my mobile tells strange stories

(inspired by fernsehratgeber)

Ich liebe dich nicht, weil

Du wohnst ab jetzt bei

Gib unseren Wohnungsschlüssel ab bei

Deine Sachen findest du bei

Mein Anwalt heißt

Der Gerichtstermin ist am

Den Unterhalt bitte auf Kontonummer

Mein Neuer heißt

DEAR SIR I AM WRITING TO YOU BECAUSE

Don’t think just act with

Stehst du auf willige

Druckerpatronen in den Farben

Folgende Microsoft-Programme billiger

YOU HAVE BEEN CHOSEN TO PARTICIPATE IN

Berühre meine

Küss mich zärtlich am

Umfasse mit deinen Händen meine

Knabbere an meinen

Beiß in meine

Leck mir die

Wolltest du nicht schon immer wissen, ob

Ich bin süchtig nach

Mein Gott heißt

Der Sinn des Lebens ist

The whiner takes it all

Nach dem für mich schwer zu ertragenden Ekelbild-Contest bei Herrn Sebas wird nun der Heulsusen-Contest bei Frau evasive ausgerufen. Ich bin schon sehr gespannt auf das öffentliche Gejammere (jedenfalls mehr als auf schwärende Fleischwunden). Ich selbst kann leider keinen Beitrag schreiben, denn im Moment ist bei mir alles total schnafte.

Obwohl – die blöde Wäscherei sollte unser mein neues Bett eigentlich schon im Februar liefern und schickt seit Anfang März bedauernde Briefe im Wochen-Rhythmus, dass es doch und schon wieder und tut uns ja auch leid Lieferschwierigkeiten gebe blablabla … letztes Mal lag immerhin ein Gutschein bei. Und was für einer: ganze 20 Euros. Jetzt fühl ich mich doch gleich viel besser, nachdem ich ein halbes Monatsgehalt in dem Laden gelassen habe.

(Nee, das war nicht heulsusig genug. Das kann ich besser.)

Deutsches Sprache, schweres Sprache

Der Kerl und ich haben grammatikalische Probleme.

Freitag ist der 1. April, der darauffolgende Freitag ist der 8. April. Ist der 1. April nun dieser Freitag oder nächster Freitag?

Meiner Meinung nach ist der 1. April dieser Freitag und der 8. April nächster Freitag. Der Kerl meint, der 1. April sei nächster Freitag und der 8. April sowas in der Richtung von Freitag nächster Woche oder so.

Was sagt die wissende Leserschaft?

(O-Ton Kerl: „Ich lass mir doch vom Gröner-Pöbel nicht sagen, wie ich zu reden habe.“)

ZEIGT’S IHM!

Babylon Spam

(Hier stand ein Eintrag, der sich mit dem üblichen Matschdeutsch von pornografischen Spam-Mails befasste. Mir ist allerdings nach dem Schreiben aufgefallen, dass darüber wahrscheinlich schon alles gesagt wurde, was es zu sagen gibt. Auch wenn mir persönlich die literarische Komposition Langmetragefilme zum Einladen neu war. Jedenfalls habe ich beschlossen, diesen Eintrag nicht zu veröffentlichen, ja ihn sogar zu löschen wegen kompletter Redundanz. Aber die Headline, mein lieber Herr Gesangsverein, die Headline fand ich so schön, dass sie einfach erhalten bleiben werden musste können gehabt getan. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.)

Im Guardian erzählen sechs Schauspieler, die alle einmal Adolf Hitler dargestellt haben, wie sie sich dem Charakter genähert und ihn schlussendlich auf die Leinwand oder die Bühne gebracht haben. Bruno Ganz ist natürlich dabei, aber auch Hubert Kramar, der Hitler im polnischen Theaterstück Nazis in Space gespielt hat: Desperately seeking Adolf.

