Schlossfassaden! Ich bin wie immer geplättet von so viel Freigebigkeit und noch mehr von der wunderschönen Karte. Vielen, vielen Dank, ich habe mich offensichtlich sehr über das Geschenk gefreut.

Franz Liszt, Les Préludes

Haben wir gestern und heute in MuWi und der dazugehörigen Übung durchgenommen. Ich quatsche euch gar nicht mit Sonatensatz und „Von C- über E- und Fis- wieder zu C-Dur“ zu, aber wenn ihr mal 15 Minuten Zeit übrig hättet, dann klickt ihr hier für Spotify und hier für die Noten. Klavierpartitur, nicht Gesamtpartitur, weil man bei der mit dem Klicken bzw. Scrollen nicht hinterherkommt.

Les Préludes haben leider eine etwas unrühmliche Geschichte, für die Herr Liszt aber nichts kann; die schöne C-Dur-Fanfare war die Erkennungsmelodie des Wehrmachtsbericht in der Deutschen Wochenschau, weswegen das Stück nach 1945 erstmal auf dem Index landete. Inzwischen dürfen wir es wieder hören, und das sollten wir auch brav tun. Ist nämlich schön.

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„[Pianist] Jan macht sich Gedanken über den Dom, der vor über siebenhundert Jahren von einem Meister Gerhard entworfen wurde. Woher nahm dieser Gerhard seine Kraft, nachdem er doch wußte, daß er den fertigen Bau niemals sehen würde? Ihm ging es um das Ewige, überlegt Jan, uns geht es um den Augenblick. Der Baumeister entwarf Formen, die nichts Menschliches mehr haben, nichts Zweckmäßiges, nicht mal entfernten Anklang an eine Behausung. Sie erinnern an hohen Wald, an Felsen, Himmel. Uns dagegen geht es um die vergänglichen Gefühle. Unsere Kunst ist die Kunst des richtigen Zeitpunkts. Wie oft tun, denken und sagen wir in Wirklichkeit das Falsche; oder wir tun das Richtige, aber zu früh, zu spät. Im Theater, denkt Jan auf dem Rückweg ins Hotel, wird Schicksal auf den Punkt gebracht, mit hoher Bedeutung und reinem Gefühl. Im Miterleben fremden Schicksals sind wir plötzlich von unserer privaten Zerrissenheit und Unzulänglichkeit befreit. Giftige Pointe: Um dieser fremden Kunst-Augenblicke willen opfern wir Künstler Jahre und Jahrzehnte eigenen Lebens. Um den großen, überwältigenden Kunst-Augenblick zu beschwören, nehmen wir im echten Leben tausenfaches Verpassen und Versagen in Kauf.“

Petra Morsbach, Opernroman, München 2000, S. 141

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„Am Vorabend habe ich Dich zum ersten Mal in meinen Armen gehalten, und schon hast Du mich ganz in Besitz genommen. Mir kommen Sätze in den Sinn, die von Dir sprechen und die ich mir – noch ganz ohne jede Absicht – notiere. Einer Legende zufolge hatte Schostakowitsch einen Granatsplitter im Kopf, der es ihm erlaubte, wenn er den Kopf in einer bestimmten Weise neigte, unbekannte Melodien zu vernehmen. Du bist mein Granatsplitter im Kopf. Der Granatsplitter in Schostakowitschs Schädel, das wäre auch ein guter Romantitel. Das Leben ist voll von guten Romantiteln.“

Hervé Le Tellier (Jürgen und Romy Ritte, Übers.), Kein Wort mehr über Liebe

Das dramatische Ende eines entspannten ESC-Abends

Der Eurovision Song Contest ist eine der Gelegenheiten, bei denen ich Twitter liebe. Im Sekundentakt kommentiert meine Timeline liebevoll gesangliche oder bekleidungstechnische Ausfälle, erwähnt Mettigel und Käsehäppchen mit Länderflaggen und überhaupt ist alles voller Flausch. Ich war mittendrin und twitterte, retweetete und hatte einen schönen Abend, bis um 23.30 Uhr mein Twitter-Client plötzlich behauptete, ich hätte mein tägliches Limit überschritten und könnte nichts mehr sagen.

Äh …

WAS? JETZT? WO GLEICH DAS VOTING ANFÄNGT? WATZEFUCK? Hysterie brach aus.

