Seabiscuit

Seabiscuit
(Seabiscuit – Mit dem Willen zum Erfolg, USA 2003)

Darsteller: Tobey Maguire, Jeff Bridges, Chris Cooper, Elizabeth Banks, Gary Stevens, Kingston DuCoeur
Musik: Randy Newman
Kamera: John Schwartzman
Drehbuch: Gary Ross, nach dem Buch von Laura Hillenbrand
Regie: Gary Ross

Seabiscuit ist ein altmodischer Film. Die Geschichte des viel zu klein gewachsenen Rennpferds Seabiscuit, das zur Zeit der Großen Depression in den USA quasi vor dem Schlachthof gerettet und von einem abgehalfterten Trainer in Form gebracht wird und auf dessen Rücken ein viel zu großer, halbblinder Jockey von Sieg zu Sieg reitet, ist Stoff für großes, betuliches Hollywoodkino. Und genau das ist es auch geworden.

Die Story ist wahr; und wenn sie das nicht wäre, würde ich den Film als ziemlich kitschige Parabel abtun, denn natürlich hat Seabiscuit eine Botschaft. Es geht nicht nur um ein Pferd, das Rennen gewinnt. Es geht um drei Menschen – den Trainer, den Jockey und den Besitzer des Pferdes –, die alle Verluste hinnehmen mussten, die alle bereits am Boden lagen und die alle wieder aufgestanden sind. Und der Grund dafür, dass sie sich selbst noch eine zweite Chance gegeben haben, ist Seabiscuit: ein Pferd, das von seinen Vorbesitzern völlig zuschande geritten wurde und nun ebenfalls eine zweite Chance bekommt – und sie grandios nutzt.

Die Moral ist also klar: Wir können zusammen mehr erreichen. Glaub an dich, auch wenn kein anderer es mehr tut. Gib niemals auf. Was den Film trotz des hehren Anspruchs davor rettet, eine predigende Schnulze zu werden, ist seine sehr einfache, ehrliche, fast zu simple Erzählweise.

Seabiscuit hat viele Momente, die nach Geigen im Hintergrund schreien, nach Zeitlupen, nach Tränen in Großaufnahme – zum Beispiel, wenn Tobey Maguire als Jockey Red Pollard dem Trainer nach einem verlorenen Rennen gestehen muss, dass er seinen Gegner einfach nicht gesehen hat, weil er auf einem Auge blind ist. Man wartet fast darauf, dass diese Szene üppig orchestriert wird, dass die Kamera auf dem aufgewühlten Gesicht von Maguire bleibt – aber das tut sie nicht. Sie überlässt die großen Gefühle dem Zuschauer, anstatt sie plakativ abzubilden, und wendet sich einfach wieder der Geschichte zu. Denn das Leben geht ebenso einfach weiter.

Viele Begebenheiten im Leben der drei Protagonisten werden in kleinen Vignetten, fast beiläufig, abgehandelt, obwohl sie wichtig sind, wie zum Beispiel den Tod von Frankie, dem einzigen Kind von Seabiscuits Besitzer Charles Howard. Oder die Tatsache, dass Red von seinen Eltern an einen Rennstallbesitzer „abgegeben“ wurde, weil sie ihn einfach nicht mehr ernähren konnten. Dinge geschehen, sie schmerzen, sie hallen sehr lange nach, wie wir in weiteren Szenen sehen, aber: Auch hier halten wir uns nicht zu lange auf. Der Film nimmt seine Figuren nicht über die Maßen wichtig. Anstatt sie allzu heroisch darzustellen und sie damit zu überhöhen, dienen sie als glaubhafte Schablone für alle Menschen, die wieder aufstehen, nachdem sie tief gefallen sind.

Die drei Hauptdarsteller sind das Beste, was dieser Geschichte passieren konnte. Sie wirken einfach zeitlos und damit absolut passend. Jeff Bridges als Pferdebesitzer bleibt zurückhaltend und ernsthaft; ihn umgibt stets eine gewisse Traurigkeit, die nur dann verschwindet, wenn er Seabiscuit einer jubelnden Fanmenge vorstellt. In diesen Momenten blitzt die Fröhlichkeit wieder durch, die er schon verloren geglaubt hatte. Chris Cooper ist der verschlossene Trainer, der dann aufblüht, wenn es seinen Pferden gut geht, und der mit vielen kleinen Gesten seinen Charakter wunderbar abrundet. Tobey Maguire überzeugt durch seine eigentümliche gezügelte Emotionalität, die plötzliche Ausbrüche von ihm immer so kraftvoll machen.