Once, after a rehearsal, I went out on to the streets in my Hitler outfit, accompanied by two actors in adjutant outfits. One man nearly crashed his car and another banged into a lamppost. The reaction was very different in Paris. When standing at the base of the Eiffel Tower dressed as Hitler, I was pounced on by scores of Japanese tourists who wanted my autograph.

In 2000, I bought a ticket for the Vienna Opera Ball, a big political and social event. I decided to go in a Hitler costume to make a political statement against rightwing extremists. I was hooked up with a mini-TV camera and managed to get through the security gates because I was in a chauffeur driven Rolls-Royce with darkened windows. I got out of the car and the other guests were completely mesmerised. They stood there with their eyes almost popping out of their sockets. A couple of people said: “Heil Hitler!” To this day, I don’t know if they were joking. I was arrested and they tried to put me in prison, because it is against the law to wear Nazi outfits in Austria. But I just claimed that I had dressed up for a fancy-dress party.

Brrrm, brrrm, brrrm, und dann setzte der Panzer in die Parklücke

John Z. DeLorean ist am vorvergangenen Samstag an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben.

Ich kannte den Namen, ehrlich gesagt, nur aus Back to the Future. Aber seit ich die Karre, den inzwischen legendären DeLorean DMC 12, das erste Mal gesehen habe, lässt mich das fiese 80er Jahre-Design nicht mehr los. Ich mag die eckigen Konturen, dieses klaren Punkt, den das Auto setzt. Kein Schnickschnack, kein abgerundeter Mädchencharme, nein, harte Kanten, straffe Linien, fertig, aus.

Ich mag Autos. Ich schreibe sogar beruflich über sie. Das hätte ich mir zu Anfang meiner Werberkarriere zwar nie vorstellen können, aber sobald ich mein erstes Mailing für einen (Achtung, Synonym- und Pathos-Alarm) großen deutschen Autobauer getextet hatte, wusste ich: Das isses. Scheiß auf Anzeigen und Fernsehspots – ich will die Langstrecke schreiben. Ich will mir Kataloge ausdenken, die auf 60 Seiten über Motoren, Drehmomente und Fahrspaß schwärmen. Ich will über die definierten Linien des Fahrzeugkörpers sabbern, über die aufregenden Lackfarben, über die sinnliche Haptik im Innenraum, über die Dynamik der Beschleunigung und das Glücksgefühl des Vorwärtskommens. (Und wenn ich beruflich über die Schnuckis schreibe, habe ich intelligentere Adjektive auf Lager. But not now.)

Ich kann mich an eine Präsentation eines neuen Auto-Modells erinnern, zu dem wir den Katalog machen sollten. Die Karre war noch nicht fertig; es waren nur zwei Modelle ohne Motor da, allerdings schon in Originalgröße, lackiert und zum Reinsetzen und Alles-Anfassen. Wir saßen also mit dem Kunden bei Kaffee und Schnittchen in einem abgedunkelten Raum, in dem unter zwei weißen Tüchern verborgen das neue Auto stand. Zuerst durften die Designer über ihre Inspirationen sprechen und uns Bilder zeigen von Motiven und Dingen, mit denen sie sich beschäftigt hatten, bis sie auf die neue Linienführung des Autos gekommen wären. Dann erzählte der Kunde etwas über die Käuferstruktur und was überhaupt alles so toll an dem Fahrzeug wäre. Dann durften die Ingenieure ihr Baby von der technischen Seite vorstellen, und dann endlich wurden die Tücher hochgehoben – und Anke konnte sich nicht entscheiden, ob sie lieber den schwarzlackierten oder den silbernen gleich mitnehmen wollte.

Es war so fantastisch, ein niegelnagelneues Auto anzufassen, auch wenn es streng genommen noch kein richtiges Auto war. Der Lack war so unberührt wundervoll, alles blitzte und blinkte, und natürlich war es vor allem einfach geil (es gibt kein besseres Wort), ein Auto zu sehen, das sonst noch niemand gesehen hatte. Ich bin über eine Stunde lang um die beiden Modelle rumgeschlichen, habe zärtlich das Heck (nach Innenraum mein Lieblingsfeature bei jeder Karre) vom silbernen Fahrzeug gestreichelt, habe mich ehrfürchtig in das schwarze gesetzt und über das jungfräuliche Cockpit gelächelt und habe jedem der Designer persönlich gesagt, dass dieses Modell das schönste sei, was die Firma je rausgehauen habe.