Der Kerl stand natürlich nicht tatenlos neben mir (einzelne Screenshots von unten nach oben lesen, bis auf den mit Jens und meinem Herzblatt:)

Inzwischen weiß ich, dass das System die Tweethäufigkeit halbstündlich misst und gnadenlos hochrechnet. Heißt: Wenn man innerhalb von drei Stunden gefühlt 150 Tweets absetzt, ist man erstmal raus. Aber: Um Mitternacht durfte ich wieder. War dann aber fast egal, denn bis dahin hatte mein Lieblingstitel keine Chance mehr auf den Sieg. Der hier wäre es gewesen:

Die Macht von Musik

Wir sitzen mal wieder im Didaktikkurs. Dieses Mal lautet die Aufgabe, sich drei kurze Musikstücke anzuhören und ein sogenanntes Hörtagebuch zu führen. Das heißt, wir lauschen gemeinsam einem Stück, das uns nicht bekannt ist und schreiben auf, was uns spontan dazu einfällt. „Ganz egal, was. Gefühle, Stimmungen, was für Instrumente Sie hören, egal. Und los.“

Zum Mithören: das erste Stück, das zweite, das dritte. Die Links öffnen Spotify, und ihr müsstet mal versuchen, NICHT zu gucken, was ihr da gerade hört.

Das erste Stück. Hört sich an wie Bach, aber zu jung für Bach. Ich notiere Dinge wie Bläser, Gott, getragen, fängt in moll an und hört in Dur auf. Nachdem wir alle Stücke gehört haben, sollen wir die drei Begriffe, die uns am charakteristischsten vorkommen, an die Tafel schreiben. In der Sammlung tauchen Worte auf wie Beerdigung, christlich, Kirche, Ensemble.

Das zweite Stück dauert etwas länger. Mir kommt es fast zu lang vor; der Chor dialogisiert vor sich hin, dann trifft man sich, und immer wenn ich denke, jetzt ist Schluss, kommt noch eine Schleife. Ich treibe etwas orientierungslos dahin und schreibe „Dialog, Frieden, es leuchtet“ an die Tafel. Andere notieren Choral, Bach, Kantate, Lösung, concerto grosso, mehrstimmig, Sopran, Tenor.

Das dritte ist wieder kurz. Meine Stichworte lauten „Bekräftigung, Vertrauen, zart“, meine Mitstudierenden notieren unter anderem Ensemblebesetzungen, raten Komponistennamen, schreiben Fachbegriffe an die Tafel.

Wir lassen das alles so stehen, kommentieren nicht, lesen nur, stellen fest, was alles an der Tafel steht: Da haben wir Gattungsbegriffe, Ideen zur Struktur der Stücke, Dynamikangaben wie forte oder piano, Besetzungen und Stimmungen, die transportiert werden. Am Ende der Stunde, nachdem wir die Stücke alle dreimal gehört haben und inzwischen wissen, was es ist, meint unsere Dozentin, dass sie immer wieder fasziniert davon ist, dass beim ersten Hören alle „was richtig machen wollen“. Wir seien so verschult, dass wir eher auf wissenschaftliche Dinge achten als auf Emotionen; wir analysierten sofort, anstatt einfach zuzuhören.

Das machen wir dafür beim zweiten Durchgang. Wir beginnen mit einem bisschen autogenen Training. Für mehrere Minuten sitzen wir bequem da, haben die Augen geschlossen, hören auf die leisen Ansagen der Dozentin und spüren unseren Gliedmaßen nach, ballen die Faust, entspannen wieder, fühlen der Energie nach, die dadurch entsteht. Völlig entspannt und darauf geschult, auf den Körper zu achten, hören wir die Stücke ein zweites Mal und versuchen uns wieder ein bisschen was zu merken, das wir danach aufschreiben.

Das erste Stück beginnt mit ein paar Takten Instrumentalmusik, bevor eine männliche Stimme einsetzt. Und ohne, dass ich es darauf angelegt hätte, gehen meine Schultern nach hinten und ich atme tief ein, ganz so, als ob ich selbst singen wollte. Ich spüre auf einmal den Raum in mir, den die Stimme mir verleiht, und das Getragene, was ich beim ersten Hören empfand, wird nun zu einer Aussage, Selbstbewusstsein, Stärke. Ich merke gleichzeitig, wie glücklich mich dieses körperliche Empfinden macht.

