Bücher 2010 – Februar

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Ted Naifeh – Courtney Crumrin 1: The Night Things

Was Gruseliges für die Kleinen und die Ankes, die im Herzen klein geblieben sind. Things erzählt von Courtney, geschätzte 12, 13 Jahre alt, die mit ihren Eltern zu ihrem brummigen Onkel in sein verwunschen aussehendes Haus zieht. Mama und Papa sind damit beschäftigt, Eindruck auf die genauso oberflächlichen Nachbarn zu machen, während Courtney rausfindet, dass Mitschüler und Mitschülerinnen ganz schöne Blagen sein können. In ihrer Not wendet sie sich an den Onkel, der ganz zufällig ein paar Zauberbücher rumliegen hat, in denen Courtney stöbert. Natürlich kann sie nicht widerstehen, ein paar von den magischen Sprüchen anzuwenden, aber meist passiert nicht das, was sie sich erhofft.

Night Things verknüft sehr unterhaltsam das übliche pupertäre Generve um Anerkennung und Selbstfindung mit ein bisschen Magie – und hat nebenbei eine sehr sympathische und realistisch gezeichnete Heldin. Ich bin leider doch nicht mehr so ganz Zielgruppe, aber mir hat es trotzdem gut gefallen.

(Leseprobe bei amazon.de)

Paul Ingrassia – Crash Course – The American Automobile Industry’s Road from Glory to Desaster

Unterhaltsames, aber teilweise deprimierendes Buch über die amerikanische Autoindustrie, ihren Beginn, ihre Erfolgsgeschichte, wie sie die amerikanische Mittelklasse geschaffen hat, wie sie das Auto zu einem kultischen Gegenstand hat werden lassen – und wie sie zum Schluss beim Kongress um Geld betteln musste, um wenigstens die Miete zahlen zu können. Crash Course liest sich zunächst sehr gut weg, und man kann wirklich nachfühlen, wie sehr diese Industrie ein ganzes Land geprägt hat. Wie die schon angesprochene Mittelklasse: Henry Ford war der erste, der seinen Angestellten angemessene Löhne gezahlt hat, die über das bisherige Maß hinausgingen, das gerade mal für Nahrung und ein Dach über dem Kopf reichte. Die Ford-Mitarbeiter waren die ersten, die Geld zurücklegen und sich damit Dinge leisten konnten, die bisher den Reichen vorbehalten waren. Andere Firmen zogen nach, und so entstand eine neue Klasse in Amerika.

Leider versackt das Buch zum Schluss in purem Faktenrunterbeten. Kann natürlich auch daran liegen, dass Firmenzusammenschlüsse und Hinterzimmerdeals nicht mehr ganz so „groß“ sind oder sich so episch anfühlen wie die fast 100 Jahre Autogeschichte vorher. Aus deutscher Sicht habe ich natürlich gerne die Storys um den DaimlerChrysler-Zusammenschluss gelesen, und was General Motors und Ford in der Zeit gemacht haben, war dann auch teilweise unfassbar in seiner New-Economy-Hybris. Aber: Das Buch beendet fast jeden Absatz mit einem dräuenden „In zehn Jahren lernten sie, was diese Entscheidung bedeutete“ oder „Hätten sie damals schon gewusst, dass …“ Hui. Natürlich lässt sich rückblickend immer sagen, was anders gemacht hätte werden müssen. Was mich nur so genervt hat: Vor gerade einmal 15 Jahren hat der gleiche Autor ein Buch geschrieben mit dem Titel Comeback: The Fall and Rise of the American Automobile Industry, das das genaue Gegenteil erzählt. Wahrscheinlich endet da jeder Absatz mit „Die weisen Männer aus Detroit in ihren fahrenden Kisten. Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter.“

Außerdem – aber das ist wirklich persönliches Erbsenzählen – hätte ich mir ein paar mehr Bilder gewünscht. Ich beschäftige mich von Berufs wegen jeden Tag mit Autos und behaupte auch, die europäische Modellpalette der letzten zehn Jahre halbwegs auf dem Schirm zu haben, aber was die Amerikaner alles gebaut haben, kenne ich längst nicht so gut. Wenn man schon über GM und seine gefühlt 700 Untermarken und ihre gefühlt 7.000 Modelle der letzten 20 Jahre schreibt, die sich laut Autor auch alle total ähnlich sehen, wären ein paar winzige Bilder ganz nett. Denn: Wie Edsel und der Ford Mustang aussehen, weiß ich dann doch. Davon hätte ich kein Foto gebraucht.

(Leseprobe bei amazon.de)

Mike Mignola/Troy Nixon, Farel Dalrymple – Jenny Finn: Doom Messiah

Kleines Büchlein mit einer ebenso kleinen Story: Der tumbe Joe läuft im viktorianischen England der kleinen Jenny Finn hinterher, die so unschuldig aussieht, aber – natürlich – ein düsteres Geheimnis mit sich herumträgt. Prostituierte werden ermordert, Freier sterben, verwandeln sich und sind plötzlich mit Tentakeln, Saugnäpfen und Fischmündern übersät, der Premierminister versteckt sein Gesicht hinter einer eisernen Maske, und an den Bildrändern schwappen gerne kleine Fische ins Bild, die “doom” flüstern. Das Buch versetzt einen in eine Stimmung von From Hell, Oliver Twist und dem fliegenden Holländer gleichzeitig, hat aber leider nicht wirklich eine sinvolle Geschichte zu erzählen. Aber die Atmosphäre hat mich durchaus in ihren Bann gezogen.

