An alle Agenturen, die sich überlegen, mich zu buchen: This is what you get

Seit gestern weiß ich nun wirklich unwiderruflich und auf Ewigkeit, dass ich den besten Kerl aller Kerle gefunden habe und ihn nicht wieder hergeben werde, so, basta, denn: Ich suche seit Wochen einen Teddy. (Peinliche Pause.) Ich, die gerne von gewissen Mitbewohnern als Wohnungsnazi bezeichnet werde, weil ich nicht nur meine Bücher nach Alphabet sortiere und meine Blumenvasen nach Farbe, sondern immer weiß, wo alles ist und Kerzenhalter und Silberschalen auf dem Esstisch so drapiere, dass sie in einem gewissen Winkel zueinander stehen, den ein bereits erwähnter Mitbewohner manchmal schamlos verändert, nur um dem würdelosen Schauspiel zuzusehen, wie ich hektisch die Objekte wieder zurückbewege und dabei in eine Papiertüte hyperventiliere, weil SONST DAS UNIVERSUM KOLLABIERT, ich, ICH habe einen Teddy verbaselt. (Erneute peinliche Pause, weil: hallo? Teddy? Wenn’s eine Insulinspritze gewesen wäre oder der Safeschlüssel, ja, okay, aber ein Teddy?)

Dieser Teddy ist aber ein toller Teddy, denn er ist mit irgendwelchen Körnern gefüllt und man kann ihn samt seines Inhalts erwärmen und sich dann an ihn kuscheln, wenn the drugs mal nicht worken oder der Tag einfach so beschissen ist oder man mal wieder diese fünf Minuten hat, in denen man einfach WEISS, dass man doof ist und nix kann. Ich habe für diese fünf Minuten meinen Tarnbär, der so heißt, weil er hellblau ist und ich eine Decke besitze, die genauso hellblau ist wie er und ihr wisst, wie diese Story weitergeht, daher erzähle ich sie jetzt nicht, und seid froh, dass ich den Teddy nicht Blaubär genannt habe. Ich weiß also um die magische Wirkung von Teddybären und dass man nie zu alt für sie ist, lasst euch da nix erzählen. Und als es neulich dem Kerl nicht so gut ging, habe ich hysterisch diesen blöden Teddy gesucht, denn mein Tarnbär funktioniert nur bei mir und ich wollte dem Mann meines Herzens doch was Gutes tun, auch wenn der lieber mit einer Hühnersuppe ferngesehen hätte, aber da wusste er ja noch nichts von der Magie von Teddybären, und jetzt konnte ich sie ihm nicht näherbringen, weil ich eben den Mikrowellenteddy nicht finden konnte. (Nebenbei würde ich ihn natürlich nie in eine Mikrowelle tun, denn wer sowas tut, frisst auch kleine Kinder oder macht ähnlich schreckliche Dinge wie Teddybären in WASCHMASCHINEN tun, wo sie jämmerlich ertrinken, und ich kann diesen Satz kaum tippen, ohne Atemnot zu kriegen.)

Ich habe seit Wochen mal hier, mal dort gesucht, war mir sicher, den Körnerteddy irgendwo im Schlafzimmer zu haben, habe ihn da aber nicht gefunden und hatte mich schon unter körperlichen Schmerzen mit dem Gedanken angefreundet, dass er womöglich in einer meiner Millionen Aufräum- und Organisieraktionen in der Abstellkammer gelandet ist, die so mit Regalen vollgestellt ist, dass es ein Wunder wäre, wenn da nicht irgendwo mindestens eine Spinne hausen würde, was mir noch mehr körperliche Schmerzen verursacht, als wenn jemand Teddys in Mikrowellen wirft. Ich habe also den armen Körnerteddy schon verstaubt und mit Spinnweben umsponnen vor mir gesehen und mich davon verabschiedet, jemals dem Kerl etwas Gutes tun zu können, obwohl der natürlich schon längst durch Fernsehen und Hühnersuppe gesund war.