Das fühle ich noch stärker im zweiten Stück. Wo ich mich vorher als treibend empfunden habe, will ich nun meine Arme wie beim Schwimmen bewegen, ich will mit der Musik mitgehen, sie mitnehmen anstatt mich von ihr mitnehmen zu lassen. Mir fällt es sehr schwer, weiter ruhig sitzenzubleiben, wo ich doch viel lieber einen Kopfsprung in Richtung CD-Player machen würde. Das Stück ist nicht mehr zu lang, sondern genau richtig.

Das dritte Stück bremst mich dagegen völlig aus. Jeder Bewegungsdrang ist verstummt, ich will mich auf den Fußboden legen und mich mit der Melodie zudecken, schlafen, träumen. Wundervoll.

Auch hier erfahren wir erst am Ende der Stunde die „Auflösung“, als wir alle gemeinsam unsere Eindrücke schildern. Den meisten ging es wie mir: Es war ungewohnt, als Student oder Studentin der Musikwissenschaft bewusst unwissenschaftlich zu denken, sondern nur zu fühlen. Alle, die sich melden, meinen, sie hätten die Musik viel mehr genießen können und sich ihr ohne schlechtes Gewissen hingeben können. Viele hatten ähnliche körperliche Reaktionen wie ich. Genereller Grundon des Feedbacks: „Das war einfach schön.“

Vor dem dritten Hören informierte uns die Dozentin über die Musikfeste in Deutschland, die während der Napoleonischen Besatzung entstanden. Die Befreiungskriege wurden unter einer stark religiös motivierten Propaganda geführt. In den Gottesdiensten wurden Bibeltexte gerne auf die aktuelle Situation hin umgedeutet und ermutigten das Volk zum Krieg und zu persönlichen Opfern, zum Beispiel als Soldat oder als Angehörige. Dabei spielte der gemeinsame Gesang eine große Rolle, denn Singen schafft unwillkürlich eine Gemeinschaft, die flugs zur Volksgemeinschaft umgedeutet wurde.

Mit diesen Informationen im Hinterkopf hörten wir das ganze noch mal – und jetzt war ich schlecht gelaunt! Was ich eben noch als eine getragene Weise empfunden hatte, hörte sich nun für mich an wie gezielt komponierter Trost für Gefallene. Wo ich mich eben noch in die Musik fallenlassen wollte, empfand ich sie plötzlich als billige Propaganda, die mich bloß einlullen will. Nur das dritte Stück konnte mir auch die blöde Info nicht verderben, dass ich manipuliert werden soll, das war auch beim dritten Hören schlicht wunderschön.

Auch hier sammelten wir Eindrücke: Die anderen waren nicht ganz so pampig wie ich, hörten nun aber auch das, was sie hören sollten und empfanden es ähnlich wie ich: Schade, dass wir wissen, worum es geht.

Und das war dann auch der Punkt, den die Dozentin machen wollte: Manchmal lässt es sich besser über Musik sprechen, wenn man keine Ahnung hat, wenn man nicht sofort eine Biografie im Kopf hat, wenn man den Namen des Komponisten hört (bewusstes Maskulinum, ich habe noch von keiner Komponistin im bisherigen Studium gehört), wenn man nicht sofort nach der Motivation fragt, nach der Form des Stücks, nach Regeln und Strukturen.

Im Nachhinein war ich etwas stinkig auf die Dozentin, denn das Stück, was mir erst sehr gut gefiel und dann gar nicht mehr, war der Elias von Mendelssohn. Der wurde aber erst 1846 komponiert und in Birmingham uraufgeführt, hatte also mit den deutschen Nationalismus 1813/14 so gar nichts am Hut. Um ihren Punkt klarzumachen, hat er natürlich funktioniert, aber ich fühlte mich ein bisschen doppelt beschissen. Das hielt aber nur kurz an, denn der Elias ist schlicht zu schön, um ihn scheiße zu finden. (Eat this, Wagner.)

Wir warten auf Gomez

Mit debilem Gesichtsausdruck, wie sich’s gehört. Also ich, nicht der sich still freuende @probek vor oder der twitternde @fcblogin hinter mir. (Danke an @gnetzer für das Foto.)

Hat sich gelohnt. Aber dass ich „Korso“ falsch geschrieben habe, trübt die Freude natürlich gewaltig.