Bill Willingham/Lan Medina – Fables 1: Legends in Exile

Hübsche Idee, einen Haufen bekannter Märchenfiguren wie Schneewittchen, Rotkäppchen und König Blaubart nach New York in die Realität zu verfrachten, wo sie versuchen, ein „normales“ Leben zu führen. Legends ist eine klassische Wer-war’s-Geschichte, wo der böse Wolf (in Menschengestalt) als Privatdetektiv das Verschwinden von Rosenrot aufklären muss. Klingt erstmal bescheuert, klappt aber überraschend gut, weil die Kriminalgeschichte stets charmant unterbrochen wird von Problemen, die eben nur Märchenfiguren haben können. So nölt Pinocchio rum, dass er zwar gerne ein echter Junge werden wollte, aber dann doch irgendwann auch mal erwachsen, und die Schöne und das Biest haben nach 1000 Jahren erste Eheprobleme, um die sich Schneewittchen als Council kümmern muss – und: don’t mention the dwarves!

Die Zeichnung fand ich sehr konservativ, wenn das das richtige Wort ist: Die Frauen alle mit D-Cups, die Männer mit Brustumfängen wie Litfasssäulen; sieht alles wie Superhelden in den 50er Jahren aus und war daher eher überraschungsarm. Da hätte ich mir auch ein bisschen mehr Idee gewünscht, aber trotzdem fand ich Legends recht unterhaltsam.

(Leseprobe bei amazon.de)

Michael PollanIn Defense of Food

Pollan verrät die Pointe seines Buchs gleich am Anfang – „Eat food. Not too much. Mostly plants.“ und nutzt die verbleibenden 200 Seiten dazu, diesen wunderbaren Merksatz für ein normales, gesundes Essverhalten aufzudröseln. Er beginnt damit, „food“ zu erklären, denn was wir heute im Supermarkt kaufen, seien eher „food-like substances“ als Nahrung. Er schreibt über den Terror der nutrinionists, die sich nur mit den chemischen Komponenten einzelner Nahrungsmittel befassen und daraus wilde Leitsätze bilden (Omega-3-Fettsäuren retten die Welt), anstatt zu beachten, dass viele Lebensmittel erst im Zusammenspiel mit anderen ihre Wirkung entfalten. Er beleuchtet zwar eher das amerikanische Essverhalten als das europäische (wenn es das gibt), aber die Grundzüge der Western Diet dürften auch in Deutschland schon ziemlich weit vorherrschen.

Da ich mich seit einiger Zeit ein bisschen mehr mit Essen beschäftige und ich versuche, aus meinem alten Essverhalten rauszukommen, um Nahrung wieder als etwas Normales anzunehmen, war ich 200 Seiten lang mit Nicken beschäftigt. Vor allem bei der Stelle, als es um gelernte wissenschaftliche Erkenntnisse ging (die auch gerne deshalb enstehen, weil die Nahrungsmittelindustrie überhaupt in der Richtung forschen lässt – auch dazu führt Pollan Studien an), die wir verinnerlicht haben – zum Beispiel zum Thema Fett:

“In one experiment, he (psychologist Paul Rozin) showed the words “chocolate cake” to a group of Americans and recorded their word association. “Guilt” was the top response. If that strikes you as unexceptional, consider the response of the French eaters to the same prompt: “celebration”. Oh, yeah.”

Die ersten beiden Teile des Buchs befassen sich ein bisschen mit der Geschichte der Nahrungsmittelproduktion und wie wir überhaupt dorthin gekommen sind, wo wir uns jetzt befinden. Im dritten gibt Pollan dann ganz simple Tipps, wie wir unser Essverhalten wieder normalisieren können. Das ist für viele von euch vielleicht überflüssiger Quatsch, aber ich fand es doch ganz nett, schlichte Merksätze aufgezählt zu bekommen, die ich persönlich mir ab und zu aufsagen kann.

Beispiel: “Don’t eat anything your great-grandmother wouldn’t recognize as food.” Darunter fällt dann auch das Brot vom Kettenbäcker, das aus 35 Zutaten besteht, wo doch eigentlich nur Mehl, Hefe, Wasser und Salz reinmüssten. Oder “Avoid food products that make health claims.“ Klar, dass in der Milchschnitte mehr Zucker als „das Beste aus einem Viertel Liter Milch“ drin ist (wobei ich nicht weiß, was das Beste aus einem Viertel Liter Milch ist). Pollan:

“As I write, the FDA has just signed off on a new health claim for Frito-Lay chips on the ground that eating chips fried in polyunsaturated fats can help you reduce your consumption of saturated fats, thereby conferring blessings on your cardiovascular system. So can a notorious junk food pass through the needle eye of nutritionist logic and come out the other side looking like a health food.”

Weitere Tipps, auch logisch: mehr auf dem Markt kaufen, Gemüsekisten abonnieren (“shake the hand that feeds you”), wenn möglich, selbst etwas anbauen, weniger Fleisch essen und wenn ja, dann bitte von Tieren, die in Freiheit mit Gras aufgewachsen sind und nicht in Massentierhaltung und mit Getreide. Und zum Abschluss: Iss wieder so wie früher. Nicht im Auto, nicht im Meeting, sondern am Esstisch in Ruhe und wenn möglich in Gesellschaft. Nimm dir Zeit zum Einkaufen, zum Kochen und zum Genießen. Und Wein zum Essen ist ein Kulturgut.

Wie gesagt, 200 Seiten lang genickt.