Seabiscuit ist Kino der alten Schule: eine große Geschichte, gefühlvoll, aber nicht kitschig inszeniert, eine herzerwärmende Botschaft und dazu wunderbare Bilder, die so gerade eben die Kurve kriegen, bevor sie zu einer Marlboro-Werbung werden. Ein Film, der zwischen den ganzen Megaprojekten dieses Sommers ganz leise daherkommt und doch viel mehr zu sagen hat. Und daher passt zu diesem altmodischen Film auch ein altmodisches Fazit: Seabiscuit ist ein erbaulicher Film. Im absolut besten Sinne.

Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl

Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl
(Fluch der Karibik, USA 2003)

Darsteller: Johnny Depp, Geoffrey Rush, Orlando Bloom, Keira Knightley, Jonathan Pryce
Musik: Klaus Badelt
Kamera: Dariusz Wolski
Drehbuch: Ted Elliott & Terry Russio
Regie: Gore Verbinski

Es gibt Filme, die haben eine Botschaft. Sie sind schwermütig und dauern wahnsinnig lange, und wenn man aus dem Kino kommt, muss man sehr tiefsinnige Gespräche führen, um sich die Wichtigkeit des Sujets noch einmal vor Augen zu führen. Und es gibt Filme, die haben keine Botschaft. Sie sind temporeich und kommen einem daher nicht so lang vor, und wenn man aus dem Kino kommt, kann man viele wunderbare Jokes zitieren, um sich den Spaßfaktor noch einmal vor Augen zu führen.

Pirates of the Caribbean ist ein Film von der zweiten Sorte. Er will keine Message rüberbringen, er will uns nichts über den derzeitigen Zustand unserer Gesellschaft sagen, er will auch keine Zukunftsvision beschwören oder eine vergangene Zeit verklären – er will einfach nur, dass wir uns über zwei Stunden lang verdammt gut amüsieren. Trotzdem hat er eine Geschichte zu erzählen: von alten Flüchen, geheimnisvollen Rettungen, geheimer Liebe und einem sagenhaften Schatz. Und die Story verkommt zur Abwechslung mal nicht zu einem puren Vehikel, um einen Special Effect nach dem nächsten abzufeiern, sondern steht wirklich im Mittelpunkt des Films – bei einem reinen Unterhaltungsfilm auch mal ganz schön.

Die Story des Schiffes Black Pearl und ihrer verfluchten Besatzung ist ein altmodisches Katz-und-Maus-Spiel. Die Verfluchten wollen etwas, die Gegenseite hat es, und ein Mann, der sowohl zur einen als auch zur anderen Seite gehört, wechselt gerne mal das Lager, ohne das seinen jeweiligen Freunden oder Feinden oder gar dem Publikum mitzuteilen. Dieser Mann ist Pirat Jack Sparrow, der Kapitän der Black Pearl, und wird kongenial von Johnny Depp verkörpert.

Depp neigt ja gerne zu den oben angesprochenen Filmen mit Botschaft und Schwermut, aber diesmal hat er sich netterweise für den Spaß entschieden – und das hätte er schon viel früher mal machen sollen. Bei ihm sitzt jede noch so kleine Pointe perfekt; seine Mimik und Gestik, die sowohl durch die Rolle als auch durch seine absolut fummeltrinige Kostümierung sehr leicht ins Peinliche hätten abgleiten können, bleiben immer komisch, anstatt albern zu werden. Sein Timing ist hervorragend, sein angesoffenes Genuschele absolut charmant – und trotzdem blitzt bei dem immer irgendwie neben der Spur wirkenden Kapitän stets noch der eiserne Wille durch, seine Mission zu beenden und sein Schiff wiederzubekommen. Sowohl wir als Publikum als auch seine Gegner – wer immer sie auch gerade sind – machen mehr als einmal den Fehler, ihn zu unterschätzen. Und genau deshalb bleibt Depp in seinem Charakter immer überraschend und immer unterhaltsam.

