Somebody up there blogs me!

Ich bin beim Blogalike-Contest von Wirres dabei. Die Idee hat er übrigens von Malorama geklaut, der sie von Faustus geklaut hat.

Nochmal kurz erklärt: Ich möchte nachgeäfft werden. Setzt euch hin, strengt euch an und imitiert meine, wie ich glaube, unnachahmliche Schreibe. Schreibt über eine DVD, Agenturquatsch, den Kerl, blogging in general, Kiefer Sutherland oder irgendwas, von dem ihr glaubt, ich könnte drüber schreiben. Oder auch über irgendwas, über das ich noch nie ein Wort verloren habe. Spontan fällt mir da das Paarungsverhalten von Zierfischen oder die Faszination von Kakteen ein. Ihr habt für euren Eintrag knapp eine Woche Zeit, genauer gesagt, bis nächsten Sonntag, Schlag Mitternacht. Euren literarischen Erguss sendet ihr mir bitte bis dahin an mail ‘at’ ankegroener ‘dot’ de.

Am Montag, den 7. Februar, werde ich nicht nur selbst einen Beitrag online stellen, sondern zeitgleich alle Beiträge, die angeblich so klingen wie ich und die mir von eifrigen Lesern/Schreibern/Kopisten eingesandt wurden. Ich behalte mir vor, diese Beiträge ortografisch den heutigen Gegebenheiten anzupassen und diejenigen, die ich scheiße finde, zu ignorieren.

Danach darf die geneigte Leserschaft zwei Tage lang, genauer gesagt, bis Dienstag, Schlag Mitternacht, per Kommentar abstimmen, welcher der Beiträge wirklich von mir ist (abstimmen nur mit gültiger E-Mail-Adresse oder URL oder wenn man mir persönlich oder als Stammleser bekannt ist). Erkennen mich alle wieder, bestätigt das meine Theorie, dass niemand so seltsam scheiße arrogant unterhaltsam doof verknallt anke schreibt wie ich. Glaubt die verwirrte Leserschaft, ein anderer Beitrag sei von mir, erhält der Verfasser dieses bösen Fakes einen superduper Preis von mir: nämlich entweder einen Kinogutschein (gilt nur für Originalversionen) oder ein Buch nach Wahl. Dass ich, wenn jemand anders als Anke durchgeht, in ein riesiges Loch aus Selbstzweifeln fallen werde, ist dann natürlich eure Schuld.

Ich persönlich werde versuchen, Herrn Schwenzel nachzuahmen und bin schon sehr gespannt, über was ich schreiben werde. Genauso natürlich auf das, was ihr verzapft. Falls weniger als drei Fakes eingehen, lassen wir den Quatsch lieber sein, und Montag steht was Tolles über den Super Bowl im Weblog. Your choice.

Also dann: Viel Spaß beim Anke-Sein. Ist echt nicht so schlimm. Wenn man sich dran gewöhnt hat, isses sogar ganz lustig.

Liebe ist es. (Schwein gehabt, Baby.)

„Lieber Ludwig, mein Körper liebt deine Wärme. Plansch mit mir auf dem süßesten See der Träume. Deine Sandra.“

(Ich sollte keine SMS-Laufbänder auf MTV2 gucken. Ich sollte eigentlich überhaupt kein MTV2 gucken. Ich sollte jetzt meinen Arsch hochkriegen und Singen üben. Ach, komm, einer geht noch:)

„Beste Sonja, du hast mir Geborgenheit gegeben. Liebe ist es, was ich für dich empfinde. Ewiglich, dein Peter.“

Der, die, das, wer, wie, was, wieso, weshalb, warum, wer nicht fragt, bleibt dumm

Im Original klingt die Sesamstraße so: “These are the people in my neighborhood, in my neighborhood, in my neigh”¦ bor”¦ hood, oh, these are the people in my neighborhood, they’re the people that you meet, when you’re walking down the street, they’re the people that you meet, each day.”

Und daraus kann man ein schönes Fotoprojekt machen.