Edit:

This is how I work

Frau Donnerhall hat mich zwar nicht gefragt, aber ich antworte trotzdem.

Bloggerinnen-Typ: alles geht. Früher Filme und Golf, dann Opern und Futter, jetzt Kunstgeschichte und Fußball. Und München. Und Feminismus. Und Bücher.

Gerätschaften digital: MacBook Air, iPhone 4, Nikon S1 für die Futterfotos, iPad zum SkyGo-Gucken, Kindle als eReader (wird sehr selten genutzt).

Gerätschaften analog: Moleskine in A6 (immer im Rucksack für spontane Notizen), Moleskine in A5 für die Uni und die Werbung. Ich hatte im letzten Semester, als ich merkte, dass der Moleskine-Verbrauch recht hoch wird, mal eine Billovariante angetestet, bin aber reumütig zu meinen Lieblingen zurückgekehrt. Zum Schreiben irgendein Kugelschreiber, irgendein Tintenroller, ein neongelber LUCY-Bleistift (weil er neongelb ist), ein neongelber Textmarker. Ich kann bedauerlicherweise nicht mehr mit Füllern schreiben; mehrfach versucht, mehrfach genervt zu Kuli und Tintenroller zurückgekehrt. Ich hätte hier aber noch einen Old-School-Pelikan und einen schicken Lamy rumliegen. Auf meinem Nachttisch in Hamburg liegt mein geliebter arte-Bleistift, mit dem ich abends im Bett in meine Bücher reinmale. In München liegt irgendein Bleistift, aber der malt auch super in Bücher.

Arbeitsweise: konzentriert. Alles brav erledigen, dann kann ich entspannt surfen und lesen und kochen.

Welche Tools nutzt du zum Bloggen, Recherchieren und Bookmark-Verwaltung?

Ich blogge in WordPress und lasse mich dabei vom Kerl und von Herrn Fischer technisch bepuscheln. Ich weiß immer noch nicht, wie mein Weblog funktioniert und ich will es auch nicht wissen. Ich will nur schreiben, und die Jungs sorgen dafür, dass ich das stressfrei kann. Wunderbar.

Ich recherchiere mit Google und allem anderen, was das Netz so hergibt. Ich liebe es, von einem Link zum anderen zu hüpfen, genau wie ich gerade wiederentdecke, wie toll es in Büchern in der Bibliothek ist, sich von einer Bibliografie zur nächsten zu hangeln.

Meine Bookmarks liegen schlicht im Browser (Chrome) oder auf Pinboard. Da verwalte ich aber nicht groß was; meine Bookmarks sind relativ überschaubar und werden in regelmäßigen Abständen entrümpelt. Bei Pinboard lasse ich meist alles rumliegen.

Wo sammelst du deine Blogideen?

Gar nicht. Wenn ich etwas verbloggen will, mache ich das sofort. Die Artikel, die ich in WordPress anfange und nicht sofort beende, erblicken nie das Licht der Welt.

Was ist dein bester Zeitspar-Trick/Shortcut fürs Bloggen/im Internet?

Haha. Zeitsparen im Internet? Ich lachte.

Ach doch, einen habe ich: Wenn du was in die WordPress-Maske eingibst, schmeiß es vor dem Speichern mit Apfel-C in die Zwischenablage. Das rettet beim üblichen WP-Schluckauf oder Neu-Einlog-Zwang oder was auch immer dieses System von dir will, einen langen, schönen Blogeintrag und du musst deinen Rechner nicht anschreien.

Benutzt du eine To-Do List-App? Welche?

Nein. Vielleicht habe ich schlicht weniger zu tun als ihr, aber mir hat sich der Sinn von To-Do-Listen nie erschlossen. Die einzigen Male, wo ich mir notiere, was ich zu tun habe, sind die Tage in der Agentur, an denen zu meinen drei, vier normalen Jobs auf einmal fünfzehn Kleinscheißjobs kommen, die alle heute noch rausmüssen. Dann schreibe ich sie auf ein Post-it, arbeite sie ab und streiche sie durch. Zweite Gelegenheit für Listen: große Reisen, für die ein großer Koffer gepackt werden muss. Kommt selten vor, aber da fühle ich mich sicherer, wenn ich auf einer Liste überprüfen kann, ob ich auch alles dabei habe. Dritte Gelegenheit: Einkaufsliste. Die mache ich brav mit Bleistift und einem dieser bunten Würfelblöcke. Termine stehen im MacBook- und iPhone-Kalender, Rest habe ich im Kopf.