Inzwischen ist das Auto längst im Handel. Und ich muss gestehen, ich schaue ihm immer noch jedes Mal hinterher, wenn es an mir vorbeifährt. Genau wie jedem anderen Modell, für das ich gearbeitet habe. Es ist eine ganz seltsame – und, wenn man rational darüber nachdenkt, eine ziemlich bescheuerte – Vertrautheit, die mich mit dem jeweiligen Auto verbindet. Aber wenn man wochenlang die Heckleuchten angeguckt hat, um irgendwas über sie zu sagen oder die Felgen oder den Motor, dann entwickelt man irgendwann das automobile Stockholm-Syndrom, wo man die Karre einfach nur noch heiraten möchte.

Das Spannende an Werbung ist ja, dass man zu allem, mit dem man sich gezwungenermaßen 24 Stunden am Tag auseinandersetzt, eine ganz besondere Beziehung aufbaut. Um ein Produkt richtig zu bewerben, muss man einfach wissen, was es ausmacht, was es anders macht, wie es sich anfühlt etc. Und je länger man über alle Produktbesonderheiten nachdenkt, desto größer wird die Bindung zwischen Werber und Beworbenem. So geht es mir jedenfalls. Ich finde grundsätzlich das Auto am schönsten, über das ich gerade nachdenke. Ich bin grundsätzlich davon überzeugt, die ehrlichste Bank der Welt zu kennen, wenn ich gerade Copys für sie schreibe, oder das leckerste Bier oder den besten Fernseher. Wenn ich nicht selbst an das glaube, was ich gerade schreibe, wird das auch kein Konsument tun. Das führt zwar bei mir dazu, dass ich ziemlich betriebsblind durch die Gegend texte, aber wahrscheinlich hat der jeweilige Kunde nichts dagegen.

Auf jeden Fall arbeite ich am liebsten für Autokunden. Alles andere mache ich gern bis mittelgern, aber richtig Spaß macht mein Job, wenn ich über technische Raffinessen und Polsterstoffe schreiben darf, über Beschleunigungswerte und Sonderausstattungen. Und wenn ich einmal ganz, ganz doll reich bin, kaufe ich mir jede Karre, für die ich jemals was geschrieben habe. Und dazu den DeLorean, weil ich ihn seit 20 Jahren haben will, obwohl ich doch weiß, dass meine Rückenschmerzen in ihm garantiert nicht besser werden.

Via Herrn Dahlmann. Wobei ich nicht ganz sicher bin, den Inhalt des Spiels verstanden zu haben. Beachten Sie bitte, dass Herr Dahlmann und ich anscheinend das gleiche Moleskine und Handy besitzen. Allerdings ist mein iPod älter. Diese komische schwarze Niere unten links ist übrigens mein Sonnenbrillenetui. Und die bejahenden Taschentücher liegen nur deshalb auf dem Papst, weil sonst kein Platz mehr war.