(via Mighty Girl)

The good, the bad, the ugly

The good: alte Mails vom Kerl lesen und sich nochmal verlieben.

The bad: das Gefühl haben, beim Lesen im Kopf eine Oktave höher zu piepsen.

The ugly: ihm eine Mail zusammenpiepsen, dass man gerade piepst, weil man seine alten Mails gelesen hat und nun piepsig ist und dabei ahnen, dass man genau diese Mail in einem Jahr nochmal liest, um dann piepsig hoch zwei zu sein.

“After all, it’s rather a privilege
amid the affluent traffic
to serve this unpopular art which cannot be turned into
background noise for study
or hung as a status trophy by rising executives,
cannot be ‘done’ like Venice
or abridged like Tolstoy, but stubbornly still insists upon
being read or ignored … ”

W. H. Auden, regarding poetry

(gefunden auf whiskey river, einem sehr schlichten, schönen, inspirierenden Weblog)

(read shhhh)

Buchenwald. Jugendfreizeit in der DDR. Zuerst das Goethehaus, Mittag essen, Sättigungsbeilage, in den Bus, den Ettersberg hinauf, Weimar zu Füßen. Man sieht Buchenwald aus Weimar nicht. Unser Führer (viele Witze über diese Bezeichnung, keiner dabei, den er noch nicht gehört hätte, wie er uns sagt) erzählt uns vom Ascheregen, der manchmal tagelang nicht aufhörte. Wir gehen durch das Tor, in dem „Jedem das Seine“ in Eisen geschmiedet steht. Die Uhr über dem Tor ist auf die Uhrzeit der Befreiung eingestellt. Wo früher die Baracken standen, sind heute die Fundamente mit Steinen nachgezeichnet. Eine große, plane Fläche, über die der Wind weht, wie in einem sehr, sehr schlechten Film. Das Wort „Totenstille“ fällt mir ein. Wir besichtigen die Genickschussanlage, und mir ist unwohl dabei, eine derartige Konstruktion zu „besichtigen“. Der Zellenblock für die Einzelhaft. Die nachgebildeten Holzkarren, auf deren Originalen Steine für die Straße nach Weimar transportiert werden mussten. Der Pfahl, an dem Gefangene an den Handgelenken aufgehängt wurden, bis die Schultern auskugelten. Die Öfen, vor denen einige aus der Gruppe posieren, um ein Foto zu machen. Was für ein Urlaubsdia. „Ach, guck mal, da waren wir im KZ.“ Die Pathologie. Die gekachelten Bänke und Becken, der Abfluss im Boden. Dann die Ausstellung, die fast nur von den Kommunisten und Ernst Thälmann erzählt, von den russischen Gefangenen. Alle anderen werden nebenbei erwähnt. Eine Vitrine mit Kinderschuhen aus Auschwitz. Eine Mitreisende fragt mich, wieso man das nötig habe, Schuhe aus Auschwitz hierher zu bringen – reiche das noch nicht, was man hier sieht? Und ob ich mal ein Taschentuch habe. Hab ich nicht. Ich hab keine mehr. Das Ende der Ausstellung markieren rote Fahnen und ein Hinweis auf den antifaschistischen Schutzwall und das obligatorische Honeckerbild.

Theresienstadt. Klassenfahrt nach Prag. Eine Busladung von 17- und 18jährigen, die einen Abend vorher Türme aus leeren Biergläsern in der Prager Altstadt gebaut haben. Das „Vorzeige-KZ“, die „jüdische Mustersiedlung“. Das Ghetto. Über dem Tor „Arbeit macht frei“. Die anderen besichtigen einen Tunnel, der durch das Lager führt. Ich warte lieber draußen. Ich habe Angst, wenn es so eng ist. Hier draußen ist es still. Es regnet. In einer Art Schulungsraum sehen wir Filme, die die Alliierten nach der Befreiung in mehreren Konzentrationslagern gedreht haben. Die Skelette in den Gruben. Die Brillengestelle. Das Zahngold. Die Haare. Die Koffer, Taschen, Kartons. Die gestreiften Anzüge, die sprachlosen Gesichter. Nach fünf Minuten gehen die ersten nach draußen, eine rauchen.