(Leseprobe (pdf) von Pollans Webseite)

Mike Mignola/Richard Corben, P. Craig Russell – Hellboy 7: The Troll Witch and Others

Ich bin ja meist etwas nölig, wenn von mir geliebte Zeichner (MIGNOLA!) von mir geliebte Figuren (HELLBOY!) an andere Zeichner abgeben. Im siebten Band vom Höllenjungen passiert bei einigen Geschichten genau das – aber netterweise hat sich Herr Mignola gute Kerle ausgesucht, die den Charakter der Hauptfigur sehr schön und eigenständig einfangen, ohne aus ihr etwas ganz Neues zu machen. Ich habe trotzdem den einzigartigen Mignola-Stil vermisst, den ich über sechs Bände liebgewonnen habe, denn er hat für mich die Figur zu der gemacht, die sie ist. Sobald ihre Kantigkeit sich zu einem leicht veränderten, eher menschlichen Körper ändert, hat sie ihre Identität ein winziges bisschen verloren. Dafür retten die Geschichten in diesem Band wie immer den hohen Standard von Hellboy: Gerade Makoma, die Hellboy nach Afrika führt, hat mich sehr beeindruckt.

(Leseprobe bei amazon.de)

Mike Mignola/Duncan Fegredo – Hellboy 8: Darkness Calls

Der erste Band, der komplett von einem anderen Zeichner erstellt wurde. Dafür wird endlich der große Bogen der Lebensgeschichte Hellboys weitergeführt. Und zwar wie immer mit vielen Bösewichtern, alten und neuen Bekannten und vielen Sagengestalten aus aller Herren Länder. Hier liegt der Schwerpunkt auf russischer Folklore, was mir sehr gut gefallen hat. Leider ist der achte Band der bisher letzte in der Reihe. Wir warten aufs Christkind – und auf Band 9 und 10, die im März bzw. Juni erscheinen werden. Leider beide nicht von Mignola gezeichnet.

(Leseprobe bei amazon.de)

Siri Hustvedt – What I Loved

Ein wunderbares, präzises Buch über Liebe, Trauer, Freundschaft und nochmal Liebe und Freundschaft. What I Loved beschreibt in sehr klaren Worten einen großen Teil der Lebensgeschichte von Bill und Violet und Leo und Erica. Bill ist Künstler, Violet Soziologin, Leo Professor für Kunstgeschichte und Erica Literaturwissenschaftlerin. Die großen Themen sind damit vorgegeben: die verschiedenen Ausprägungen von menschlichem Dasein und das Erstellen bzw. die Rezeption von Kunst und Literatur. Sie bilden den Nährboden, auf dem sich die Geschichte der vier und ihrer Kinder abspielt; das Leben, das sie leben, findet immer Widerhall in den Dingen, mit denen sie sich beschäftigen und umgekehrt. Und auch wenn sich das jetzt wie eine intellektuelle Fingerübung anhört, habe ich selten ein Buch gelesen, das mich so berührt hat. Vielleicht weil der intellektuelle Geist dauernd mit dem wilden Herz zusammenstößt, das sich nicht überdenken oder malen oder aufschreiben lässt. Weil es immer noch hofft, wo der Geist schon aufgegeben hat, und weil es immer noch liebt, was längst nicht mehr da ist.

(Leseprobe bei amazon.com)

Weggelegt: Der Mann ohne Eigenschaften von Musil, Lord of the Barnyard von Egolf.

Tagebuchbloggen 26.02.2010

Day in, day out. Aufstehen um 7, Fenster aufreißen, duschen, Kaffeemaschine anwerfen, Hirsekissen in die Mikrowelle legen, um 7.30 mit Müsli und Obst und Milchkaffee auf dem Sofa sein und die Farmville-Farm leerernten. Um 7.50 für den Rest der Welt aufhübschen, wenn’s gut läuft, den Bus um 8.15 kriegen, wenn ich trödele, den um 8.20 oder 8.25. Am Bahnhof Altona umsteigen in den nächsten Bus um 8.47, mit dem ich einige Minuten zu früh in der Agentur bin, wenn ich trödele, den um 8.57, mit dem ich einige Minuten zu spät in der Agentur bin.

Im Bus selten Musik hören, meistens lesen. Wie gestern schon erwähnt, ist es momentan Lord of the Barnyard – oder war es bis gestern. Auf Seite 196 hat’s mir dann gereicht mit John, dem ewigen Unglückswurm, der ein seltsames Kind ist und irgendwann kriminell und dann rehabilitiert und der einfach nicht aus seinem Hillbillydorf in Kentucky rauskommt und dem lauter doofes Zeug passiert, und alles ist so völlig hoffnungslos und deprimierend, aber dabei so schnarchig geschrieben und so überzogen (zieh einfach weg, du Trottel), dass ich mich ab Seite 100 gefragt habe, warum ich das überhaupt lese, aber ich will ja nicht schon wieder ein Buch weglegen, aber aber aber. Egal. Weg damit.

Damenkür im Eiskunstlaufen in Vancouver gesehen. Die Zweitplatzierte Mao Asada lief nach diesem Stück von Rachmaninow. Gleich mal in der Version* von Wladimir Aschkenasi runtergeladen.

* Version? Darbietung? Interpretation?

„Auch sonst betätigte sich Casanova als alchemistischer Betrüger. So hatte er versucht, dem Prinzen Carl von Kurland ein fingiertes Rezept zur Herstellung von Gold zu verkaufen, und war diesem unter anderem bei der Besorgung einer „Damentinte“ behilflich, das heißt einer Spezialtinte zum Abfassen eventuell kompromittierender Liebesbriefe, die schon nach einigen Tagen völlig verblaßte. Der Prinz benutzte diese Tinte aber zum Abfassen von Wechseln.“

(Otto Krätz, 7.000 Jahre Chemie, Verlag Georg D. W. Callwey, 1990, Seite 36)

Tagebuchbloggen 25.02.2010

Schlecht geschlafen. Um kurz vor 4 aufgewacht und über die Arbeit nachgedacht. Versucht, mich mit Jeremy Piven abzulenken, mit dem man im Geist prima in Paris Wein trinken kann, was mich allerdings zur ausstehenden Weinlieferung gebracht hat, die ich in die Agentur geordert habe, womit ich wieder bei der Arbeit war.

