Punch-Drunk Love

Punch-Drunk Love
(USA, 2002)

Darsteller: Adam Sandler, Emily Watson, Philip Seymor Hoffman, Luis Guzmán
Drehbuch: Paul Thomas Anderson
Kamera: Robert Elswit
Musik: Jon Brion
Regie: Paul Thomas Anderson

Manche Dinge passieren einfach. Autounfälle. Geburtstagspartys. Missgeschicke. Herzensangelegenheiten. Und manchmal steht auch einfach ein Harmonium vor deiner Tür und wartet darauf, dass du es spielst. Solche Dinge passieren, und keiner fragt, warum. Wozu auch? Es würde nichts daran ändern, dass sie passiert sind.

In Punch-Drunk Love, dem neuen Film von Paul Thomas Anderson, passieren genau solche Dinge. Bis jetzt hatte ich in seinen Filmen (Boogie Nights, Magnolia) immer das Gefühl, dass er so fasziniert von der Menschheit und all ihren seltsamen Eigenarten ist, dass er sie sehr neutral und distanziert von außen betrachtet. In beiden Werken fühlte ich mich als Zuschauer immer wie ein, ja, Zuschauer, wie jemand, der bis an den Rand des Löwenkäfigs darf, aber keinen Schritt weiter – es könnte mir ja etwas passieren.

In Punch-Drunk Love gibt es keine Barrieren mehr. Anderson wirft uns mitten hinein in das skurrile Leben von Barry Egan (überraschenderweise sehr passend: Adam Sandler), dessen Schwestern ihn verkuppeln wollen, dessen Job ein Witz ist und der seinen Schwager, einen Zahnarzt, um Hilfe bei seinem Problem bittet, dass er sich selber manchmal nicht mag und aus keinem ersichtlichen Grund zu weinen anfängt. Und Anderson sitzt nun am Rand des Löwenkäfigs von Barrys Leben, und er schaut uns, den Zuschauern, erwartungsvoll dabei zu, was wir mit diesem Leben, dieser Story und diesem Film machen: Umarmen wir den Löwen oder fliehen wir? Lassen wir uns ein auf eine gefühlvolle, sehr intensive und im Endeffekt heillos romantische Geschichte? Oder sezieren wir das Ganze, distanzieren uns von seinen Hauptdarstellern und versuchen wir, in diesen Film eine Logik zu bringen? Versuchen wir etwa gerade, Antworten zu finden: Warum passiert dieses und jenes? Es wird nicht funktionieren. Und das soll es erst einmal auch gar nicht.

Adam Sandler ist in fast jeder Szene im Bild, und wenn wir ihn nicht sehen, wissen wir ihn doch mindestens im Hintergrund oder am anderen Ende einer Telefonleitung. Wir sitzen ihm quasi die ganze Zeit im Nacken, als er sich in Lena (die wundervolle Emily Watson) verliebt und sich gleichzeitig einer Erpressung von einem Telefonsexanbieter erwehren muss. Diese beiden Dinge, die ihm passieren, spiegeln ein Spektrum menschlicher Gefühle en miniature wider: die überwältigende Großherzigkeit der Liebe und die brachiale Skrupellosigkeit der Gier. Beiden Dingen begegnet Barry mit seiner eigenen, kindlichen, ehrlichen Art, und bei beiden findet er eine ganz einfache Lösung, die komischerweise nicht deplatziert wirkt, weil sie eben dieser seiner eigenen Art entspricht. Und beide Lösungen sind gut und hoffnungsvoll und damit unerwartet. Wir kennen aus unserem eigenen, wahren Leben genug Enttäuschungen und Schmerzen; die muss auch Barry erfahren, aber er befreit sich aus diesen Zwängen, diesem „So ist das Leben eben“, kämpft seinen eigenen, simplen Kampf – und gewinnt. Und wir können es fast nicht glauben, wir warten immer noch darauf, dass das Böse wieder zurückkommt – aber das tut es nicht. Denn Barry hat eine Gefährtin gefunden und mit diesem geliebten Menschen eine Stärke, die ihn unverwundbar macht gegenüber aller Realität.

Manchmal sind wir fast zu nahe an diesen beiden Menschen dran, und das sind die Momente, in denen uns klar wird, wie groß und unheimlich und gleichzeitig unerwartet wundervoll das Leben sein kann. Das sind im Film die Momente, in denen ich mich wirklich erschreckt habe, weil ich mit dem, was auf der Leinwand passiert, überhaupt nicht gerechnet habe. Aber das sind eben auch genau die Momente, die das wahre Leben ausmachen.

Manchmal küsst es dich, und manchmal reißt es dir das Herz aus dem Leib; manchmal stärkt es dir den Rücken, und manchmal bricht es dir das Kreuz. Aber ganz egal, was das Leben mit dir und mit Barry und mit Lena macht – es lässt sich nicht aufhalten. Es passiert einfach. Und man fragt nicht, warum.

Aber irgendwo im Hinterkopf erwartet man vielleicht trotzdem eine Antwort auf die vielen ungestellten Fragen. Und wer das Glück hat, den Menschen auf der Welt zu finden, dem man plötzlich alle diese Antworten geben kann, wer also diesen einen Menschen gefunden hat, für den ist das Leben plötzlich mehr als nur eine Story, ein Film, eine Aneinanderreihung von Dingen, die passieren. Für den ist es ganz plötzlich: ein Leben. Mit allen überwältigenden, Angst einflößenden, großartigen Momenten und Antworten und Möglichkeiten, die nur das Leben und die Liebe haben können.