Bis gestern. Denn gestern kam der beste Mann der Welt einfach so ins Wohnzimmer, wo ich mich mal wieder durch die Blogwelt wühlte, legte mir den völlig unstaubigen und nicht von Spinnen angefressenen Teddy in die Arme und meinte, er hätte die ganze Zeit im Schlafzimmerschrank gelegen, wo ich ihn warum auch immer nicht gesehen hatte.

Ich habe den besten Kerl aller Kerle und werde ihn nicht wieder hergeben, weil er immer meinen Teddy wiederfindet.

(Sobald meine Eisprungschnuffigkeit vorbei ist, werde ich diesen Eintrag durch einen über Killerameisen ersetzen.)

Hedi Slimanes Fotoblog, via Werbewunderland.

Sehr schönes Lexikon Werberdeutsch – Deutsch. Absoluter Favorit: die Abstufung von „Da steckt was drin“ über „Richtig“ bis „Goldidee“. Ich muss allerdings zugeben, dass ich „OOH“ und „Sackplatzer“ noch nie gehört habe. Dafür lege ich an mit:

„Einen Tod müssen wir sterben“ – Wenn Texter und Arter sich nicht einigen können, ob die Superheadline oder das Superbild wichtiger ist und schließlich die Beratung sich für eins entscheidet, denn „einen Tod müssen wir sterben.“

„Da geht noch was“ – erste Runde Ideenzusammenwerfen. Dabei wird grundsätzlich nie eine Idee schon genommen und ausgearbeitet, auch wenn sie Gold ist, denn wir haben ja noch zwei Wochen Zeit bis zur Präse und bis dahin geht eben noch was.

„Hast du dir nen halben Tag freigenommen?“ – Besonders gern gehörter Spruch von Kollegen (Arter, die länger da bleiben müssen, siehe verlinkter Text), wenn man es wagt, um 18 Uhr nach Hause zu gehen.

Und eine Ergänzung zu „abschießen“: Von Springer & Jacoby gab’s mal ein wunderbares Buch mit dem Titel Abgeschossen, in dem viele, viele Perlen von CDs gesammelt wurden, die man als Texter/Arter so um die Ohren gekriegt hat, wenn eine Idee nicht gefiel. Mein Liebling und der einzige Satz, den ich mir aus dem Buch gemerkt habe: „Bei Lintas würde das auf dem Flur hängen.“

Lu über Unsere Erde:

„Aber nach ‘Unsere Erde’ hat man nichts in der Hand. Und entschuldige, aber die Schönheit eines Wasserfalls von oben entschädigt mich nicht für ein desorientiertes Elefantenkalb oder einen Eisbär ohne Boden unter seinem pelzigen Petzi-Po, weil dieser ihm längst Wochen zu früh weggeschmolzen ist. Das ist alles so verpackt, das hört sich für mich alles so nach “Komm, ich hab richtig Bock auf einen schweineteuren Naturfilm mit den besten Geräten, auch das mit dem PLING!, und dann hauen wir so auf die moralischen Zeiger mit Orchester und ein paar sterbenden Tieren, sagen am Ende einen Satz wie Es liegt in ihrer Hand! und gut ist. Wer ruft jetzt die Sponsoren an?”“

Snap Your Chap

Satellitenschüssel und good old aunty BBC sei dank: Gestern gab es auf BBC Three eine gar putzige Sendung über Männer und ihren kleinen Liebling. Oder ihren zu kleinen Liebling. Oder ihren gefühlt zu kleinen Liebling. Lawrence Barraclough, der Autor der Sendung, hatte sich vor ein paar Jahren endlich damit abgefunden, eben „nur“ mit 3 inches ausgestattet zu sein und sich sogar ein Gipsmodell von seinem Penis anfertigen lassen, um sich mit ihm auseinanderzusetzen.