Den Positionierungssatz für ein Auto überarbeitet. Das Skript für einen Kundenzufriedenheitsfilm überarbeitet. Die Headline auf einer Umverpackung für eine Broschüre überarbeitet. Mich darüber geärgert, dass mein Lieblingsstift von meinem Schreibtisch verschwunden ist. Mich darüber geärgert, dass ich mich darüber ärgere, wenn jemand einen Kuli nimmt, der nicht mal mir gehört. (Aber wenn er doch so schön schreibt und so gut in der Hand liegt!)

Mit der Vermittlerin der Ferienwohnung telefoniert, die ich mir für die re:publica gemietet habe, weil ich einen eigenen Herd will und kein Hotelfutter. Ich hatte die Vorauszahlung an den Vermieter gemacht, der der Vermittlerfirma davon aber nichts gesagt hat, weswegen die mir jetzt eine Mahnung geschickt hat. Immerhin schreiben sie nochmal den Vermieter an, so dass ich mich darum nicht auch noch kümmern muss. Ich will doch einfach nur irgendwem Geld geben und dann Nudeln kochen.

Friseurtermin für Samstag gemacht.

In zwei Büchern gleichzeitig gelesen. Eins davon ist 7.000 Jahre Chemie, das gefühlt 7.000 Gramm wiegt und größer ist als DIN-A-4, weswegen ich es nur zuhause lese. Unterwegs begleitet mich zurzeit Lord of the Barnyard (1999) von Tristan Egolf. Das Cover ist so hässlich, dass es mir immer peinlich ist, das Buch rauszuholen. Bei der Wikipedia nach Egolf geguckt und festgestellt, dass der Mann 2005 Selbstmord begangen hat. Schlechtes Gewissen gehabt, weil ich das Cover seines Erstlings nicht mag.

Tagebuchbloggen 24.02.2010 –
Die Gute-Tipps-Edition

Via Vorspeisenplatte: Autoren geben Tipps, wie so dieses Bücherschreibending geht. Was natürlich völliger Blödsinn ist, weil jeder anders arbeitet. Die einen sagen, hör auf zu schreiben, wenn du eigentlich weiterschreiben willst, die anderen, schreib, bis nix mehr kommt. Stephen King hat mal gesagt, recherchieren sei blöd, einfach loszuschreiben, auch über Dinge, von denen man keine Ahnung hat, sei viel befreiender, während andere sagen, schreib nur über Dinge, die du kennst, sonst merkt der Leser sofort, dass du keine Ahnung hast. Und so weiter. Trotzdem lesen sich die Tipps sehr schön – und bei manchen Autoren merkt man schon anhand ihrer Grundsätze, wie ihre Bücher klingen, zum Beispiel bei Annie Proulx, die ich als sehr bedächtig und fast wortkarg, aber genau daher als unwiderstehlich empfinde:

“1 Proceed slowly and take care.

2 To ensure that you proceed slowly, write by hand.

3 Write slowly and by hand only about subjects that interest you.

4 Develop craftsmanship through years of wide reading.

5 Rewrite and edit until you achieve the most felicitous phrase/sentence/paragraph/page/story/chapter.“

Ein bisschen Proulx hatte ich mal aufgeschrieben, als gerade gemunkelt wurde, dass eine ihrer Kurzgeschichten verfilmt werde, die mit den zwei Cowboys. Das Ende – das ja netterweise jeder kennt – steht hier (ganz nach unten scrollen).

Weitere gute Tipps kommen von Margaret Atwood:

“Take a pencil to write with on aeroplanes. Pens leak. But if the pencil breaks, you can’t sharpen it on the plane, because you can’t take knives with you. Therefore: take two pencils.”

oder Geoff Dyer:

“Have regrets. They are fuel. On the page they flare into desire.”

oder Anne Enright:

“Description is hard. Remember that all description is an opinion about the world. Find a place to stand.”

oder Roddy Doyle:

“8 Do change your mind. Good ideas are often murdered by better ones. I was working on a novel about a band called the Partitions. Then I decided to call them the Commitments.

9 Do not search amazon.co.uk for the book you haven’t written yet.

10 Do spend a few minutes a day working on the cover bio – “He divides his time between Kabul and Tierra del Fuego.” But then get back to work.”

Rotkohlsuppe mit Ziegenfrischkäse

Eigentlich wollte ich gestern abend den tollen Rotkohlsalat mit Fetabröckchen machen und hatte dafür extra einen kleinen Rotkohl gekauft – blöderweise ohne vorher mal nachzuschauen, ob der Feta überhaupt Lust hatte, am Abendbrot teilzunehmen. Hatte er nicht und sich stattdessen mit ein paar Schimmelstellen eingekleidet, woraufhin er leider in den Mülleimer umziehen musste.

Deswegen wurde der Rotkohl kurzerhand mit einem anderen Käse vermählt, nämlich mit dem Ziegenfrischkäse, der netterweise nicht angefangen hatte rumzugammeln wie sein Slackerfreund von der Käsegang.

rotkohlsuppe

Das Süppchen reicht für zwei nicht sehr hungrige Leute.

1 kleinen Rotkohl entsaften. (Ja, meine Damen und Herren, wir haben einen Entsafter.)

In einem Topf eine kleingeschnittene Zwiebel und eine ebenso kleingeschnittene Knoblauchzehe in Olivenöl andünsten. Eine gewürfelte Scheibe Graubrot dazu, alles kurz durchschwenken und dann den Rotkohlsaft obendraufkippen. Mit Salz, Pfeffer und worauf immer man noch so Lust hast würzen; bei uns war’s getrocknetes Basilikum.