Der Rest der Besatzung ist weniger plakativ angelegt, schlägt sich aber trotzdem wacker: Oscar-Preisträger Geoffrey Rush wagt auch mal einen Ausflug ins leichte Fach und macht seine Sache ausgesprochen gut. Er verfügt über die nötige Dramatik, seiner Rolle als Oberschurke Nachdruck zu verleihen, ohne sie zu sehr zu überfrachten. Stattdessen hat er die ganze Zeit diesen unangenehm lauernden Unterton in der Stimme, der verdeutlicht, wer hier der wirklich Böse ist. Irgendwie muss man ja einen Unterschied zwischen ihm und Depp machen.

Orlando Bloom als Will Turner (dem die Piraten genau wie Depp ans Leder wollen) bleibt eher blass, wenn er den edlen Retter geben soll, und hat außerdem nur selten die Gelegenheit, sein komödiantisches Talent zu zeigen. Diese wenigen Szenen nutzt er allerdings gut; genau wie seine entführte Angebetete Elizabeth, die von Keira Knightley sehr feminin und trotzdem sehr stark verkörpert wird. Sie muss nicht in der altbackenen Rolle der „damsell in distress“ verharren, sondern darf auch mal um sich schlagen und hat zum Schluss – Gipfel der Modernität in Piratenfilmen – sogar Hosen an!

Überhaupt wirkt Pirates of the Caribbean wie eine gelungene Auffrischung des Genres: Die guten, alten Zutaten wie schwungvolle Fechtduelle, enternde Piraten, der Kampf gegen Wind und Wetter und Dialoge der Marke „Ich hab das größere Schiff“ bleiben. Gleichzeitig halten aber Special Effects Einzug. Die verfluchte Besatzung verwandelt sich im Mondschein in Skelette, deren Anblick auch nach mehrmaligem Hinschauen nicht langweilig wird. Es gibt immer wieder kleine Details, die dafür sorgen, dass der gleiche Effekt jedesmal neu erscheint: ein Running Gag mit einem Glasauge zum Beispiel oder die vielen Möglichkeiten, einen Piraten umzubringen, die aber einem toten Skelett nichts mehr anhaben können.

Der Film ist mit einer Laufzeit von fast zweieinhalb Stunden ein ziemlicher Brocken geworden. Zum Ende hin geht ihm – was die Handlung angeht – ein wenig die Luft aus: Irgendwann reicht das Hin und Her zwischen Gut und Böse dann auch, und man möchte nur, dass Geoffrey endgültig eins auf die Mütze kriegt oder Orlando und Keira endlich mal knutschen. Der Film scheint das sogar selber zu wissen, denn genau dann, als Orlando Keira zum hundertsten Mal hündisch anhimmelt, sie ihre großen Augen aufreißt und wir den beiden fast zubrüllen möchten: „Jetzt küsst euch schon, Herrgott!“, was sie natürlich nicht tun, kommt Johnny Depp ins Bild geschwuchtelt und nuschelt lakonisch: “If you were waiting for the opportune moment – that was it.”

Und so säbelrasselt und schmachtet sich der Film seinem Ende entgegen: Natürlich geht er aus, wie er ausgehen muss, natürlich gibt es einen zweiten Teil, und natürlich wird auch der keine Botschaft haben. Und in diesem Fall muss ich sagen: Glücklicherweise.

PS: Wer wissen will, warum ich mir so sicher bin, dass es einen zweitenTeil geben wird (mal abgesehen von dem Originaltitel, der ja auch schon in diese Richtung weist), der muss bis nach dem langen, langen Abspann sitzen bleiben.