Aus dieser „Skulptur“ entstand die Idee, auch anderen Kerlen die Gelegenheit zu geben, sich mit ihren Dödeln zu beschäftigen. Die Seite Snap Your Chap war geboren, auf der Männer ihre Männlichkeit (mal sehen, wie viele Umschreibungen ich noch unterbringen kann) fotografieren und einschicken können. Daraus entstand sogar eine Ausstellung (My Penis and Everyone Else’s), wo arglose, heterosexuelle Männer zum ersten Mal eine ganze Pimmelparade betrachten konnten. Und in den Ausstellungsräumen stand ein Zelt mit einer Polaroidkamera, wo Besucher dann … ihr ahnt es schon.

Ich hatte das Gefühl, dass die Jungs es ziemlich spannend fanden, mal die ganze Bandbreite von Penissen zu sehen, anstatt sich egozentrisch immer nur mit dem eigenen zu beschäftigen. Während Frauen ja die ganze Zeit nackte Weiber in jedem Medium zu sehen kriegen und schön Komplexe entwickeln können, gibt es in der Werbung recht wenige männliche Genitalien zu sehen. Mir fällt jedenfalls nur die schicke Parfumwerbung von Yves Saint Laurent ein. Außerdem entwickelten sich in der Ausstellung ziemlich zwanglose Gespräche von Mann zu Mann, die anscheinend sonst eher nicht geführt werden. („Wie masturbiert man ohne Vorhaut?“)

Daher: Free your mind, Jungs. Handy in die Hose und los geht’s.

(So eine Aktion für Frauen hätte ich persönlich um einiges aufklärerischer und vor allem lustiger gefunden als Frau Roches Stinkebuch.)

Edit: Cem hat eine kleine charmante Ergänzung zur Penisproblematik – ein paar unschuldige Ausschnitte aus Days of Darkness, wo infizierte Zombies ihre Genitalien verlieren. Nicht sicher für die Arbeit, und gegessen sollte man auch schon haben. Das wär doch was für René

Ein Witz, über den angeblich nur Männer lachen können. Stimmt nicht.

(via Onkel Tobys Getwittere)

3 Tage wach
5.15
21st Century Digital Boy
1000 Tränen tief
2000 Guns

The Wire

The Wire ist eine TV-Serie in fünf Staffeln. Die letzte Folge lief vor kurzem in den USA, und ich fange gerade mit der dritten Staffel an.

Ich muss gestehen, dass es bei mir etwas gedauert hat, bis mich das angebliche Meisterwerk erwischt hat. Seit Jahren schleiche ich um die DVDs in meiner Lieblingsvideothek herum, aber irgendwie hatte ich nie Lust drauf. Seit sich in den Zeitungen oder im Netz die Kritiker überschlagen, konnte ich dann doch nicht mehr widerstehen und hab mir die erste Staffel gekauft. Und wollte sie nach fünf Folgen gleich wieder verkaufen.

The Wire findet in Baltimore statt, genauer gesagt, in den projects, in den verfallenden Sozialbauten, in denen es eigentlich nur um Drogen geht, wer sie hat, wer sie nicht hat und wie man an sie rankommt. Die Polizei steht den Dealern und ihrem verzweigten Netz an Zulieferern, Hintermännern und minderjährigen Verkäufern ziemlich machtlos gegenüber – und so fühlt sich The Wire auch zunächst an: ermüdend. Als ob man dauernd gegen Wände rennt. Und die Polizisten müssen sich nicht nur mit den Kriminellen rumschlagen, nein, sie sehen sich auch mit einer Menge Papierkram konfrontiert, mit veralteten Geräten, langsam arbeitenden Kollegen und vielen, vielen Menschen, denen eine Karriere in der Stadtverwaltung wichtiger ist als eine gut gehende Ermittlung.

Interessanterweise sind nicht nur die Polizisten die Hauptpersonen. Wir erfahren über ihre Gegenspieler genauso viel, und es wird nie unterschieden, ob jemand nun auf der richtigen Seite des Gesetzes steht oder nicht. Jede Figur bekommt ihre Zeit, ihren Entwicklungsspielraum, ihren Hintergrund. Genau so viel wie nötig, um sie ins Herz zu schließen oder sich mit ihr anzufreunden – und zu hoffen, dass sie das Staffelende erlebt.