Während das quietschviolette Süppchen ein bisschen vor sich hinsimmert, einen Klacks Ziegenfrischkäse mit einem Klacks Schmand (oder Crème fraîche oder double oder was immer da ist) verrühren.

Suppe kurz pürieren und mit der Käsecreme dekorieren.

Hört sich alles total easypeasy an, aber die Küche sieht danach trotzdem aus wie Sau, weil man den verdammten Entsafter säubern muss, was, wie wir ja alle wissen, der absolute Schmerz im Arsch ist.

Das Rezept ist eine freie Interpretation von diesem herrlich klingenden Paprika-Gazpacho, das ich natürlich über Tastespotting gefunden habe.

Tagebuchbloggen 23.02.2010 –
Die Neues-Buch-ausgelesen-Edition

“Half an hour later, we were walking on Canal Street toward Greene. Our arms were still linked, and Violet was still between me and Bill. She sang us a Norwegian folk song – something about a fiddler and his fiddle. Bill joined in the chorus, his voice deep and loud and flat. I sang, too, imitating the sounds of the meaningless words as we marched home. While she was singing, Violet lifted her chin and her face caught the light of the steetlamps above us. The air was cold but clear and dry, and as she hugged my arm tightly, I could feel the lift in her step. Before she launched into the second verse, she took a big breath and smiled at the sky, and then, as I continued to look down at her, I saw her close her eyes for a couple of seconds to blind herself to everything but the swelling happiness that sounded in our voices. We all felt it that night – the return of joy for no reason. When I closed my door after saying good night to Bill and Violet, I knew that by morning the feeling would be gone. Transience was part of its grace.”

What I Loved, Siri Hustvedt, Picador 2003, Seite 240

Tagebuchbloggen 22.02.2010 –
Die Neues-Buch-angefangen-Edition

“It took me several visits to the gallery to understand that the man whose back looked very much the same from one painting to another was aging. I noticed that wrinkles formed at the back of his neck and that his skin changed. Moles multiplied. In the last painting there was a small cyst behind Sy’s ear. By some miracle of art or nature, however, his hair remained black in every one. Bill’s rendering of his father, always clad in a dark suit, reminded me of seventeenth-century Dutch paintings, but without their illusion of depth. The smooth, clear image of the man’s back was lit from the left side of the canvas, and every fold in the suit’s material, every speck of dust on a padded shoulder, every crease in the black leather of a shoe had been painstakingly depicted. But what fascinated spectators was the material Bill had applied over this initial image, which partly obscured it – the letters, photographs, postcards, business memos, receipts, motel keys, movie ticket stubs, aspirins, condoms – until each work became a thick palimpset of legible and illegible writing, as well as a medley of the various small objects that fill junk drawers in almost any household. There was nothing innovative about gluing foreign materials to a painting, but the effect was very different from Rauschenberg’s dense layerings, for example, because the debris in Bill’s canvases had been left behind by one man, and as I moved from one painting to another, I enjoyed reading the scraps. I especially liked a letter written in crayon: “Dear Uncl Sy, Thank you for the relly neet racing car. It’s relly neet. Love, Larry.” I studied the invitation that read, “Please come and celebrate Regina and Sy’s Fifteenth Wedding Anniverary. Yes, it’s really been that long!” There was a hospital bill for Daniel Wechsler, a playbill from Hello, Dolly!, and a torn, wrinkled piece of paper with the name Anita Himmelblatz written on it, followed by a telephone number. Despite these momentary insights into a life, the canvases and their materials had an abstract quality to them, an ultimate blankness that conveyed the strangeness of mortality itself, a sense that even if every scrap of a life were saved, thrown into a giant mound and then carefully sifted to extract all possible meaning, it would not add up to a life.”

What I Loved, Siri Hustvedt, Picador 2003, Seite 46

Tagebuchbloggen 21.02.2010 –
Die Entenbrust-Edition

Und dann gibt’s Essen, das mag einfach nicht wirklich lecker aussehen, auch wenn’s so geschmeckt hat. Unsere Barbarie-Entenbrust von Sonntag abend war innen rosa (weswegen sie mit und ohne Blitz, mit und ohne Photoshop, von nah und fern wie eine Schlachteplatte aussah und nicht wie feines Fresschen), außen kross und liebevoll mit einer Johannisbeer-Honig-Sauce betupft; ich hatte sie vorsichtig aufgeschnitten, der braune Rand der ansonsten weißen Teller harmonierte wunderbar mit dem Vögelchen, mein grünes Tischset bot einen herrlichen Kontrast zu den dunkelroten Saucetröpfchen und trotzdem – irgendwie sah das alles doof aus. Jedenfalls auf dem Foto. Aber ihr müsstet das ja jetzt trotzdem gut vor eurem hungrigen Auge sehen.

Das Rezept für Ente und Sauce stammt von hier, wo auch ein herrlich schmackiges Bild zu finden ist. Auch die Beilage war bei uns die gleiche: Kartoffelgratin. Dafür Kartoffeln ziegelartig in einem Souffleeförmchen schichten, jede Schicht ordentlich salzen, jede zweite leicht pfeffern, mit Sahne bis zur obersten Schicht auffüllen und bei 200° so lange backen, bis die Sahne verkocht ist.

Ich hatte einen Merlot dazu und ein dickes Grinsen im Gesicht. Meine erste Ente! Entwickele langsam Muttergefühle für meine Pfannen und Töpfe. Was die alles können.

Why must I eat a crustacean in love?