Liegen lernen

Liegen lernen
(D, 2003)

Darsteller: Fabian Busch, Susanne Bormann, Fritzi Haberlandt, Sophie Rois, Anka Lea Sarstedt, Florian Lukas
Musik: Dieter Schleip
Kamera: Florian Hoffmeister
Drehbuch: Hendrik Handloegten, nach dem Roman von Frank Goosen
Regie: Hendrik Handloegten

Es hilft, in den 80er Jahren groß geworden zu sein, um Spaß an Liegen lernen zu haben. Ansonsten sind einem die kleinen historischen Einsprengsel wie die Bemerkungen zur Pershing II-Stationierung, die Wahl von Helmut Kohl zum Bundeskanzler und vor allem natürlich die Tagesthemen am 9. November 1989 ziemlich egal. Wenn man aber selber dabei war, kann man wenigstens kurz dieses sentimentale „Ach ja“-Gefühl genießen, bevor die ansonsten leider relativ belanglose Handlung weiter an einem vorbeizieht.

Liegen lernen erzählt die Geschichte von Helmut, seinem Erwachsenwerden, seiner ersten großen Liebe Britta, die ihm das Herz bricht, und seinen darauffolgenden Liebschaften, die alle nicht funktionieren – der Film behauptet, weil Helmut eben nie über Britta weggekommen ist. Ich behaupte, weil sonst gar nichts in Liegen lernen passiert wäre.

Die Geschichte von „Junge trifft Mädchen“ haben wir ja nun schon wer weiß wie oft gesehen. Sie ist ja auch immer wieder spannend. Eigentlich. Liegen lernen ist leider gar nicht spannend, weil nichts passiert, was wir nicht schon dutzende Male erlebt, in Büchern gelesen oder von Freunden gehört haben. Liegen lernen fühlt sich an, als ob dir jemand seine Lebensgeschichte erzählt: amüsant, durchaus unterhaltsam, aber man fragt sich die ganze Zeit: Was soll das hier werden? Kommt da nochmal ne Überraschung?

Ab und zu wacht Liegen lernen aus seinem gemütlichen Erzählfluss auf, und es geschehen ein, zwei Dinge, über die man sich schon wahnsinnig freut, weil eben mal was passiert. Die sind dann aber nach drei Minuten abgearbeitet, und der Film fährt das Tempo wieder runter. Irgendwann nähert man sich dann entspannt dem Ende, das wir bereits in der ersten Minute ahnen, denn der Film ist eine einzige lange Rückblende mit Voice over, und dann ist eben Schluss. Liegen lernen ist einer dieser Filme, die niemandem weh tun, wo man ab und zu schmunzelt, sich einige Male über einen schönen Satz freut und aus denen man nach anderthalb Stunden rauskommt und sie sofort wieder vergisst.

Es fühlt sich nicht wie verschwendete Zeit an, den Film gesehen zu haben, aber irgendwie wurde ich persönlich die ganze Zeit das Gefühl nicht los, dass ich mich, anstatt ins Kino zu gehen, auch mit einer alten Schulfreundin hätte treffen können, um nochmal darüber zu quatschen, wie aufregend damals die Vorbereitungen zur Abifeier waren. Aber ehrlich gesagt will ich genau darüber nie wieder reden: Die Zeit, in der man alte Schulgeschichten aufwärmt und sich fragt, was eigentlich aus dem Blödmann aus der Parallelklasse geworden ist, ist irgendwann vorbei. Irgendwann sind Schule und Erwachsenwerden einfach Vergangenheit. Die gehört in ein Fotoalbum, in dem man irgendwann aus Langeweile mal wieder blättert, weil man nichts besseres zu tun hat. Und so kam mir leider Liegen lernen vor: wie ein Film, der irgendwie gedreht wurde, weil man gerade nichts besseres zu tun hatte.

Irréversible

Irréversible
(Irreversibel, F 2002)

Darsteller: Monica Bellucci, Vincent Cassel, Albert Dupontel
Musik: Thomas Bangalter
Kamera: Benoît Debie
Drehbuch: Gaspar Noé
Regie: Gaspar Noé

Mir wird ja gerne vorgeworfen, dass ich dem amerikanischen Kino eindeutig den Vorzug vor dem europäischen, insbesondere dem französischen, gebe. Warum das so ist, ist mir gestern abend mal wieder klar geworden, als ich aus Irréversible kam und einfach nur kotzen wollte.