Bergen-Belsen. Schulausflug, 10. Klasse. Ein Mitschüler mit FAP-Aufnäher an der Bomberjacke. Er steht da, mit den Händen in der Tasche, während ich mir die Vitrine zu Anne Frank durchlese. Alles wirkt wie ein Park, die Ruhe, sauber geharkte Wege, Blumen. Ab und zu eine Tafel „Hier liegen 1000 Menschen“, „Hier liegen 5000 Menschen“, „Hier liegen 10.000 Menschen“. Eine Wand, an der Kränze niedergelegt werden. Auf der Rückfahrt die vergebliche Diskussion mit dem FAP-Mitschüler, der sich in das Stichwort „Auschwitzlüge“ verbeißt. Wir diskutieren mehrere Geschichtsstunden lang. Irgendwann möchte ich ihm nur noch eine reinhauen.

Urlaub in Israel. Das Fischrestaurant in Tel Aviv, das komische Gefühl beim Treiben im Toten Meer, die Golan-Höhen, die Kindergartengruppe in Akko mit ihren Aufseherinnen, die beide ein Gewehr geschultert haben, die Grabeskirche in Jerusalem, die Klagemauer, der Felsendom, Beth-Schean, Masada, Bethlehem, Sonne, das Mittelmeer, das Rote Meer, Urlaub eben … Tiberias am See Genezareth. Kurz vor Abfahrt des Reisebusses. Ich bin zu spät, haste aus dem Hotelzimmer, sehe den Fahrstuhl auf meiner Etage, in dem ein alter Mann steht, ich rufe “Hold it, hold it, please”, und er hält mir freundlich die Tür auf. “Thank you”, Baseballmütze zurechtgerückt, Rucksack aufgesetzt. “Are you American?” “No, I’m German.” Er hört meine Worte und sein Lächeln verschwindet. Er tritt so weit wie möglich von mir weg, drückt sich an die Fahrstuhlwand und schaut demonstrativ an mir vorbei. Ich sehe seine Tätowierung und wäre gerne unsichtbar.

Yad Vashem. Die Halle, in der die Namen von allen Konzentrationslagern auf dem Boden geschrieben stehen. Kränze, eine Feuerschale, es ist fast dunkel. Und es ist sehr still. Die Allee der Gerechten, die Bäume, die für die Retter gepflanzt wurden. Ich kenne keinen der Namen. Die Austellung mit den Bildern, die mich immer noch zum Weinen bringen. Kann man bei diesen Fotos jemals abstumpfen? Kann man irgendwann begreifen, was geschehen ist? Kann man verstehen, wie aus Menschen Mörder werden? Kann man ermessen, wieviel sechs Millionen sind?

In der Gedenkstätte ein großer, niedriger Raum. In ihm sind Regale aufgereiht, in denen Akten stehen. Eine Akte für jeden Juden, der umgebracht wurde. Die bekannten Daten, Bilder, wenn vorhanden, ehemaliger Wohnort, Tag der Deportation, in welches Lager, Tag der Ermordung. Eine Akte pro Mensch. Ein blödes Blatt Papier zwischen zwei Pappdeckeln. Alles, was noch da ist. Eine verdammte Akte.

Ich kann die Rückwand des Raumes nicht sehen. Nur Regale und Akten. Der Raum hat kein Ende. Der Raum hat einfach kein Ende.

Hey, Farrar Straus Giroux, …

… der du als Verlag zuständig bist für die Veröffentlichung des neuen Romans von Tom Wolfe, I am Charlotte Simmons – wer hat dich auf die dämliche Idee gebracht, das Buch in einen WEISSEN Einband zu packen? Wie soll ich denn jetzt beim Lesen Schokolade essen?

And the nominees … say Cheeeeese!