Lass die Finger von Emanuela

Hallo Nachbar

Auch wenn mir Million Dollar Baby so gar nicht gefallen hat, war der Nachmittag im Abaton interessant, denn ich hatte einen prominenten Sitznachbarn: der Herr Müller-Westernhagen saß links von mir, und von ihm links saß seine Gattin. Ich finde seine Musik zwar grottenlangweilig, aber jemand, der den ganzen Film lang gerade zwei Worte zu seiner Frau sagt und die brav leise, ansonsten schön die Klappe hält, nicht rumzappelt und zudem noch ein wohlriechendes, dezentes Eau de Toilette aufgelegt hat, kann kein schlechter Mensch sein. Will immer solche Nachbarn haben. Gerne auch unprominent, denn die stehen nämlich irgendwann auf, anstatt sitzenzubleiben, bis das Kino leer ist, um nicht mit der Masse rausgehen zu müssen. Rechts von mir saßen leider zwei Mädels, die der Film arg mitgenommen hatte und die noch nachheulten, weswesen ich weder rechts noch links rauskonnte, ohne drängeln zu müssen, was ich noch weniger leiden kann als lange Abspänne anzugucken. Also bin ich sitzengeblieben und dann nach gefühlten fünf Stunden hinter den schniefenden Mädels rausgegangen. Ehepaar Westernhagen blieb noch und kam mir erst auf der Straße nochmal entgegen. Um ein Beweisautogramm zu bitten, war mir aber auch zu doof.

Million Dollar Baby

Million Dollar Baby (USA 2004, 132 min)

Darsteller: Clint Eastwood, Hilary Swank, Morgan Freeman, Lucia Rijker, Brian F. O’Byrne, Margo Martindale, Jay Baruchel
Musik: Clint Eastwood
Kamera: Tom Stern
Drehbuch: Paul Haggis, nach Motiven aus Geschichten von F. X. Toole
Regie: Clint Eastwood

Trailer

Offizielle Seite

Ich mag am Kino die großen Wahrheiten, den Erfolg, den Sieg, aber auch das Scheitern und das Tragische. Einem Film dabei zuzusehen, wie er hinter Motiven und Bildern plötzlich den Blick auf das Große, Ganze freigibt, ist für mich unwiderstehlich und der Grund, warum ich Kino mag. Normalerweise ist Clint Eastwood ein Garant für derartiges Kino. Der zwingenden Sog von Mystic River, in dem es um Schuld, Sühne, Familie und Freundschaft ging. Die heillos romantische Liebesgeschichte aus The Bridges of Madison County, in dem ich einer verpassten Chance, ja einem verpassten Leben hinterhergeweint habe. Und natürlich der kompromisslose, gewalttätige und gleichzeitig seltsam zärtliche Unforgiven, um nur ein paar seiner Filme zu nennen. Ich mag die Art, wie Eastwood Regie führt, wie er sich auf seine Protagonisten konzentriert, schlicht ihre Geschichte erzählen will, ohne Schnörkel und hollywoodhafte Umwege. Kurz gesagt: Ich hatte mich auf Million Dollar Baby wirklich gefreut. Und war nach dem Kinobesucht wirklich mies gelaunt.

Million Dollar Baby handelt vom alten Boxtrainer Frankie (Eastwood), der zusammen mit seinem Freund Scrap (Morgan Freeman) ein heruntergekommenes Sportstudio betreibt, in dem sich hoffnungsvolle mit komplett talentfreien Boxern die Geräte teilen. Eines Tages spaziert Maggie (Hilary Swank) in das Studio und fängt an, einen Sandsack zu bearbeiten; sie will von Frankie trainiert werden, der nach einigem Zögern auch einwilligt.

Schon in den Anfangsszenen habe ich über die Ansammlung von Klischees gestöhnt: Dialoge der Marke “Some people say I’m pretty tough”– “Girlie, tough ain’t enough” waren zwar netterweise die Ausnahme, aber ansonsten war alles da: das Schild an der Wand mit der Deppenbotschaft “Winners are people who are willing to do what losers won’t”; der Südstaatenslang von Swank, die zu allem Überfluss natürlich auch noch Kellnerin ist, dem bekanntermaßen trashigsten aller White Trash-Jobs in Filmen; der weise, gutmütige und schlitzohrige Sidekick, der uns aus dem Off wahnsinnig tiefgründige Boxweisheiten einflüstert. Ihn darf undankbarerweise Morgan Freeman geben, der wirklich Besseres verdient hätte auf seine alten Tage.