Gibt es neben Telefon und Computer ein Gerät, ohne das du nicht leben kannst?

Kühlschrank, Herd, Korkenzieher.

Gibt es etwas, das du besser kannst als andere?

Schreiben. Bücher auf die Amazon-Wunschliste packen und sie erst nach fünf Jahren wieder löschen. Hoffentlich irgendwann Ariensingen und Kunstgeschichte.

Was begleitet dich musikalisch beim Bloggen?

Meistens nichts. Ich kann beim Schreiben keine Musik mit Text ertragen, weil mich Worte ablenken. Wenn ich das Großraumbüro ausblenden muss, läuft Elektrokram oder eine russische Oper, deren Text ich nicht verstehe. Wenn ich über Musikwissenschaften blogge, läuft meist das Stück, über das ich schreibe.

Wie ist dein Schlafrhythmus – Eule oder Nachtigall?

Weder noch. Zu Agenturzeiten stehe ich um 7 auf, für die Uni um 8, und wie ich im letzten Semester gemerkt habe, kommt 8 meinem natürlichen Schlafrhythmus deutlich mehr entgegen. Deswegen bin ich am Wochenende auch so um diese Zeit wach. Um Mitternacht fallen mir spätestens die Augen zu, außer wenn mir jemand White Russians vor die Nase stellt.

Eher introvertiert oder extrovertiert?

Ich höre lieber zu als rumzuquatschen, aber wenn ich auf eine Bühne muss, mache ich gnadenlos die Rampensau.

Wer sollte diese Fragen auch beantworten?

Jeder der mag.

Der beste Rat, den du je bekommen hast?

„Wenn Sie mit Bauchentscheidungen besser leben, sollten Sie einfach öfter auf Ihren Bauch hören.“ (Schlaue Therapeutin war schlau.)

Noch irgendwas wichtiges?

Immer nett zu Empfangsdamen, Hausmeistern und IT-Admins sein.

Ich, das ist eine andere

Ich denke über Bilder nach, über Farben, Formen, über Raum, Persönlichkeiten, Ideen, Konstrukte. Ich lerne Geschichten, Biografien, Theorien und noch mehr Theorien und noch mehr. Und dann lerne ich, was alles schon nicht mehr gilt und lerne was Neues. Ich schreibe auf Notenpapier und in ein Moleskine, ich habe mir einen neuen Kugelschreiber gekauft und meine uralten Tintenroller wiederentdeckt. Ich nutze mein Federmäppchen, das 20 Jahre lang in einer Schublade auf mich gewartet hat. Ich sitze in großen Sälen auf harten Holzstühlen und schleppe Wasser und Jogurt und Apfelspalten mit mir herum anstatt in Konferenzräumen in Meetings zu sein und an Keksen zu knabbern und Latte Macchiato zu trinken. Ich höre Musik, die ich noch nie gehört habe, analysiere sie, lasse mich in sie fallen, schwimme auf ihr, darf die Augen dabei schließen und es Wissenschaft nennen. Ich gehe in Fußballstadien und treffe Menschen, die das auch tun. Ich trinke Maßkrüge voll Bier, wo ich in Hamburg gerade mal 0,33l schaffe. Ich habe ein Fahrrad gekauft und mich daran erinnert, wie toll Fahrtwind ist und kam mir nach einer Woche darauf total komisch vor, wieder meine Füße zu benutzen, um in Altona und Eimsbüttel und in der Hafencity von A nach B zu kommen. Ich gehe ins Theater und ins Kino, ich wühle mich durch Bibliotheken, ich lerne von 20-Jährigen und bewundere sie für ihre Bildung und ihr Wissen und all das, was sie gerade in der Schule in ihre Köpfe gestopft bekommen haben und was sie gar nicht zu würdigen wissen; ich schon, denn ich lese mir das alles wieder an, diesen ganzen Kram, den ich sicher schon einmal im Musikunterricht gehört habe, damals, oder in Geschichte, damals. Ich halte Referate statt Präsentationen, ich esse Leberkäse statt Fischbrötchen, ich sage Grüßgott statt Moin, und wenn ich nicht aufpasse, sage ich das in Hamburg auch. Ich, das ist eine andere als die im Norden. Ich, das ist jemand, die entdeckt und erlebt und fühlt und spürt und riecht und hört und dauernd vor etwas Neuem steht. Ich, das ist aber immer noch die gleiche, die fragt und hinterfragt und zweifelt. Und manchmal hat sie Angst, sich zu verlieren, obwohl sie gerade soviel gewinnt.