Die Serie legt eine wahnwitzig langsame Geschwindigkeit vor, an die ich mich als „Komm, zack, mehr als 45 Minuten Aufmerksamkeit hab ich nicht“-Gucker erst übellaunig gewöhnen musste. Ich habe keine Ahnung, ob The Wire im Fernsehen wirklich funktioniert hat. Vielleicht war eben das Tempo der Grund, warum die Zuschauerzahlen nie so richtig begeisternd groß waren. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, Minimum eine Woche Zeit zwischen den Folgen zu lassen. Dafür passiert in den einzelnen Folgen viel zu wenig. Das große – und dann sehr beeindruckende, weil hochkomplexe – Bild ergibt sich eben erst nach mehreren Sendungen. Mich hat, wie gesagt, erst die sechste Folge erwischt, weil sich da allmählich eine Story abzeichnete, wo ich vorher nur viele, viele Puzzleteile, Menschen, Schauplätze, Biografien gesehen habe. Aber ab der sechsten Folge war ich süchtig. Nach eben diesen Menschen und Schauplätzen, die sich endlich zu einer Geschichte zusammengefügt haben, die mir in epischer Breite erzählt wird.

Nebenbei: Ich gucke The Wire im Original, aber ich muss zugeben, dass ich selten so sehr wie hier für englische Untertitel dankbar war. Gerade das grammatikalisch sehr rudimentäre Gequatsche der Dealer ist kaum zu verstehen. Und auch bei den „Guten“ (kann man bei in diesem Fall nur in Anführungszeichen setzen) herrschen manchmal recht seltsame Gesprächsthemen vor. Ich habe mich jedenfalls schon gefragt, ob die Männerwelt wirklich so oft über ihr angeblich bestes Stück redet und wenn ja, warum. Scheint aber Spaß zu machen, seine Kollegen über die eigenen Masturbationsgewohnheiten in Kenntnis zu setzen.

Der Kommentaromat bei der Kaltmamsell. Lovin’ it.

Moni über Schulhelfer und wie sie fehlen:

„Anrufe bei der Senatsverwaltung ergaben, dass es im Stellenpool nicht einmal mehr Erzieherinnen gibt, die auf den Umgang mit behinderten Kindern vielleicht noch irgendwie umgeschult werden könnten. Im Pool befinden sich stattdessen etwa Reinigungs- und Kantinenkräfte, Pförtner, Frauen aus der Dateneingabe der Rentenversicherung.

Unsere Kinder brauchen einen sicheren und qualifizierten Umgang, Vertrauenspersonen. Mein Sohn kann nur einzelne Wörter sagen, und dieses auch nicht immer zielgerichtet; verständlich machen kann er sich nicht. Er kann mir also nicht sagen, was in der Schule passiert ist. Ist es da wirklich eine gute Idee, dass eine unqualifizierte Kraft aus dem Stellenpool nach 8-10 Tagen Qualifizierungsmaßnahme mein hochgradig schwer zu betreuendes Kind beaufsichtigt? Kann etwa ein fünfzigjähriger Pförtner in so wenigen Tagen die autismusspezifischen Lehransätze erlernen und anwenden? Und wer garantiert mir, dass diese Menschen, die noch nie mit einem behinderten Kind gearbeitet haben, tatsächlich die notwendige Geduld und Feinfühligkeit aufbringen?“

Die Schwadroneuse über dieses rosafarbene Buch:

„denn ob echt oder nicht: wozu schreibt das noch auf? nach frauen wie valie export, tracy emin, sarah lucas, elke krystufek oder nan goldin, die jede menge auseinanderklaffende schamlippen gezeigt haben, dreckige unterwäsche verteilt haben – bei den schreiberinnen kenn ich mich nicht so aus aber die werden das sicher nochmal um längen gründlicher beackert haben, dieses “frauen stülpen ihre vaginalzotten nach aussen” feld – wo reiht man da nun die “feuchtgebiete” ein?