Der neue Film von Gaspar Noé ist im Vorfeld bereits wegen seiner Brutalität kritisiert worden. Besonders zwei Szenen wurden in jedem Artikel erwähnt, den ich zu dem Film gelesen hatte: die, in der Pierre (Albert Dupontel) dem vermeintlichen Vergewaltiger seiner Ex-Freundin Alex (Monica Bellucci) aus Rache den Schädel mit einem Feuerlöscher zertrümmert, und die Vergewaltigungsszene selbst. Ich wusste also, worauf ich mich einlasse, als ich mir die Kinokarte gekauft habe.

Hab ich zumindest gedacht.

Der Film wird nicht linear, sondern rückwärts erzählt. Die einzelnen Szenen sind ohne Schnitt gefilmt, mit teilweise arg wackeliger Handkamera, die ausnahmsweise mal nicht nervt, sondern einen sehr direkt in die Handlung mitnimmt. Der sehr gute Ton ist das Bindeglied zwischen den Szenen und macht den jeweiligen Zeitsprung nicht ganz so unvermittelt.

Diese Sätze habe ich gestern noch im Kino im Kopf vorformuliert, denn nach der Feuerlöscherszene, die ziemlich am Anfang kommt, wollte ich das Geschehen auf der Leinwand emotional nur noch so weit wie möglich von mir wegkriegen. Schon beim Schädelzertrümmern habe ich kaum noch hingeguckt – der Ton hat gereicht – und mich gefragt, wie man ohne Schnitt so blutige Effekte hinkriegt. Das mit dem Nicht-an-sich-Ranlassen hat die nächsten 20 Minuten auch wunderbar geklappt. Bis zur Vergewaltigungsszene.

Die hört nämlich einfach überhaupt nicht mehr auf. Ich hab irgendwann nur noch die Augen zugemacht, mir die Ohren so gut es ging zugehalten, in meine wohlweislich ausgewählte Kuscheljacke geheult und mir überlegt, jetzt sofort aus diesem Film zu gehen. Das einzige, was mich dazu bewogen hat, im Kino zu bleiben, war abstruserweise das Wissen, dass nach dieser Szene nichts Schlimmes mehr passiert.

Und so hab ich den Film eben bis zum glücklichen Ende geguckt, das ja blöderweise der Anfang ist; das heißt, dass all das Fürchterliche, von dem ich geglaubt habe, dass es vorbei ist, erst noch passieren wird.

Ich bin jetzt etwas ratlos. Ich kann nicht sagen, dass ich den Film gut fand, denn „gut“ bedeutet bei mir immer, dass er Spaß gemacht hat. Irréversible macht sowas von überhaupt keinen Spaß, und selbst die technischen Details, an denen ich mich entlanggehangelt habe wie gute Kamera, guter Ton, gute Darsteller etc können nicht die Tatsache ungeschehen machen, dass a) die Story total banal ist und b) ich mit der Vergewaltigungsszene das bisher Widerlichste und Schmerzhafteste gesehen habe, was mir je auf einer Leinwand untergekommen ist.

Außerdem weiß ich immer noch nicht, was mir Noé mit dem Film eigentlich sagen wollte. Der „großartige“ Schlusssatz, der in blutroten Lettern eingeblendet wird (und der nebenbei auch einer der ersten Sätze ist, die im Film gesprochen werden): „Le temps détruit tout – Die Zeit zerstört alles“ versucht meiner Meinung nach eine arg billige Rechtfertigung für diesen Splatterfilm zu sein. Eine ziemlich simple Geschichte dadurch zu Philosophie zu erklären, in dem sie rückwärts erzählt und durch bisher ungesehene Brutalität visualisiert wird, ist in meinen Augen nur eine peinliche Ausrede. Und nebenbei: Nicht die Zeit zerstört alles, sondern die Menschen.

Ich möchte immer noch an das Gute im Menschen glauben, und vielleicht macht es mich deswegen doppelt fertig, wenn ich Filme wie Irréversible sehe, in denen Menschen einfach bösartig sind, maßlos, haltlos, ohne, dass man etwas dagegen tun kann. Ich weiß es nicht. Ich gebe zu, dass mich der Film sehr verstört zurückgelassen hat, und ich weiß auch nicht, ob ich ihn weiterempfehlen soll. Ich kann nicht mal mehr meine eigenen Gründe nennen, ihn gesehen haben zu wollen. Außer, dass ich eben das Gefühl hatte, ihn gerne sehen zu wollen.