Die Nominierungen für die diesjährige Oscar-Verleihung sind raus: The Aviator führt die Liste mit elf Nennungen an, darunter auch Bester Film, Beste Regie für Martin Scorsese, Bestes Original-Drehbuch für John Logan, Beste Hauptrolle für Leonardo DiCaprio und Beste Nebenrollen für Cate Blanchett und Alan Alda.

Die Konkurrenten sind Clint Eastwoods Regiearbeit Million Dollar Baby und Marc „Monster’s Ball“ Forsters Finding Neverland mit jeweils sieben Nominierungen.

DiCaprio wird es leider sehr schwer haben, gegen Jamie Foxx zu gewinnen, der für die Beste Hauptrolle in Ray vorgeschlagen wurde. Ich würd ihm die Statue geben. Foxx war gut, DiCaprio war besser. Meine bescheidene Meinung. Wo wir gerade bei Meinungen sind: Ich nehme mal an, dass das traditionelle Tippspiel wieder stattfindet, oder? Frau Wohnzimmer? Herr del? Und irgendwann komme ich auch nach Wien, um mir meine zwei Frühstücke ausgeben zu lassen.

PS: Der Untergang wird hoffentlich untergehen.

And the nominees … will not be pleased

Und auch die Nominierungen für die Razzies sind draußen: Catwoman führt die Liste an mit sieben Nominierungen, darunter die für den schlechtesten Film und die schlechteste weibliche Hauptrolle. Alle Nominierungen hier.

Die Preisverleihung findet am 26. Februar statt, einen Tag, bevor die Oscars vergeben werden.

Happy Anniversary (im Prinzip)

Nachtrag zu gestern, genauer gesagt zum drittletzten Absatz:

Wir mussten uns natürlich aneinander gewöhnen (…) Meine von Hollywood geprägte Vorstellung von Beziehungen kollidiert ab und zu mit deinem knallharten Realismus à la „Blumen? Ihr Mädels steht auf sowas? Aber die verwelken doch bloß.“

Ich kenne jedenfalls keine andere Frau, die zu ihrem Jahrestag/Hochzeitstag/Geburtstag und wie die ganzen anderen Blümchenfeiertage noch heißen, statt eines kleinen Buketts freudestrahlend ein Töpfchen rosafarbenes Slimy überreicht bekommen hat.

Für den Valentinstag muss ich subtile deutliche Zeichen setzen.

(Zu seiner Ehrenrettung darf ich sagen, dass ich auch noch einen Plüschgremlin gekriegt habe, weil ich den Kerl manchmal Gizmo nenne. Meistens dann, wenn er vergisst, dass er ein Kerl ist und im Falsett vor sich hinsingt. Aber da war’s schon zu spät. Romantik im Arsch, dafür hysterisch gegackert.)

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Wenn der gute, alte Johnny Logan What’s Another Year in mein Ohr singt (ja, das muss ab und zu sein), dann denke ich meist, ach, Recht hat er. Was ist schon ein Jahr. Das fliegt vorbei, wie es die letzten Jahre immer vorbeigeflogen ist, was soll schon anders sein.

Diesmal muss ich Herrn Logan allerdings den Mund verbieten. Das letzte Jahr war großartig. Und das liegt nicht nur daran, dass ich seit April eine wunderschöne neue Wohnung habe mit Badewanne und Tiefgarage und bunten Wänden. Oder dass ich seit einigen Monaten in einer neuen Agentur mein Unwesen treibe, die mir erst gezeigt hat, was ich in meiner alten Agentur, so nett sie auch war, alles vermisst habe. Und es liegt auch nicht an den vielen „Kleinigkeiten“ wie der Buchveröffentlichung, dem Treffen mit vielen bloggenden Mitstreitern, dem neuen Layout meiner Seite (Permalinks! PERMALINKS!), der Geburt meines Patenkinds, dem Nicht-Schlechter-Werden meines körperlichen Zustands (ist in meinem Alter ja auch was) oder dem Wetter oder der Politik. Das, was das letzte Jahr so besonders gemacht hat, warst du.