was auch immer die autorin über ihre motivation in irgendwelchen interviews gesagt hat, ich kann da nicht viel mehr als “ich zeig euch jetzt allen mal mein poloch” provokation raus lesen und ich weiss langsam echt nicht mehr, was so falsch sein soll an der scham und am bedürfnis, fragile bereiche die zu mir gehören, zu schützen. das popo zeigen gehört doch irgendwie in ein anderes alter.“

Heute noch schnell Die Spielwütigen auf arte/im Netz angucken. (Danke, Holgi.)


© Fox Searchlight Pictures

Juno (USA 2007, 96 min)

Darsteller: Ellen Page, Jennifer Garner, Jason Bateman, Michael Cera, Allison Janney, J.K. Simmons
Musik: Matt Messina
Kamera: Eric Steelberg
Drehbuch: Diablo Cody
Regie: Jason Reitman

Trailer

Offizielle Seite

Juno ist 16, hört Punkmusik, kennt sich mit Slasherfilmen aus und hat zum ersten Mal in ihrem Leben Sex – mit ihrem schlaksiken Freund Paulie, der die meiste Zeit seines Lebens in gelben Shorts die 800 Meter läuft und orangefarbene Tic Tacs isst. Dieses erste Mal hat auch gleich Folgen: Juno wird schwanger. Ihre erste Reaktion: abtreiben. Aber als sie erfährt, dass ihr Baby mit 10 Wochen schon Fingernägel hat und ihr die Klinik nicht sonderlich sympathisch ist (die Magazine haben Wasserflecken und es riecht nach Zahnarzt), überlegt sie es sich anders und will ihr Kind austragen und zur Adoption freigeben.

Juno macht es einem nicht einfach, ihn zu mögen, was vor allem an der Hauptdarstellerin liegt. Ellen Page macht ihre Sache als fies pubertierende Nervensäge großartig, keine Frage, aber man muss eben 90 Minuten einer fies pubertierenden Nervensäge beim Nervigsein zugucken. Dabei ist sie teilweise sehr authentisch („Ich? Warum sollte ich in deine Urne gekotzt haben, Stiefmama?“), teilweise aber auch komplett überzogen gezeichnet. So schleppt sie eine halbe Wohnzimmereinrichtung vor die Tür ihres Freundes und sitzt da wie ein knuffiger Sherlock Holmes, stilecht (und völlig bescheuert) mit Pfeife im Mund, um ihm zu sagen, dass sie schwanger ist.

Vieles, was sie tut, fühlt sich ganz schrecklich nach Drehbuch an: „Und jetzt machen wir sie auf Teufel komm raus noch schräger, als man mit 16 sowieso schon ist.“ Und was sie sagt auch: Meistens klingt sie richtig schön rotzig, jedes dritte Wort ist like wie in like, you know, like … uhm … passt schon. Aber dann kommen irgendwelche hingedrechselten Wortkombinationen hinterher, die kein Mensch sagen könnte, der sie nicht vorher auswendig gelernt hat. Klar kann das eine prima Idee sein, um ihre Unsicherheit zu zeigen, ihr Noch-nicht-Wissen, wo sie hingehört, was sie will, wer sie ist, ist klar, wir waren alle mal 16 und haben Blödsinn geredet. Aber der klang dann auch nach Blödsinn.