Und damit nicht genug: Natürlich hat auch jeder der drei Protagonisten eine Vergangenheit, die er oder sie mit sich herumträgt. Dagegen ist ja auch im Prinzip nichts einzuwenden, wenn diese Vergangenheit irgendetwas mit dem Film zu tun hat, wenn also die Vergangenheit das Handeln der Figuren in der Gegenwart so sehr bestimmt, dass man sich diesem Handeln nicht entziehen kann. Hier aber hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, dass man sich beim Drehbuchschreiben irgendwie nebenbei überlegt hätte, was denn passiert sein könnte, damit z.B. Frankie sich so rührend um Maggie kümmert, warum Frankie jeden Tag in die Kirche geht oder warum Frankie und Scrap seit 100 Jahren aufeinander hocken. Ah, ich hab’s, der eine war ein Boxer, der andere sein Trainer, dann schmeißen wir noch einen verlorenen Titelkampf und eine unheilbare Verletzung mit rein blablabla … und das Fiese ist: Man muss sich diese ganze, langweilige Vergangenheit auch noch erzählen lassen anstatt sie irgendwie unterschwellig vermittelt zu bekommen. Nein, Freeman setzt sich hin und quatscht. Ich habe selten so eine unelegante Motivandeutung gesehen. Denn mehr als eine Andeutung ist es nicht: Scrap hätte auch Tankwart sein können und Frankie sein Kunde; es hätte am Ausgang des Films nichts geändert. Die Motive, die hinter den Figuren stehen – der Verlust eines geliebten Menschen, die Schuld, die man mit sich herumträgt, die verpassten Gelegenheiten, denen man nachtrauert – waren hier nicht mehr als eine wohlig-deprimierte Tapete, aber kein zwingender Motor der Geschichte.

Und auch Maggie kriegt ihre Hintergrundgeschichte, die sie uns ebenfalls größtenteils erzählt: von ihrem Daddy und ihrem todkranken Hund, der leider irgendwann von Daddy umgebracht wurde und davon, dass sie nur einen Traum hat: zu boxen. Warum sie da erst mit 31 draufkommt, ist mir nicht klar geworden, aber gut. Wahrscheinlich hätte es noch alberner ausgesehen, wenn der 75jährige Eastwood eine 17jährige trainiert hätte. Maggies restliche Familie lernen wir immerhin im Bild kennen und nicht nur als Monolog, aber leider sind sie noch üblerer Trailer Trash, als wir uns das vorher vorgestellt hatten bzw. Trailer Trash-Abziehbilder: die dicke Mama, die babyschleppende Schwester, der tätowierte Bruder … eklig. Warum Maggie immer noch versucht, sich die Liebe ihrer Mutter zu verdienen oder zu erkaufen, obwohl diese für sie offensichtlich nichts übrig hat, habe ich nicht verstanden. Und ehrlich gesagt, war es mir irgendwann auch ziemlich egal.

Million Dollar Baby hatte zudem noch eine arg bemühte Dramaturgie. Die wenigen Spannungsmomente, die der Film hatte, als Maggie ihre Karriere als Boxerin aufnimmt und ehrgeizig verfolgt, werden allesamt zunichte gemacht durch den letzten Akt, die große Wende, als das Unglück über unsere drei Figuren hereinbricht. Dieser Bogen, den die Geschichte hier schlägt, kommt so unvermittelt und endet ebenso unvermittelt, dass ich mich gefragt habe, ob ich mir gerade ernsthaft eine zweistündige Exposition für eine Fünf-Minuten-Pointe angeguckt habe. Im Nachhinein fühlt es sich jedenfalls so an: Um die ganze Tragweite der Tragik klarzumachen, musste man im Vorfeld eben eine Menge erklären. Oder etwa nicht? Ich habe gerade vor zwei Wochen einen Film gesehen, in dem ein ähnlicher Schicksalsschlag wie der aus Million Dollar Baby vorkam. Dieser Film hieß Das Meer in mir, und der brauchte eine Rückblende und zwei vergilbte Fotos, um mir eine Lebensgeschichte zu erzählen, keine zwei Stunden.