Ich hatte seit längerem nicht mehr wirklich daran geglaubt, mich zu verlieben. Ich hatte es mir resigniert bequem gemacht zwischen meinen DVDs und meinem Schwert, meinen Schnuckelbildern und meinen zwei gesunden Händen. Mein Leben war ein langer, ruhiger Fluss und bis auf die Tage, an denen mir das aufgefallen ist, auch ein annehmbarer. Und dann waren plötzlich deine E-Mails da und meine an dich und das erste Treffen und das zweitedrittevierte Treffen und die weiteren Mails und auf einmal dieses komische Ziehen im Bauch und noch mehr Mails und plötzlich die erste Berührung und der erste Kuss und die erste Nacht.

Ich habe mich von Anfang an bei dir so wohlgefühlt, dass mir beim ersten Date gar nicht aufgefallen ist, dass wir gerade unser erstes Date haben. Also kein „Sag was Kluges, mach nichts Doofes, wie sehen meine Haare aus, lach nicht so laut, lach nicht so leise, nimm keine Zwiebeln, zahlt er jetzt oder teilen wir die Rechnung, hab ich was zwischen den Zähnen, kann ich ihn zum Abschied umarmen, sag ich jetzt, dass ich ihn wiedersehen möchte …“ Alles ergab sich einfach, und genauso einfach ergaben sich die weiteren Treffen, und plötzlich war aus „Der ist ja nett“ „Den will ich jetzt knutschen“ geworden. Und als du am 25. Januar 2004 in meine Wohnung kamst, hat sich wieder alles ganz einfach ergeben. Wir sind auf meinem unbequemen Sofa immer näher aneinandergerutscht, ich habe über deine Wange gestreichelt, und du hast mich geküsst. Und dann bist du die Nacht geblieben, und von den folgenden 366 Nächten und Tagen haben wir ungefähr 356 miteinander verbracht. Ganz einfach.

Wir mussten uns natürlich aneinander gewöhnen: Meine Blubberigkeit kollidiert immer noch ab und zu mit deiner Art, alles eher in Taten als in Worten auszudrücken. Meine Besessenheit, am liebsten auch noch mein Besteck alphabetisch sortieren und rechtwinklig anordnen zu wollen, kollidiert ab und zu mit deinem „Ich lass das einfach mal hier liegen“. Und meine Ungeduld, ganz egal, worum es geht, kollidiert ab und zu mit deiner stoischen Ruhe. Aber egal, ob wir uns manchmal angezickt haben oder uns darüber wundern, wie seltsam und ungewohnt der Gegenüber ist – wir telefonieren jeden Tag, obwohl wir uns fünf Stunden später sehen, wir schreiben weiter Mails, kennen die Leichen im Keller des anderen, die Schwächen und Stärken und Macken und liebenswerten Eigenschaften, mögen den anderen mit Haut und Haaren (du mehr die Haut, ich mehr die Haare), können mit der Faszination für a) American Cinema oder b) American Football leben, und außerdem bunkert jeder für den jeweils anderen das Lieblingsgetränk im Kühlschrank, auch wenn man es selbst nie anrührt. Das werte ich gnadenlos als ziemlich gutes Zeichen für eine stabile Beziehung.

Es gibt so vieles, das ich an dir mag, schätze, bewundere, liebe. Das sage ich dir aber lieber unter vier Augen. Für meinen digitalen Merkzettel muss der folgende Satz reichen:

Ich freu mich auf die 2, allerliebster Lieblingskerl von allen Kerlen dieser Welt.