Wenn ich dieses Gefühl nochmal haben sollte, haut mir bitte eine rein und schleppt mich danach schnellstmöglich in einen amerikanischen Popcorn-Film. Wirklich. Ich will sowas nie wieder sehen. Und auch wenn der Film auf Dutzenden von Festivals ausgezeichnet wurde – wenn ich ins Kino gehe, will ich ganz naiv, dass die Bösen eins auf die Fresse kriegen und nicht die Guten. Ich will nicht auch noch im Kino in Großaufnahme mitkriegen, mit welchen Irren ich mir diesen Planeten teilen muss. Da reicht die Tagesschau schon völlig.

The Recruit

The Recruit: Nothing is what it seems. Jajaja, auch schon tausendmal gehört: die Story von den Guten, die vielleicht doch die Bösen sind oder auch nicht oder doch oder … das übliche Katz-und-Maus-Spiel ist immerhin solide inszeniert und halbwegs spannend, auch wenn das Ende nicht wirklich überrascht. Aber sowohl Al Pacino als auch Colin Farrell halten sich ausnahmsweise mal zurück und sind mir daher nicht so auf die Nerven gegangen wie sonst. Insofern: War okay.

Far From Heaven

Far From Heaven (Dem Himmel so fern): klassisches Melodrama im Stil der 50er Jahre. Soll eine Hommage sein an Tearjerker wie All that heaven allows, und das klappt auch. Julianne Moore reißt die ganze Zeit über entgeistert ihre Äuglein auf, Dennis Haysbert ist der viel zu gute Samariterschwarze, das Set und die Kostüme sehen aus wie eine perfekt gelackte Postkarte aus den 50ern … aber alles zusammen war mir ein bisschen zuviel. Der einzige Charakter, der mich wirklich gefesselt hat, war Dennis Quaid als Ehemann, der seine verborgene Homosexualität entdeckt. Die Story hätte ich viel spannender gefunden als die der weißen Hausfrau, die sich in ihren schwarzen Gärtner verliebt. Leider wird sie komplett als Hintergrundrauschen verschenkt.

Ich fand den Film sehr behutsam erzählt, sehr stimmig und ausgezeichnet musikalisch unterlegt, aber die Frage, die sich mir die ganze Zeit aufdrängte, war: Was soll das alles? Wozu brauche ich heute noch eine Erinnerung daran, wie spießig die 50er Jahre waren? Ja, die Botschaft habe ich schon mitgekriegt: Natürlich gibt es auch heute noch bigotte Schwachköpfe, aber wenn man einzig und allein diesen Punkt machen will, kann man dann die Story nicht auch im Heute spielen lassen?

National Security

National Security: Ich mag Steve Zahn, und ich kann Martin Lawrence irgendwie ertragen, aber der Film ging gar nicht. Nach zehn Minuten war ich genervt, nach 20 hab ich ihn ausgemacht. Da war der Trailer wieder mal das beste am Ganzen.

Once Upon A Time In Mexico

Once upon a time in Mexico (Irgendwann in Mexiko): äh – nein. Mir ist mitten im Film eingefallen, dass ich mal versucht habe, Desperado zu gucken und es nicht durchgehalten habe. Mir ist ebenfalls eingefallen, warum: weil ich komplett hirnloses und auch noch langweilig inszeniertes Rumgeballere einfach nicht leiden kann. Ich fand ja schon From Dusk Till Dawn doof, und da war wenigstens George Clooney dabei. Antonio Banderas dagegen mochte ich noch nie, und dann gibt in Mexico ausgerechnet auch noch Milchfresse Enrique „Muttermal“ Iglesias als Mariachis Kumpel sein Schauspieldebüt. Immerhin hat er zwei Gesichtsausdrücke: „Konzentriert in die Ferne gucken“ und „Konzentriert in die Ferne gucken und dabei den Mund offen lassen“.