Samstag morgen habe ich zum ersten Mal Riesengarnelen gekauft. Auf Twitter und per Mail kamen diverse Tipps – mit Panzer, ohne, gleich ausgenommen kaufen, wie lange braten, wie zubereiten –, die ich in meinem Herzen bewegt habe, um dann an der Fischtheke im Frischeparadies zu sagen: mit allem.

Wenn ich mich schon nicht traue, dabei zuzugucken, wie ein Schwein geschlachtet wird, dann will ich wenigstens toten Krustentieren die Köpfe selbst abdrehen und sie entdarmen. Mal wieder darüber nachdenken, was man da so isst. Also habe ich die Garnelen komplett gekauft, und nun liegen sie in unserer Küche, grausilber, feuchtglänzend, leicht nach Fisch duftend, mit mehr Beinchen als ich erwartet hatte und seltsamen Tentakeln, und überhaupt bin ich jetzt gerade der Meinung, ein Marmeladenbrot als Abendessen sei auch ne dufte Sache.

Im ganzen Internet habe ich keine vernünftige Anleitung gefunden, wie man respektvoll und vor allem so, dass man sie beim Ausnehmen nicht zerfleddert, mit den Krabbeltieren umgeht. Wie gut, dass wir noch Kochbücher im Schrank haben. In diesem sind freundliche Bilder, an die der Kerl und ich uns dann auch gehalten haben.

Wenn man Gustav oder Gloria Garnele den Kopf abdreht, kommt noch etwas ockerfarbene Flüssigkeit mit. Wir haben Witze darüber gemacht, ob das jetzt das Gehirn ist und wieso bei manchen mehr und bei anderen weniger rauskommt. „Die mit dem kleineren Hirn sind die Männchen.“ — „Und die mit dem leeren Darm sind die Weibchen, die gehen ja dauernd aufs Klo.“

Die erste Garnele finde ich wirklich eklig, und ich habe kurz über ein Leben als Vegetarierin nachgedacht, aber man hat sich ziemlich schnell daran gewöhnt, mit den Viechern umzugehen; das leise Knacken, wenn man mit dem Messer den Panzer aufschneidet, das sandige Gefühl an den Fingerspitzen, wenn man einen gefüllten Darm erwischt. Im Kochbuch steht noch der nette Hinweis, dass man die Köpfe aufheben könne, um zum Beispiel ein Süppchen draus zu machen, aber die Idee kann mir nicht mal der Kerl schmackhaft machen. Ich fühle mich eh schon wie im Schlachthaus, als gerade mal zehn von den Tieren vor uns liegen, und freue mich darauf, wieder so was Normales wie Zwiebeln und Zitrone unterm Messer zu haben. Denn daraus – und Knoblauch, Petersilie und Olivenöl – mache ich jetzt eine Marinade, in der die kopflosen Krustentiere noch eine Stunde baden dürfen.

Dazu soll es einen Salat und Brot geben. Der Salat fällt mit Postelein, Chicoree, Rotkohl und Radieschen vielleicht ein bisschen zu bodenständig aus, und das Bauernbrot mit Leinsamenkruste ist dann auch nicht gerade mediterranes Baguette, aber egal. Ich will ja nicht alles in eine Schüssel hauen.

Nach dem Marinieren landen die Garnelen in einer Pfanne mit dem Marinadeöl. Ein Geruch steigt auf, der mir bekannt vorkommt, den ich aber nicht verorten kann – aber ich weiß sofort: Den finde ich unangenehm. Erst Stunden nach dem Essen fällt mir wieder ein: So haben die Jakobsmuscheln gerochen, die ich einmal ausprobiert habe. Die waren fieses Tiefkühlzeug und haben mir sowas von überhaupt nicht geschmeckt, und ich habe zwei Tage darunter gelitten, dass in der Küche immer noch Spuren dieses Geruchs vorhanden waren, bis ich wirklich zu Raumspray gegriffen habe, um den Rest loszuwerden. Die Garnelen riechen nicht ganz so schlimm, aber sobald der Geruch da ist, ahnt mein Kopf, dass das nicht unbedingt mein Lieblingsessen werden wird.

War’s dann auch nicht. Ich glaube, wir haben den Garpunkt richtig gut hingekriegt; das Fleisch war fest, aber nicht zäh, sehr angenehm beim Kauen, aber ich mochte den Eigengeschmack der Garnelen eben nicht. Nicht wirklich eklig, aber doch so, dass ich mir selber sagen musste, das ist okay, das ist nicht schlimm, runterschlucken und schnell Wein drauf. (Ein goldgelber Sancerre übrigens.) Ich habe zwei gegessen und mich dann sehr über den Salat mit seinem wunderbaren Dressing aus Zitronensaft, Ahornsirup, Granatapfelkernessig und Olivenöl und über das geröstete Brot mit kalter Butter und Meersalz gefreut.

Der Kerl hat seine Garnelen so mit Salz, Pfeffer und Zitrone zugehauen, dass ich sie auch mochte – aber eben nur, weil sie nach Salz, Pfeffer und Zitrone und nicht nach Garnele geschmeckt haben. Ich weiß nicht, ob das der Sinn von Krustentieren ist, dass man sie mit Fremdgeschmack übertüncht isst, weil ihr Fleisch eine schöne Konsistenz hat, aber das erschließt sich mir nicht. Ich würde die Viecher gerne noch einmal probieren, von einem Profi zubereitet im Restaurant, aber ich möchte sie nicht nochmal in der eigenen Küche haben.

Die Garnelen wird’s freuen.

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(Die Headline ist natürlich eine kleine Verbeugung vor dieser Sendung.)

Tagebuchbloggen 20.02.2010 –
Die Linkschleuder-Edition

Kuchen gebacken. Sehr lecker. Tolle Konsistenz, auch wenn mein Kuchen aufgeschnitten nicht ganz so aufgeräumt war.