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Wilhelm Lehmbruck, Gestürzter (1915), Stiftung Wilhem Lehmbruck Duisburg, Foto: Bernd Kirtz

„Der Rhythmus ist es also, der als Prinzip höchsten überpersönlichen Seins die Gestalten Lehmbrucks von der Last individueller Existenz erlöste. (…) Wie der Mensch im gotischen Dome unwiderruflich sein Ich verlieren muss, um aufgenommen in einen unaufhaltsamen Vertikalismus seine Seele in schrankenlose Weiten zu heben, so verlässt der Lehmbrucksche Mensch diese Welt harter Gegensätze (…), um allein im Rhythmus als dem stärksten kosmischen Prinzip ein Dasein reiner Geistigkeit zu führen.“

Kuhn, Alfred, Die neuere Plastik, München 1922, zitiert bei: Melcher, Ralph (Hrsg.), Alexander Archipenko, München 2008, S. 12.

Alexander Archipenko, Liegende Figur (1957), Privatsammlung (Sydney).

Protokoll der Sitzung vom 17. Januar 2013

Damit ihr mal mitkriegt, wie anders mein Schreiben klingt, wenn ich es weder für Autos noch fürs Blog noch für Antidiätbücher nutze. Das Protokoll wurde mit 2,0 benotet; ich habe leider kein weiteres Feedback bekommen, daher weiß ich nicht genau, was nicht „sehr gut“ daran war oder wo ich Fehler gemacht habe. Aber wir sind hier ja unter uns.

Die Noten zum Klaviertrio Op. 70,1 stehen hier (der letzte Downloadlink hat Taktzahlen), für Op. 70,2 hier (der dritte Complete-Score-Link hat Taktzahlen).

Ludwig-Maximilians-Universität München
Institut für Musikwissenschaft
WS 2012/13
Dozent: xxx
Beethovens Klaviertrios
Protokoll der Sitzung am 17.01.2013
Protokollantin: Anke Gröner, B.A. Kunstgeschichte/Kunst – Musik – Theater, 1. Semester

Auszüge aus Opus 70,1 (Geistertrio) und Opus 70,2 von Ludwig van Beethoven

Opus 70,1 – 2. Satz: Largo assai ed espressivo

In der Sitzung wird zunächst der zweite Satz von Opus 70,1 in D-Dur besprochen und die Frage gestellt, was das „Geisterhafte“ am sogenannten Geistertrio sei bzw. ob man die „geisterhafte Stimmung“ musikalisch belegen könne. Kritisch anzumerken ist, dass Stimmungen etwas sehr Persönliches sind, angesiedelt noch unterhalb von benennbaren Gefühlen; eine Stimmung entgleitet sofort, sie ist nicht so intensiv wie eine Emotion.

Eine Meinung ist, dass die vage, unspezifische Form des Satzes eine diffuse Stimmung verbreite, eine weitere, dass die Stimmung eher gespannt sei. Als Beleg für diese Aussage wird die Streicherphrase in Takt 1 angesprochen, bei der es unklar bleibt, wie sie sich entwickelt, der Zuhörer also gespannt wartet.

Während der Satz größtenteils den üblichen kompositorischen Gepflogenheiten entspricht, fällt die Vielzahl an Dominantseptakkorden auf. Der Satzbeginn bzw. die Vortragsbezeichnungen (auch sie in großer Zahl) sind ebenfalls ungewöhnlich: sotto voce in Takt 1 sowie cantabile in Takt 9 für die Streicher bzw. das Cello weisen auf stimmliche Qualitäten hin. Die menschliche Stimme gilt als das aussdrucksstärkste „Instrument“ – vielleicht hat Beethoven deshalb diese Vortragsbezeichnungen gewählt.