Ich frage mich, seit ich aus dem Kino gegangen bin, was das Großartige an Million Dollar Baby ist, warum er alle Preise gekriegt hat, die er kriegen konnte. Freeman war in vielen anderen Filmen besser, Swank hat den Oscar, glaube ich, nur bekommen, weil sie so oft blutig und zerschlagen aussah, und warum die Regie jetzt auszeichnungswürdig ist, weiß ich auch nicht. Sicherlich hatten einige Szenen einen gewissen Charme, zum Beispiel wenn Frankie und Scrap über Scraps löcherige Socken philosophieren. Sicherlich macht es Spaß, Maggie dabei zuzuschauen, wie sie besser und besser wird; eine Montage aus ihren Erstrunden-K.O.s ist wundervoll leichtfüßig (im wahrsten Sinne des Wortes) und entschuldigt die üblichen Trainingssituationen, die man aus hundert Boxfilmen kennt. Aber die wenigen angenehmen Momente und die wenigen tragischen im Schlussteil werden erdrückt durch die Banalität, die über allem wabert. Die klare Linie, die ich sonst an Eastwood mag, verkommt hier zu einem schlichten Bilderreigen; kaum eine Szene ist mir wirklich in Erinnerung geblieben, fast alles floss widerstandslos an mir vorbei. Auch die Konzentration auf die Figuren war mir hier zu simpel gestrickt, mir fehlte das Geheimnisvolle, das Überraschende, das gewisse Etwas, das aus Charakteren Menschen macht. Hier fühlten sich alle Charaktere wie Schablonen an und dummerweise wie Schablonen, die ich schon hundertmal gesehen habe.

Million Dollar Baby eignet sich nicht für die großen Kinogefühle, die ich so mag. Er ist zu geradeaus, zu wenig von seinem eigenen Material überzeugt. Er nutzt Klischees, ohne sie zu brechen oder zu ironisieren, sondern tut im Gegenteil so, als wären es keine Klischees, sondern tiefgründige Wahrheiten. Und vor allem spricht er die Motive, den ganzen Sinn des Films, einfach aus, anstatt ihn durch Metaphern oder eine gute Story zu verklausulieren. Nichts ist langweiliger, als eine Lösung auf einem Silbertablett serviert zu bekommen. Und bei Million Dollar Baby ist es nicht mal das. Da ist es bloß ein Schild neben einem heruntergekommenen Boxring.

Danke …

… für Praschl-lesen-dürfen. Wie immer halt. Ich bewundere an seinen Texten stets diese Demut vor dem, was passiert, dieses Nie einfach hinnehmen, sondern Reflektieren, Nachhallen lassen, Spürbar werden lassen. Man traut sich fast nicht, einen Kommentar zu schreiben, weil es das Ende des Textes verwischt. Deswegen mache ich es auch nicht oft. Aber diesmal musste es mal wieder sein. Lesen, bitte.

Opa ist weise

Jedenfalls laut Jochen.

Zu Besuch beim Kanzler

Gestern lief die erste Folge von Kanzleramt. Erster Eindruck: nicht so schlecht, wie ich erwartet hatte, aber auch nicht so gut, wie ich gehofft hatte.

Die Charaktere haben mir gut gefallen, auch wenn ich Klaus J. Behrendt, so gerne ich ihn mag, als Kanzler völlig fehlbesetzt finde. Er ist mir zu leichtgewichtig, zu wenig eindrucksvoll. Das Problem mit den Figuren war, zumindest bei der gestrigen Folge, dass sie sich durch eine Handlung bewegten, die mit leichten Änderungen auch in einer großen Firma hätte spielen können. Mir hat das Politische gefehlt, das The West Wing so besonders macht. Kanzleramt hatte ein bisschen was von einem Tatort, der zufällig in einer Regierungsstelle passiert: zu viele Außenaufnahmen, zu vieles, was im Handumdrehen bzw. in 45 Minuten gelöst wurde. Der Trailer zur nächsten Folge lässt allerdings darauf hoffen, dass doch noch ein bisschen mehr Hinter-die-Kulissen-gucken kommt.