Johnny Depp ist natürlich klasse, aber selbst der konnte mich nicht davor bewahren, bei Schmerzdialogen der Marke „Are you a Mexican oder a Mexican’t?“ laut aufzustöhnen. Und ich ahne fast, dass sich die deutsche Synchronisation nicht entblödet, das Ding mit „Bist du ein Mexikanner oder ein Mexikannernicht?“ zu übersetzen. Wenn ich keine Begleitung gehabt hätte, die sich augenscheinlich amüsiert hat, wäre ich schnell zu Orlando und Johnny in die Karibik im Nachbarsaal gehuscht. Darüber müssen wir übrigens noch mal dringend reden, Herr Kinobegleitung.

Jackass: The Movie

Jackass: The Movie: Mind-numbingly funny. Yeah, dude!

Daredevil

Daredevil: nee, hat nicht ganz hingehauen. Der Film versucht größtenteils, der Marvel-Vorlage zu entsprechen, zum Beispiel mit Colin Farrell als absolutem Abziehbildbösewicht, inklusive wirrem Blick, fanatischem Lachen und affigstem Branding auf der Stirn. Ben Affleck dagegen wirkt sehr ernsthaft als gebrochener Superheld, und dabei gefällt er mir persönlich viel besser als die überzogene Comic-Haftigkeit. So schwankt der Film die ganze Zeit zwischen plakativ und gefühlvoll und kriegt keine der Stimmungen richtig hin.

Aber Herr Affleck hat bei mir komischerweise ausgerechnet mit dieser Deppenrolle Punkte gesammelt, die er durch Gurken wie Pearl Harbor oder Armageddon verspielt hatte. Ich wünsche mir von ihm noch einmal – einmal! – so einen Moment wie in Good Will Hunting, wo er bei Matt Damon an die Tür klopft, ihm niemand öffnet und sich in seinem Gesicht gleichzeitig die Erleichterung darüber, dass sein Freund den Absprung geschafft hat und die bittere Erkenntnis, dass er selbst es wohl nie hinkriegen wird, widerspiegelt. So schön.

The Big Kahuna

The Big Kahuna (Ein dicker Fisch): sehr, sehr, sehr dialoglastiges Filmchen mit Kevin Spacey und Danny de Vito als zwei Geschäftsmänner, die unbedingt einen Gönner für ihr Unternehmen an Land ziehen wollen. Der Film will uns irgendeine Botschaft vermitteln über Ehrlichkeit, Träume, Glauben, Vertrauen, Freundschaft und weißderGeier was noch, aber man hat schon nach 30 Minuten eigentlich keine Lust mehr zuzugucken, weil alles in banalste Worthülsen verpackt wird und de facto gar nichts passiert. Dass ich den Film trotzdem zu Ende geguckt habe, ist nur Mr. Spacey zu verdanken, der mir auch das Telefonbuch vorlesen könnte – ich würde es hören wollen.

Harrison’s Flowers

Harrison’s Flowers: Die Story ist ziemlich daneben: David Strathairn spielt Fotoreporter Harrison Lloyd, der im Jugoslawien-Krieg angeblich umkommt. Seine Frau Sarah (Andie McDowell) glaubt das nicht und setzt sich mal eben ins Flugzeug, um selber nach ihm zu suchen. Sie gerät natürlich mitten in die Kriegswirren, und so wandelt sich der Film vom betulichem Familienkino zu einem Hardcore-Kriegsfilm mit einer Menge Metzeleien und viel Blut. Ich hätte mir gewünscht, dass es so bleibt, obwohl der Film einem schon viel abverlangt; der Krieg wird sehr grafisch und wahrheitsgetreu als ein völlig sinnloses, brutales, abscheuliches Morden dargestellt. Oder wie Lichtblick Adrien Brody es passend ausdrückt: „There are no good guys.“

Meiner Meinung nach wäre es ein passendes Ende gewesen, wenn Sarah ihren Mann nicht gefunden hätte, aber natürlich tut sie das, und natürlich kriegen sie und ihre Helfer ihn heile nach Hause, und natürlich wird er wieder völlig gesund, und sogar sein Sohn hat ihn plötzlich lieb, obwohl der vorher eher distanziert war.