Ich war nach zehn Minuten Film kurz davor zu gehen, weil mir die Göre so auf den Zeiger gegangen ist. Netterweise kommen im Film noch andere Figuren vor, zum Beispiel Papa und Stiefmutter (J.K. Simmons und die wunderbare Allison Janney, die auch eine Blumenvase darstellen könnte und ich würde sie toll finden). Die beiden fühlen sich zehnmal echter an als Juno und kriegen wunderbar das anscheinend korrekte Elternverhalten hin (was weiß denn ich), dass man seinen Nachwuchs abwechselnd küssen und erschlagen möchte. So reagieren sie sehr gefasst auf Junos Beichte, dass sie schwanger sei und beschweren sich nachher im Stillen, warum es nicht Drogen hätten sein können oder betrunken Autofahren, das hätte man leichter aus der Welt gekriegt. Gleichzeitig beschützen sie Juno aber nach Kräften; so putzt die Stiefmutter eine vorlaute Ultraschalltante professionell runter, die es gewagt hatte, sich über Junos angeblich nicht vorhandenes Verantwortungsgefühl zu mokieren. Und zwar in Worten, die man eher Juno zugetraut hätte.

Jede Szene mit den Eltern hat Spaß gemacht – und es waren nicht die einzigen. Denn auch die zukünftigen Adoptiveltern von Junos Baby sind dabei. Jennifer Garner als Übermutti und Jason Bateman als Peter-Pan-Papi, der nicht erwachsen werden will, waren für mich die besten Figuren im Film. Sie waren in jeder Szene, in der Juno mal wieder abwechselnd Gossenslang und altkluges Gequatsche von sich gibt, ein hervorragender Ausgleich und haben dafür gesorgt, dass ich den Film ernstnehmen kann und nicht als lustige Dialogfingerübung verreiße.

Aber ich muss zugeben, dass ich immer noch nicht weiß, ob mir der Film nun gefallen hat. Ich mochte so ziemlich alle Charaktere außer der Hauptperson – und war deswegen dauernd hin- und hergerissen. Ich mochte den teilweise sehr lockeren Tonfall des Films, der aber sofort durch einen gekünstelten Satz wieder zunichte gemacht wurde. Ich mochte am liebsten die kleinen Szenen zwischendurch, die sich echt angefühlt haben. Die, in denen auch Juno mal ihre trotzige Coolness fallengelassen hat und wo mal kurz spürbar war, dass ihr die Sache auch an die Nieren geht. Obwohl sie weiß, dass sie das Richtige tut, obwohl sie sich ihrer Sache sicher ist, obwohl sie ständig Witze über ihren Bauch macht – in einigen, wenigen Momenten schafft es der Film, aus ihrer egozentrischen Perspektive rauszukommen und echte Emotion zu zeigen. Wenn Jennifer Garner gnadenlos in der Mall vor Junos Bauch auf die Knie geht, um mit „ihrem“ Baby zu reden, ist das wunderschön und nicht albern. Wenn Juno nach einer unerwarteten Ansage von Bateman einen Entschluss fasst, der sie in zehn Sekunden erwachsen werden lässt. Oder auch als sie nach der Geburt das Baby nicht sehen will und endlich ein paar Tränen fließen, auf die man den ganzen Film gewartet hat. Nicht weil man ein blubberiges Ende haben will, sondern weil endlich die nervige Oberfläche von Juno geknackt wurde und man sie endlich richtig sehen kann: als ein junges Mädchen, das eine schwere Entscheidung treffen musste und auf ihre ganz eigene Weise damit fertig geworden ist.

Elaine Sciolino, die Frankreichkorrespondentin der NYT, verabschiedet sich mit einem kleinen Ratgeber für Frankreich von ihrem Ressort:

„With food as important as it is here, one of the most important men in your life should be your butcher. Mine, Monsieur Yvon, is more than a cutter of meat. He is a playful spirit in a rather sober neighborhood ”” and the exception to the customer-is-always-wrong rule.

In his tiny shop on the Rue de Varenne, between the Luxembourg Gardens and Les Invalides in the Seventh Arrondissement, Monsieur Yvon has donned a necklace of his homemade sausages to get a conversation going. At Christmas, he and his team of butchers put on elves’ hats with blinking lights. He offers passers-by free charcuterie and glasses of Beaujolais nouveau every fall. He is so deeply trusted that when avian flu struck France, his poultry sales went up, not down.“

Fotos von Elif Karakoc. Via 3th.