Das Klavier hingegen dient als „Klanginstrument“. Es schafft einen Hintergrund, eine nicht genau zu ortende Fläche, auf der „Melodiefetzen“ schweben. Diese Klangteppiche dienen auch dazu, seelische Befindlichkeiten des Menschen darzustellen. Als Beispiel für ähnliche Klangteppiche werden Richard Wagners Feuerzauber aus der Walküre sowie der Beginn des Rheingold erwähnt, in denen Naturereignisse anthropomorphisiert werden. Franz Schubert arbeitete in seinem Opus 99 und 100 ebenfalls mit „Klangbändern“ und erzeugte fast orchestrale Anmutungen.

Im vorliegenden Satz wird zu diesem Thema unter anderem Takt 18 erwähnt, in dem das Klavier durch sein Tremolo eine Art Zitterbewegung erzeugt, die akustisch instabil klingt und Assoziationen zu Geistern hervorruft. In Takt 37 wird in einer kleinen Sekunde tremoliert, und in Takt 24 erzeugt der Tritonus aus fis und c Spannung, genau wie derjenige aus f und h in Takt 25.

Trotz der nicht exakt zu definierenden Stimmung ist der Gesamteindruck des Satzes schlüssig; jeder Klangmoment verfügt über etwas Funktionales, das aufgelöst wird. Stefan Kunze bescheinigt dem Satz angeblich „geistige Tiefe“, wobei nicht klar ist, auf was sich Kunze bezieht. Man kann sicherlich vom Intellekt der Formästhetik beeindruckt sein; trotzdem bleibt der Begriff problematisch. Auch das Stichwort „poetisch“ fällt, vor allem im Hinblick auf die romantische Musikästhetik. Dieser Begriff kann ebenfalls nicht eindeutig musikalisch belegt werden.

Über das literarische Vorbild zum Geistertrio kann nur spekuliert werden. Vermutlich hatte Beethoven Kenntnis von William Shakespeares Macbeth, wo gerade der Hexensabbat zu Beginn sowie der Weg in den Wahnsinn von Lady Macbeth Vorlagen zu „schauriger“ Musik sein können.

Opus 70,2 – 1. Satz: Poco sostenuto, Allegro ma non troppo

Der erste Satz des Klaviertrios in Es-Dur beginnt mit einer Einleitung, die nach 19 Takten in das Hauptthema mündet. Das Charakteristische des Werks ist die Zurückhaltung des Klaviers, das den Streichern die meiste Zeit die Melodie überlasst.

Der Kopfsatz erscheint nicht eindeutig angelegt, er wirkt „im Fluss, prozesshaft“, als würde man einzelne Stadien der Komposition besichtigen. Seine langsame Einleitung prägt den gesamten Satz; E.T.A. Hoffmann nannte ihn angeblich „labyrinthisch“, man spüre „verschlungene Gärten“ und „Verworrenheit“. In ihm vereinen sich zwei unterschiedliche Charaktere: ein fassbares Hauptthema mit einem stark variierenden Seitenthema.

Weitere Rezensenten erinnert die Einleitung an ein Madrigal (1) bzw. Choräle (2) von Johann Sebastian Bach, an letztere besonders durch das übereinander gelagerte Motiv aus Takt 1 bis 4, das von Cello, Violine und schließlich vom Klavier kanonartig gespielt wird. Ob diese Komposition ein bewusster Rekurs auf Bach ist, lässt sich nicht mehr sagen. Man kann das Motiv der Einleitung auch als fugenhaft bezeichnen, was eher auf Joseph Haydn hinweisen würde. Es erscheint mehrere Male im Satz, zum Beispiel in der Coda in Takt 224, wo zusätzlich das langsame Tempo wieder aufgegriffen wird (Tempo I). Der Bach-Bezug bleibt auch aus anderen Gründen kritisch zu bewerten: Sein homophones, akkordisches Komponieren (als Beispiel) ist hier nicht zu finden.

Die Einleitung geht nahtlos ins Hauptthema des ersten Satzes über: In Takt 18 und 19 finden wir in der Violinstimme zunächst einen Sext-, dann einen Septimsprung (von b nach g bzw. von b nach a), der in Takt 20 seinen Abschluss findet, wo ein vollständiger Oktavsprung von b nach b vollzogen wird. Das zweitaktige Thema kehrt des Öfteren in Bruchstücken und Variationen wieder; durch seine Klarheit ist es stets wiederzuerkennen.