Ray

Ray (Ray, USA 2004, 152 min)

Darsteller: Jamie Foxx, Kerry Washington, Regina King, Clifton Powell, Harry J. Lennix, Bokeem Woodbine, Aunjanue Ellis
Musik: Craig Armstrong, Ray Charles
Kamera: Pawel Edelman
Drehbuch: James L. White & Taylor Hackford
Regie: Taylor Hackford

Trailer

Offizielle Seite

Die Musik von Ray Charles ist nicht nur unwiderstehlich und einfach großartig, sondern hat durch ihre Einzigartigkeit die amerikanische Musikszene revolutioniert. Sein Leben mit allen Hindernissen und Schwierigkeiten, denen ein blinder Schwarzer im Amerika der 50er und 60er Jahre begegnen kann, war wie dafür gemacht, verfilmt zu werden. Jamie Foxx verkörpert den Musiker so authentisch und überzeugend, dass man sich niemand anderes in dieser Rolle vorstellen kann. Was konnte also bei Ray, dem Film über das Leben Ray Charles’, schiefgehen? Bis auf eben Jamie Foxx leider so ziemlich alles.

Die Zutaten für Ray lesen sich wie aus dem Setzbaukasten für Drehbuchautoren: Nimm ein paar rührende Kindheitsszenen aus dem tiefen Süden der USA. Bebildere diese farbenprächtig, lasse den Gospelchor schön laut singen und zoome ungefähr dreihundertmal auf die glitzernden, klimpernden Glasflaschen in den Bäumen, die so schön musikalisch und geheimnisvoll sind. Dann sorg für ein tragisches Erlebnis, das Ray sein ganzes Leben lang verfolgen wird, so dass du als Regisseur dutzende Male zurückblenden kannst, ganz egal, um was es in der Gegenwart gerade geht. Wenn man (fälschlicherweise) davon ausgeht, dass Ray ein genaues Abbild des echten Ray Charles’ ist, dann war anscheinend dessen einzige Motivation, vor den immer wiederkehrenden Bildern vom Ertrinkungstod seines kleinen Bruders davonzurennen und sich mit Musik, Drogen oder Frauen davon abzulenken, dass er angeblich schuld daran war.

Die Story von Ray wird im Prinzip sehr stringent erzählt: Wir sehen ihn als Kind, bei seinem ersten Gig, in seiner ersten Band, seine erste Platte, seine zweite, sein großer Plattenvertrag, die Groupies, die ersten Kontakte zu Drogen, seine Heirat, seine Kinder, dann darf er nach 20 Jahren wieder in Georgia auftreten, und dann ist der Film vorbei. Nach gefühlten acht Stunden. Zwischen diese Stationen schneidet Regisseur Taylor Hackford immer wieder in die Vergangenheit und zeigt uns Szenen mit Rays Mutter, wie sie sich um den langsam erblindenden Jungen kümmert. Stichwort: tough love. Wir sehen den kleinen Ray, wie er seine Welt langsam in Töne einteilt und nicht mehr in Bilder. Und wir sehen den Tod des kleinen Bruders, an dem Ray nicht schuld ist, der aber natürlich trotzdem ein traumatisches Erlebnis war.

Und genau diese Rückblenden haben mich so elend gelangweilt. Einerseits zerteilen sie den Film in schöne, kleine thematische Häppchen, andererseits springt man als Zuschauer ständig von einer Stimmung in die nächste, ohne wirklich mal irgendwo stehenzubleiben. Mal abgesehen davon, dass ich es einfach unglaubwürdig fand, für jede Aktion in der Gegenwart die Vergangenheit als Auslöser oder Entschuldigung zu nutzen. Diese Ruhelosigkeit mag ja Ray Charles’ Charakter widerspiegeln, aber ich glaube, darauf hatte es Hackford gar nicht abgesehen. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass er einfach nicht wusste, was er aus dem vielen Material, das Charles’ Leben nun mal ausgemacht hat, letztendlich nutzen sollte. Der Film konzentriert sich weder richtig auf die Musik noch auf die Blindheit noch auf sein Dasein als Schwarzer noch auf seine Frauen noch auf seine Drogenkarriere. Alles wird kurz angerissen, dann springt man wieder woanders hin, und wenn es zufällig mal passt, kommt man wieder auf eins der Themen zurück. Am liebsten per Rückblende.