Ich fand übrigens auch die Dialoge ziemlich gelungen. Ab und zu war zwar ein erklärendes Sätzchen zuviel da, aber generell klang alles schön knapp und nicht so ziseliert wie der übliche deutsche Seriensprech. Ich bin gespannt auf die zweite Folge. Nächsten Mittwoch, 20.15 Uhr, ZDF.

Mange tak revisited

Ein Geburtstagsgeschenknachzügler ist gestern bei mir aufgelaufen: Wenn Gott ins Kino geht beschäftigt sich mit Filmen, die religiöse Motive haben oder ethische Fragen behandeln. In der Liste befinden sich die üblichen Verdächtigen wie Die Passion Christi, Jesus Christ Superstar oder Mission, aber auch Bad Lieutenant, Der Club der toten Dichter und Und täglich grüßt das Murmeltier. Bis jetzt habe ich nur quergeblättert, aber ich glaube, das wird ein netter Leseabend. Vielen lieben Dank, Herr Sebas.

Auf Leben und Tod

Nach tagelangem, eigentlich jahrelangem Hin und Her hat nun ein US-Bundesgericht festgelegt, dass Terri Schiavo nicht weiter künstlich ernährt werden soll. Sie wird daher in einigen Tagen sterben dürfen.

Ich finde die Diskussion, die sich um den Fall in Amerika entzündet hat, ziemlich geschmacklos. Beziehungsweise finde ich es geschmacklos, dass Präsident Bush sich entblödet, seine eilige, aber im Endeffekt wirkungslose Gesetzesunterzeichnung vom Montag zur Fortsetzung der künstlichen Ernährung ausgerechnet so zu kommentieren: “In cases like this one, where there are serious questions and substantial doubts, our society, our laws, and our courts should have a presumption in favor of life.”

In favor of life? Our laws, our courts? Einen derartigen Satz ausgerechnet aus einem Land zu hören, das jährlich hunderte von Menschen in eine Gaskammer schickt, sie mit einer Giftspritze tötet oder sogar auf dem elektrischen Stuhl hinrichtet, finde ich ziemlich scheinheilig. In favor of life ist die amerikanische Gesetzgebung gerne dann, wenn es um publikumswirksames Leben geht, wie zum Beispiel das vieler Ungeborener, die dringend vor ihren abtreibungswilligen Müttern geschützt werden müssen. Und nun eben das Leben von Terri Schiavo, die seit 15 Jahren in einem vegetativen Koma vor sich hinwartet. Auf den Tod, nehme ich an, der ihr gnädigerweise schon vor 15 Jahren hätte geschenkt werden sollen. Wieso ist ihr Leben auf einmal so viel wert? Und wieso ist es vor allem mehr wert als das derjenigen, die in irgendwelchen Zellen auf ihre Hinrichtung warten?

Natürlich kann man erstens argumentieren, dass es immer wieder Fälle gab, in denen Menschen auch nach jahrelangem Koma wieder erwacht sind. Meines Wissens waren das aber Komapatienten, deren Hirnfunktionen noch messbar waren, im Gegensatz zu Terri Schiavo, deren Großhirn abgestorben ist. Und zweitens ist Terris Leben nach alttestamentarischen „Auge um Auge“-Kriterien vielleicht mehr wert, weil sie sich nichts hat zuschulden kommen lassen. Sie ist keine Mörderin, die auf ihre Hinrichtung wartet, die eventuell gnädigerweise in letzter Sekunde abgeblasen werden könnte. Sie ist nur eine Komapatientin, die Eltern hat, die sie nicht gehen lassen möchten. Verständlicherweise, aber ob ihr Handeln im Sinne ihrer Tochter ist, wage ich zu bezweifeln.