– Zum Kuchen die nächste Sorte aus dem Grüner-Tee-Probierpaket von Tee-Gwschwender getestet. Schmeckt alles. Will mehr. Stelle überrascht fest, dass mir auf einmal Tee so sehr schmeckt, dass ich nicht nach einer Kanne gelangweilt bin und wieder Coke Zero trinken will. (Habe seit Wochen keine Coke Zero mehr getrunken.)

Einkaufen gewesen. Verstehe den Bohei um den Laden nicht, werde aber nochmal hingehen. Alleine für die Valrhona-Schokolade. (Bitte bei der Valrhona-Seite nicht auf die deutsche Subdomain klicken. Da wurde anscheinend kein/e Übersetzer/in beschäftigt. „Aktualitäten“? „Unsere Ausnahme“?)

Wirres sieht leicht anders aus. Ich finde es sehr schön, dass ich geistig nicht mehr den kackenden Hund ausblenden muss.

Nochmal zu Frau Hegemann, via Bovs Gezwitscher: „Die nächste Mitteilung kann nun von einer Zwölfjährigen erwartet werden, die noch nicht einmal Lust hat, sich in den Arsch ficken zu lassen, weil sie „Axolotl Roadkill“ gelesen hat und nun sicher ist, dass sie das auch nicht weiterbringt.“

Tagebuchbloggen 19.02.2010 –
Die Mach-mal-Pause-Edition

Seite 227 von 1.040 beim Mann ohne Eigenschaften – reicht erstmal. Ich lege das Buch jetzt weg. Aufgeben will ich zwar noch nicht, aber momentan möchte ich dringend was anderes lesen. Denn so schön wie es angefangen hat, ging es leider nicht weiter. Die Beschreibungen des alltäglichen Lebens und der Beziehungen zwischen den Personen sind durchaus faszinierend, aber die sehr ausführlichen Introspektiven der Hauptfigur Ulrich sind dann doch eher zäh und überspannt. Aber nicht so toll überspannt wie bei Proust, sondern schlicht und ergreifend langweilig. Manchmal immerhin mit überraschenden Wendungen (Seite 152):

„Es ist so natürlich, daß der Geist als das Höchste und über allem Herrschende gilt. Es wird gelehrt. Was kann, schmückt sich mit Geist, verbrämt sich. Geist ist, in Verbindung mit irgendetwas, das Verbreitetste, das es gibt. Der Geist der Treue, der Geist der Liebe, ein männlicher Geist, ein gebildeter Geist, der größte Geist der Gegenwart, wir wollen den Geist dieser und jeder Sache hochhalten, und wir wollen im Geiste unserer Bewegung handeln: wie fest und unanstößig klingt das bis in die untersten Stufen. Alles übrige, das alltägliche Verbrechen oder die emsige Erwerbsgier, erscheint daneben als das Uneingestandene, der Schmutz, den Gott aus seinen Zehennägeln entfernt.“

Jeder hat ja mal so pseudo-tiefschürfende Tage, an denen er meint, dem Rest der Welt sagen zu müssen, worüber er morgens um 4 im Halbschlaf nachgedacht hat. Oder was er so in sein Moleskine geschrieben hat, als die dritte Flasche Wein leer war. So ähnlich sabbelt der Mann ohne Eigenschaften vor sich hin. Und das sind die Stellen, die mich im Moment ganz schrecklich nerven.

Deswegen kommt das Buch jetzt vorerst wieder ins Regal. Mit leisem Bedauern und der Hoffnung, es doch nochmal weiterzulesen.

Linguine mit Salsiccia und Zucchini

salsiccia_pasta

Salsiccia aus der Umhüllung quetschen (gibt’s einen Euphemismus für „Naturdarm“?), niedliche kleine Kugeln daraus formen, in Öl anbraten, Vollkornlinguine kochen, Zucchini mit einer Zwiebel und einer Knoblauchzehe anbraten, alles irgendwann zusammenwerfen, ordentlich Salz und Pfeffer drüber und gut ist. Und lecker ist.

(Und nebenbei sind da in der Überschrift drei sehr hübsche Wörter. Das Rezept ist nicht nur schmackig, das klingt auch so.)

Tagebuchbloggen 18.02.2010 (Süßkartoffel-Linsen-Salat, Zitronenmarzipan)

Sorry, wieder ein Fresspost. Ich mach ja nix außer Kochen und Essen. Gestern war ich noch beim Zahnarzt, aber das ist nicht so unterhaltsam wie Kochen und Essen. Und gearbeitet hab ich, aber das ist nur für mich so unterhaltsam wie Kochen und Essen. Daher also: Kochen und Essen, yay!

Ich traue mich kaum, es zuzugeben, aber ich habe mich einige Male auf der Webseite von Gwyneth Paltrow rumgetrieben. Kann man wunderbar drüber lästern, kann man aber auch einfach als freundliche Webseite für reiche, dünne Frauen mit sehr viel Zeit hinnehmen. Und ab und zu postet die Dame sogar Rezepte, die mehr als drei Kalorien haben, so wie das, was wir gestern gegessen haben: einen Salat aus grünen Linsen und Süßkartoffeln.

Zwei Möhren, eine Zwiebel und zwei Knoblauchzehen kleinschneiden. Oregano und Thymian nach Belieben dazuwerfen – bei Gwyneth jeweils ein Viertel Teelöffel, aber mit sowas fangen wir hier gar nicht erst an. Rein mit dem Zeug.