Eine davon hat mich wirklich fast dazu gebracht, jetzt doch aus dem Kino zu gehen, worüber ich längere Zeit nachgedacht hatte, weil mir langweilig war, aber meistens kam dann eine hübsche Musikeinlage. Egal. Rückblende: Als Ray sich nach jahrelanger Heroinabhängigkeit dazu entschließt, einen Entzug zu machen, werden wir Zeuge des schmalzigsten Flashbacks ever. Ray steht seiner Mutter gegenüber, die ihm sagt, wie stolz sie auf ihn sei. Ray nimmt seine Brille ab, kann sehen, fängt an zu weinen (Moment, Moment, das reicht noch nicht), und plötzlich steht auch sein kleiner Bruder da und sagt, dass Ray nicht schuld an seinem Tod sei. Alle drei weinen und fallen sich in die Arme. Und Anke saß fassungslos im Kino und ahnte, dass sie diesen Ausschnitt womöglich nochmal während der Oscar-Verleihung erdulden muss.

Die Dialoge haben mir endgültig den Rest gegeben. Kaum einer hat mich überrascht, kaum einer ist mir im Gedächtnis geblieben. Rays Mutter gibt einen guten Ratschlag nach dem nächsten ab, die man sich alle aufs Kissen sticken könnte (“Don’t let anyone make you a cripple”), seine Frau wiederholt Ermahnungen wie eine springende Platte (Hör auf mit den Drogen, komm nach Hause, kümmer dich um deine Kinder yada yada yada), die Fans verkünden unentwegt, wie großartig Ray sei, und selbst seine Produzenten sagen nichts anders außer: Das ist ja nen Ding, Mensch, tolle Sache, dieses Lied da, spiel’s noch einmal, Ray. Lang-wei-lig.

Die guten Seiten von Ray musste ich mir nach Ende des Films rational selbst erzählen, weil ich sie nicht gespürt habe: Das Ensemble ist klasse. Die Farben sind fast zu flirrend, aber irgendwie passt die verschwitzte Atmosphäre ziemlich gut. Und natürlich erzählt der Film viel über ein Amerika, das angeblich vergangen ist, das dem heutigen aber doch nicht so unähnlich ist. Die Fasziniation für Musiker ist geblieben, deren Umgang mit ihren Fans und diversen illegalen Rauschmitteln sicherlich auch, und die „Rassenfrage“ ist noch nicht so weit geklärt, wie man das vielleicht gerne hätte. Trotzdem hat mich der Film völlig kalt gelassen; keiner der Darsteller hat mich emotional erreicht, nicht mal Jamie Foxx, der wirklich großartig ist, aber dem ich trotzdem die ganze Zeit einfach bei seiner Arbeit als Schauspieler zugesehen habe. Wann immer man seine Hände sah, habe ich mich gefragt, ob er selbst spielt, und wann immer er die eigenartige Haltung von Ray Charles nachgemacht hat, habe ich mich gefragt, wie lange er dafür vor dem Spiegel geübt hat, bis es nicht mehr albern, sondern echt aussah.

Vielleicht habe ich Ray deswegen auch nicht gemocht, weil ich erst vor wenigen Tagen einen anderen, biografischen Film gesehen hatte, der mir unerwarteterweise sehr gut gefallen hat: The Aviator. Regisseur Martin Scorsese zerteilt den Film ebenfalls in kleine Abschnitte, aber aus ihnen entsteht ein Fluss, der einen mitnimmt, im Gegensatz zu Ray, wo man jede Trennung merkt. Auch in The Aviator haben wir einen Helden, der gegen seine Dämonen kämpft, aber diese kommen organisch daher und nicht so gebetsmühlenartig aufgesetzt. Und auch in The Aviator haben wir eine Unmenge an biografischen Details. Der Unterschied zu Ray ist, dass sich Scorsese für die seiner Meinung nach wichtigsten entschieden hat, während Hackford irgendwie alles mitnehmen wollte. Und deshalb ist Ray eine komische, unausgegorene Mischung geworden und leider kein Film, bei dem ich staunend auf die Leinwand geschaut habe. Sondern leider nur gequält auf die Uhr.