Das Seitenthema in B-Dur beginnt in Takt 64/65. Der Übergang dorthin ist bemerkenswert, denn das Motiv der Einleitung erklingt. Allerdings ist nicht zu klären, in welcher Tonart: Es könnte weiterhin Es-Dur sein, aber auch Ges-Dur sowie dessen Paralleltonart es-moll sind vorstellbar. Im Gegensatz zu Opus 70,1, wo das Seitenthema eher „fleckenhaft“ vorhanden ist, das heißt, fast versprengt und eher selten, findet es hier sehr starke Beachtung in der Durchführung.

Tonleiterläufe im Klavier sowie in den Streichern leiten in Takt 82 die Schlussgruppe ein. In Takt 95 beginnt die Durchführung, wo sich das Klavier zunächst durch diverse Akkorde arpeggiert. Unter anderem werden ein F7-, ein B7- sowie ein C7-Akkord gespielt, die aber keine Auflösung finden, bis die Phrase in Takt 106 mit dem Seitenthema in B-Dur endet. Franz Schuberts Wanderer-Fantasie wird erwähnt, aber ob Schubert sich damit wirklich vor diesem Arpeggio verbeugen wollte, kann nicht beantwortet werden.

Die Einleitung wird abermals in den Takten 121, 123 und 125 zitiert, als das Klavier in der hohen Lage trillert – ein „Show-Effekt“, der keinen Bezug zur Melodie der Streicher hat und ihr einen bisher ungehörten Klangcharakter verleiht.

In Takt 129 stellt sich die Frage, ob die Reprise bereits begonnen hat. Ansätze des Hauptthemas erklingen, allerdings nicht notengenau. Stattdessen wird auf Bruchstücke der Durchführung zurückgegriffen (z.B. die Sechzehntel in der Begleitung), die so diesen Satzteil unerwartet anreichern. Man kommt überein, dass diese „Schein-Reprise“ doch eine echte sei.

Der Satz endet mit der Coda ab Takt 209. Wiederum werden, im Tempo II, die Sechzehntel aufgegriffen, genau wie die Triller aus der Einleitung. Kurz vor Schluss erklingt nochmals das Tempo I – vielleicht ein Grund, warum E.T.A. Hoffmann das Ende als „versöhnlich“ und „adlig“ (3) bezeichnet hat. Nach dem „Labyrinth“ endet der Satz mit einem klaren und gleichzeitig zurückhaltenden Eindruck. Auch die Dynamik schließt den imaginären Kreis: Beginn und Ende des Satzes stehen im piano – ein klarer Gegensatz zu den eher „brachialen“ Enden anderer Kopfsätze.

Das Satzende kann aber auch anders empfunden werden: Man erwartet das nochmalige Erklingen des Themas, wird aber enttäuscht. Der Satz verebbt geradezu, er läuft scheinbar ins Nichts aus.

Ausblick

In der folgenden Sitzung sollen die drei weiteren Sätze behandelt werden.

Der 2. Satz: Allegretto erinnert an einen Rondosatz. Cello und Violine wechseln sich mit kleinen virtuosen Motiven ab. Der Satz ist nicht in Sonatensatzform verfasst.

Der 3. Satz: Allegretto ma non troppo könnte als Menuett gedeutet werden. Angeblich sei die Skizze Beethovens dementsprechend überschrieben gewesen sein.

Der 4. Satz: Allegro beschließt das Trio schließlich mit viel Witz und ist wieder von Unterbrechungen geprägt, die nochmals an Hoffmanns „Labyrinth“ erinnern.

Fußnoten

(1) Löhr, Martin: Der „andere“ Beethoven, in: Booklet zu: Beethoven Klaviertrios, Trio Jean Paul. Redaktion: Dr. Jens Markowsky, WDR 2002/2009, S. 5.
(2) Ringer, Alexander L.: Ein „Trio Caracteristico“? – Randglossen zu Beethovens Op. 70, Nr. 2, in: Laubenthal, Annegrit (Hrsg.), Studien zur Musikgeschichte – Eine Festschrift für Ludwig Finscher, Kassel 1995.
(3) Hoffmann, E.T.A., Schriften zur Musik, München 1963, S. 132.

“Why I don’t diet”

“I am my father’s daughter. I too am a giant, built of strength and flesh. And I am strong enough to carry myself and others, even when they can’t carry themselves.”

Tiffany schreibt über ihren Vater. Via schwakas quote.fm.