Alles in einem großen Topf auf mittlerer Hitze circa zehn Minuten anbraten, bis die Möhren etwas weicher geworden sind. Sagt jedenfalls Gwyneth. Ich habe mich im Nachhinein gefragt, warum die Möhren vorher weichwerden müssen, wenn sie danach eh mit zwei Tassen grünen Linsen (gewässert und hübsch sauber) und vier Tassen Wasser bedeckt und zum Kochen gebracht werden, um dann bis zu 40 Minuten im geschlossenen Topf vor sich hinzusimmern. In der Zeit müssten sie doch locker weichwerden, oder? Und 40 Minuten waren dann auch einen Tick zu lang; „bissfest“ konnte man die grüne Pracht leider nicht mehr nennen. Und „grün“ auch nicht.

Während die Linsen gar werden, den Ofen auf 200° vorheizen und auf einem Backblech zwei große Süßkartoffeln, in mundgerechte Stücke geschnitten, mit je zwei Esslöffeln Olivenöl und Ahornsirup und einer guten Prise Chili rösten, bis sie weich geworden sind.

Dann Linsen und Süßkartoffeln vermischen, ordentlich Petersilie drüber und zum Servieren nochmal mit Öl beträufeln und mit Meersalz aufhübschen.

suesskartoffel_linsen

So ganz hundertprozentig hat mich das Gericht nicht umgehauen, weil mir die Linsen zu dominant waren und ich wirklich gar nichts mehr vom Rest der leckeren Zutaten geschmeckt habe. Mal sehen, wenn ich nächstes Mal einfach die Mengen umkehre – mehr Süßkartoffeln als Linsen –, ob’s mir dann besser gefällt. Aber an das Allstar-Linsenrezept, das ich wirklich dauernd essen könnte, kommt es lange nicht ran.

„Nachtisch“ kann man das nicht unbedingt nennen, was wir dann noch auf dem Speisezettel hatten. Zufällig *hust* lagen bei uns in der Speisekammer noch Marzipanrohmasse und zartbittere Kuvertüre rum, und zusammen mit der abgeriebenen Schale einer Biozitrone habe ich daraus mal eben Marzipankonfekt gezaubert. Ich habe zwar weder eine Pralinengabel noch ein Abtropfgitter, aber ich ahne, was demnächst auf dem Amazon-Wunschzettel rumlungert. Gestern haben es aber auch eine Gabel und Alufolie getan.

zitronenmarzipan

Der Kerl meinte zwar zu meinen Kunstwerken, ihm hätte auch die Rohmasse in der einen und die Kuvertüre in der anderen Hand genügt, aber der Kerl ist auch jemand, der meinen geliebten Gummiteigschaber „Werkzeug des Teufels“ nennt, weil man mit ihm jede Schüssel so leer kriegt, dass für mein kleines Memmchen kein Teig mehr zum Auslecken bleibt.

Tagebuchbloggen 17.02.2010 –
Die gbdg-Edition

Beim Kerl und mir hängt jetzt Kunst überm Bett. Genauer gesagt, zwei getwitterte Druckgrafiken von Herrn Brunzema. Das Prinzip erklärt der Künstler mal eben selbst:

„Auf Twitter oder auf meinem Weblog kann man mir unter dem hashtag #gbdg (#gerd brunzema druck graphik) ein Stichwort, eine Frage, einen kurzen Satz übermitteln. Ich werde dann eine Druckgraphik dazu machen, und hier möglichst jeden Donnerstag (naja, oder Freitag…) veröffentlichen.“

Mein Tweet war der hier und sieht so aus:

gbdg_anke

Ist das nicht wunderschön, wie verliebt die zwei Weinflaschen sich anschauen? Hach. Außerdem erkenne ich eindeutig die Körperformen vom Kerl und mir *hust*.

Der zweite Tweet war der hier, und das sieht jetzt so aus:

gbdg_kerl

Das Besondere (deswegen bitte die Links anklicken): Zu den grafischen Umsetzungen gibt’s noch eine winzige Geschichte. Und wenn man sich die Werke dann hübsch in schwarz gerahmt bestellt, dann ist die hinten ausgedruckt im Bilderrahmen drin.

Ich bin von beiden Umsetzungen freudig überrascht; ich find’s ja immer lustig, was für Assoziationen kommen, wenn man Worte oder Sätze loslässt. Nochmals vielen Dank an den Künstler – und gleichzeitig die Aufforderung an die freundlichen Leser und Leserinnen, doch mal selbst ein bisschen Kunst zu erwerben. Oder wenigstens zu twittern. Worte und Sätze kann es nämlich nie genug geben.

Im hinteren Drittel gibt es seitenlange Passagen über Landwirtschaft, Schnepfenjagd und Schulreform. Geht einem das als Übersetzer auf die Nerven, will man schnell wieder zu den Liebesgeschichten?

Nee. Gerade die Schnepfenjagd war eine Herausforderung! Bitte, wie machen Schnepfen? Also, ich suche in „Brehms Tierleben“ und finde dort: die Schnepfe „murkst“. Ich schreibe das stolz in den Text, und dann habe ich, nach langem Suchen, einen Jäger gefunden, der einen Bezug zur Sprache hat. Den hab’ ich gefragt, ob er sich die Schnepfenjagden mal ansehen würde. Zwei Tage später rief er an und sagte mir, also bitte, Schnepfen murksen doch nicht! Da war ich erst beleidigt, hab’ auf „Brehms Tierleben“ verwiesen, aber er ließ sich nicht beirren: Schnepfen würden quorren! Im großen Duden fand ich das dann bestätigt. Und das Interessante war, dass das lautmalerisch genau ist wie im Russischen: auf Russisch heißt das Wort nämlich „chorkat“. Genau derselbe lautmalerische Ursprung. So hatte ich mein Verb. Das ist eine Freude, wenn man so etwas findet, wunderbar.“

Johanna Adorján interviewt Rosemarie Tietze, die Tolstois Anna Karenina neu übersetzt hat. Via Isa.