The Village

The Village (Das Dorf) beschreibt das Leben in einem kleinen Dorf inmitten von Wäldern, die angeblich von Monstern bewohnt werden. Diese verhalten sich ruhig, solange die Dorfbewohner nicht in den Wald gehen. Aber eines Tages werden tote Tiere aufgefunden, und plötzlich schleichen auch rotgewandete Ungetüme durch das Dorf. Gibt es die Monster wirklich? Und wieso attackieren sie plötzlich die Einwohner?

Nach den ganzen miesen Kritiken war ich von The Village positiv überrascht. Klar hat der Film Plotlöcher, die gar nicht zu schließen sind, aber ich fand die gesamte Atmosphäre sehr zwingend. Und da man ja als gewiefter Shyamalan-Gucker immer schon ahnt, dass nichts so ist, wie es aussieht, habe ich natürlich auch den ganzen Film lang gegrübelt, was es denn nun mit den Monstern auf sich haben könnte. Auf die Lösung, die der Film anbietet, bin ich nicht gekommen, und es liegt nun an jedem Zuschauer selbst, ob er diese Lösung einfach hinnimmt oder sie komplett bescheuert findet.

Ich fand sie unglaubwürdig, aber für mich unerwartet und deswegen nicht ganz bescheuert. Mich hat der Film jedenfall überrascht; nicht nur mit dem Ende, sondern auch mit dem Auf und Ab des Gefühls der Sicherheit. Zuerst war ich der Meinung, es gebe die Ungeheuer nicht, sie seien nur eine Legende, um die Kinder vom Wald fernzuhalten. Aber dann laufen sie plötzlich durchs Dorf. Dann habe ich an sie geglaubt, nur um festzustellen, dass es sie doch nicht gibt. Und dann steht auf einmal doch eins vor mir, und ich muss wieder jede Lösung, die ich mir zurechtgelegt hatte, über den Haufen werfen. Und damit auch dieses wohlige Gefühl der Sicherheit und der Überlegenheit, weil ich ja weiß, wie der Film weitergeht. Denkste.

Daher fand ich The Village nicht ganz so übel. Die Farbigkeit von Gelb und Rot als Gut und Böse fand ich zwar ein bisschen überzogen, und ich habe den halben Film darüber nachgedacht, wieso ausgerechnet die Farbe von Liebe und Sexualität eine böse sein soll, aber nun gut. Immerhin hatten mich diese puritanischen Gedanken auf eine völlig falsche Fährte gelockt – ich war schon dabei, die Monster als böse Gedanken der Dorfbewohner anzunehmen und die gelben Kutten als Büßergewänder, aber mit der Interpretation habe ich ja netterweise total daneben gelegen. Die Musik von James Newton Howard hat bei mir wie bei The Sixth Sense auch gut funktioniert – immer wenn sie böse anfing zu fiepsen, habe ich entweder auf Schnellvorlauf geklickt oder den Ton ausgemacht, damit ich mich nicht erschrecke. Das einzige, was mich genervt hat, war die peinliche „Ich will auch mal im Bild sein“-Aktion vom Regisseur, den man so richtig schön lange als Spiegelbild genießen kann. Wenn schon mitspielen, dann bitte so subtil wie Hitchcock.

(Diese Egozentrik nehme ich übrigens auch Peter Jackson übel, den man in allen drei Teilen von Lord of the Rings mehr oder weniger gut erkennt, aber das gehört nicht hierher.)

Ricky Gervais’ Fazit aus stundenlangem History- und Discovery Channel-Gucken:

“Ask me anything about sharks and Nazis.”

(Ricky Gervais 1: Animals. Lieblingszitat aus 2: Politics hier)

„bindungsangst ist trennungsangst, nur einen schritt weiter“

Sagt diese Frau hier. Ich glaub ihr das mal.