In den amerikanischen Medien und Weblogs wird gerne die Gottesfürchtigkeit Bushs zitiert, wenn es darum geht, seine Entscheidung und die des Kongresses zu rechtfertigen, Schiavo weiterhin künstlich zu ernähren: Gott gibt uns das Leben, und er nimmt es wieder. Es sei nicht unsere Aufgabe, darüber zu entscheiden, wer lebt und wer stirbt. Aber auch hier beißt sich die Argumentation wieder, denn in jedem Gerichtsverfahren, in dem jemand zum Tode verurteilt wird, maßen sich Menschen das Recht an, Leben zu nehmen. Terri Schiavo ist, soweit ich weiß, zu spät ärztlich betreut worden, um ihr bisheriges, bewusstes Leben zu retten, aber schnell genug, um noch einige Körperfunktionen aufrecht zu erhalten, die allerdings nun seit Jahren komplettiert werden müssen, z.B. durch die künstliche Ernährung. Hätte Terri vor 15 Jahren schon sterben sollen? Haben sich damals nicht schon Menschen durch die Reanimation eingemischt in eine göttliche Entscheidung (wenn wir der Argumentation folgen wollen, dass Gott bestimmt, wer lebt und wer stirbt)? Wäre dann nicht die Einstellung der künstlichen Ernährung nur die letzte und endgültige Erfüllung von Gottes Wille?

Ich finde es ziemlich anstrengend, dem amerikanischen Zickzackkurs zu folgen: Mal ist Leben etwas Heiliges, dann etwas, das man durch Menschenhand vernichten darf. Ich frage mich auch gerade, wie man z.B. den Irak-Krieg religiös rechtfertigen kann – schließlich beginnt man einen Krieg nicht in der Absicht, niemanden umzubringen. Im Fall von Saddam Hussein ist, glaube ich, eher vom Gegenteil auszugehen.

Dieses Herumgeeiere und die Tatsache, dass Religion bzw. in vielen amerikanischen Fällen der christliche Glaube gerne für persönliche Zwecke instrumentalisiert wird, macht es mir persönlich sehr schwer, meinen eigenen Glauben zu verteidigen. Es ist ziemlich nervig, allein durch das kleine silberne Kreuz, das ich trage, von vornherein in einen Topf geworfen zu werden mit einer Gruppe von Hinterwäldlern, die die Bibel wörtlich nehmen wollen und ihren Kindern beibringen, dass Darwin keine Ahnung hatte und Homosexuelle in der Hölle landen. Es ist nervig mitanzusehen, dass die Bibel gerne so ausgelegt wird, als wäre es noch 500 v. Chr, als die ersten Bücher Mose entstanden sind, anstatt dieses Buch als eine Art Guideline zu sehen mit Werten und Ideen, die zeitgemäß interpretiert werden können, in meinen Augen sogar müssen. Es ist nervig mitanzusehen, dass ein meiner Meinung nach fortschrittliches, pluralistisches, faszinierendes Land wie Amerika immer mehr zu einem Hort von religiösen Eiferern und politischen Rednecks wird, die völlig ignorieren, dass eine Zivilisation wächst und sich entwickelt und sich damit auch ihre Werte ändern und man dementsprechend den Moralkodex anpassen muss.

Ich würde mir generell mehr Respekt vor dem individuellen menschlichen Leben wünschen. Respekt für persönliche Entscheidungen, wie z.B. die eines Ehemannes, der seine vor 15 Jahren faktisch gestorbene Frau endlich gehen lassen möchte. Respekt für Menschen, die einen Fehler gemacht haben, auch einen so schwerwiegenden und unwiderruflichen Fehler wie den, jemanden zu töten. Respekt für Menschen, die an etwas glauben, Respekt aber auch für Menschen, die genau das Gegenteil glauben. Mehr Respekt für den einzelnen Menschen an sich, anstatt sich auf alte Bücher zu berufen, anstatt seine persönlichen Moralvorstellungen auf ein ganzes Land auszudehnen und anstatt den Staat entscheiden zu lassen, wie ein Einzelner zu leben – und zu sterben – hat.