Ich gestehe dem Film einen ziemlich eindrucksvollen Mittelteil zu, auch wenn der durch seine gute Absicht ziemlich lang geraten ist. Aber was diese absolut bescheuerte Rahmenhandlung sollte, weiß ich wirklich nicht.

Things You Can Tell Just By Looking At Her

Things you can tell just by looking at her (Gefühle, die man sieht): sehr gefühlvoller (sic!) Film, der in einzelnen, lose verbundenen Episoden ein kurzes Schlaglicht auf das Leben von mehreren Frauen wirft. Der Film wartet mit einer Menge Starpower auf: Holly Hunter, Cameron Diaz, Glenn Close, Calista Flockhart, Kathy Baker, Valeria Golina, Matt Craven und Gregory Hines geben sich die Ehre und spielen sich die Seele aus dem Leib. Leider ein bisschen vergebens.

Die Episoden funktionieren wie Kurzgeschichten, die alle einen (ich mag dieses Wort nicht, aber es passt) bittersüßen Nachgeschmack hinterlassen. Das Dumme ist nur: Kaum hat man sich an eine Geschichte gewöhnt, ist sie zu Ende und die nächste beginnt. Um keinen völligen Bruch zu begehen, sind alle Episoden locker, fast zufällig miteinander verknüpft. Das ist zwar eine hübsche Idee, rettet mich als Zuschauer aber nicht davor, mehrmals aus einer gerade etablierten Stimmung gerissen zu werden.

Die Storys selber sind zwar erfrischend zuckergussfrei, manchmal aber fast zu spröde, um Emotionen zu wecken. Trotzdem ein Genuss, einfach mal wieder unprätentiöse Darbietungen großartiger Schauspieler zu sehen, allen voran die wundervolle Holly Hunter.

Life or Something Like It

Life or Something Like It: Hey, Regisseur Stephen Herek, wenn du schon zum hundertsten Mal die laue Story von „Karrieremensch hat noch eine Woche zu leben und ändert daraufhin alles“ aufwärmst, dann doch bitte mit ein bisschen mehr Motivation, einer weniger aufblondierten Angelina Jolie und mit weniger verschenkten Nebencharakteren. Das kannst du doch besser. Und außerdem sollte sowieso niemand jemals wieder mit Edward „Überschätzt“ Burns drehen.

The Magdalene Sisters

The Magdalene Sisters (Die unbarmherzigen Schwestern): kleine, feministische Geschichtsstunde über drei junge Frauen, die von ihren Eltern in eine der so genannten Magdalene Laundries geschickt wurden. In diesen klösterlichen Wäschereien im Irland der 60er Jahre sollten Mädchen und Frauen wieder auf den angeblichen Pfad der Tugend gebracht werden: mit harter Arbeit von früh bis spät und keiner Chance, den Mauern des Konvents zu entkommen. Die „Sünden“, die diese Frauen begangen hatte, waren: uneheliche Kinder bekommen zu haben, vergewaltigt worden zu sein oder auch nur das Pech, hübsch und weiblich zu sein. Die Magdalene Laundries gab es bis 1996, und bis dahin sind tausende junge Frauen einfach in diesen Klöstern verschwunden.

Den historischen Background braucht man nicht unbedingt, denn der Film erzählt das Schicksal seiner drei Hauptfiguren sehr unmittelbar; manchmal fast ein wenig zu sehr in Gefängnismanier, wenn die diktatorische Ordensvorsteherin in Großaufnahme Geld zählt oder ihren Schäfchen brutal den Kopf rasiert. Die Charaktere bleiben seltsam schablonenhaft; man hat das Gefühl, derlei Wesenszüge schon oft genug gesehen zu haben, um wirklich mitzuleiden. Trotzdem bleibt der Film bemerkenswert, denn er erzählt eine Geschichte religiösen Irrglaubens, der eben nicht im Mittelalter stattfand, sondern quasi vorgestern, und wartet zudem mit Schauspielerinnen auf, die auch die Klischeerollen mit Leben zu erfüllen wissen.