Herr Wichmann von der CDU

Herr Wichmann von der CDU
(D, 2003)

Drehbuch und Regie: Andreas Dresen
Kamera: Andreas Höfer

Henryk Wichmann ist 25, Jurastudent und CDU-Kandidat für die Bundestagswahl 2002. Er tritt in der Uckermark an, ein von Gott und der Wirtschaft verlassenes Fleckchen in der Nähe von Berlin. Sein Gegenkandidat ist Markus Meckel, SPD, und sicherer Sieger in diesem Wahlkreis. Der Regisseur Andreas Dresen (Halbe Treppe) hat ihn im Monat vor der Bundestagswahl auf seinem Wahlkampf mit der Kamera begleitet.

Ich erinnere mich an den letzten Dokumentarfilm, den ich gesehen habe. Das war Bowling for Columbine, und ich habe ihn damals zerrissen: weil ich ihn falsch fand, zeigefingerig, laut, manipulativ. Ich finde es sehr schön zu sehen, dass es anscheinend auch noch andere Dokumentarfilme gibt, die genau diese Adjektive nicht verdient haben.

Herr Wichmann von der CDU kommt ohne Musik aus, ohne Interviews mit den Mitwirkenden, ohne hektische Schnitte, ohne Off-Kommentar. Wir erleben einfach einen jungen Politiker, der sich bemüht, seinem Wahlvolk seine Ideen zu erläutern. Wir begleiten ihn in Fußgängerzonen, auf Stadtfeste, auf Kundgebungen mit der Bundesparteiprominenz und erleben zum Schluss seine von vornherein sichere Niederlage gegen den übermächtigen Kandidaten. Und das schöne dabei: Selbst wenn wir keine Freunde der politischen Ausrichtung von Herrn Wichmann sind, selbst wenn wir uns einen Dreck für Politik interessieren, selbst wenn uns Henryk Wichmann vielleicht unsympathisch ist – wir finden ihn nie albern. Und das ist meiner Meinung nach ein großer Verdienst von Andreas Dresen, der sein Sujet nie der Lächerlichkeit preisgibt, was einfach, sehr einfach gewesen wäre.

Wichmann ist kein aalglatter Politprofi. Natürlich beherrscht auch er nach Jahren im Kreistag die Kunst, aus jedem Satz, den ein Passant ihm entgegenwirft, ein Stück seines Parteiprogramms zu drechseln. Natürlich weiß er, wem er wie nach dem Mund reden muss, um denjenigen wenigstens für einen Augenblick auf seine Seite zu bekommen. Aber er wirkt dabei nie abgebrüht, nie haben wir das Gefühl, da ist jemand, der bloß üppige Diäten im Bundestag abgreifen will. Auch wenn sein Slogan „Frischer Wind für die Politik“ noch so ausgelutscht ist – er scheint hinter ihm zu stehen. Er will anscheinend wirklich etwas verändern, und er glaubt daran, es schaffen zu können. Deswegen steht er sich die Füße unter seinem CDU-Sonnenschirm platt und redet mit jedem, der sich eigentlich nur für seine Kugelschreiber interessiert. Und deswegen wirkt er auch nie lächerlich oder künstlich; er ist ernsthaft bestrebt, eine Botschaft an seine Wähler zu bringen.

In einigen Momenten ist er aber eben doch noch unerfahren oder einfach zu jung. Wenn zum Beispiel die Bewohner eines Altenheimes ihm zwar brav zuhören, wenn er über die große Politik redet, aber aus ihren Antworten klar wird, dass sie eigentlich ganz andere Dinge beschäftigen. In diesen Momenten ist Wichmann kein Politiker mehr, sondern nur ein sehr junger Mann, der vor der absoluten Hoffnungslosigkeit des Alters kapituliert. Da wirken seine Sprüche von Aufschwung und dem viel beschworenen frischen Wind sehr, sehr einsam. Und der Film kommentiert auch hier nicht, gibt weder die Alten noch den Jungen preis, sondern lässt sie beide in ihrer Einzigartigkeit wirken.

Herr Wichmann von der CDU ist unterhaltsam, wenn man Anhänger einer anderen Partei ist, weil man sich dann genüsslich zurücklehnen und dem Jungspund beim Scheitern zusehen kann. Aber selbst dann bleibt ein Gefühl der Achtung vor Wichmann zurück. Eine Achtung vor der Aufgabe, der er sich stellt, von der Ehrlichkeit, die er noch besitzt, und gleichzeitig vor seiner Kraft, einen von vornherein aussichtslosen Kampf zu führen. Diese Achtung transportiert der Film, ohne uns in diese Richtung zu schubsen. Auch das ein angenehmer Kontrast zu gewissen anderen Dokumentationen.

Was bleibt, ist eigentlich nur die Frage: Wieso lässt sich ein Politiker beim Wahlkampf filmen? Es war klar, dass der Film ihm vor der Bundestagswahl keine entscheidenden Stimmen bringen würde, keine zusätzliche Medienpräsenz. Vielleicht wollte Wichmann einfach seine ganz persönliche Stellungnahme gegen die Politikverdrossenheit aufzeichnen. Ein Dokument, um sich selber davon zu überzeugen, dass es richtig ist, was er tut. Denn auch ihm muss klar gewesen sein, dass er gegen Meckel nicht den Hauch einer Chance gehabt hat.

Bei mir hat das funktioniert. Ich werde auch beim nächsten Mal nicht die CDU wählen. Ich habe auch nicht mehr Verständnis für einige der Programmpunkte bekommen, die Wichmann so eloquent aufzählt. Aber ich habe wieder ein bisschen mehr Respekt vor dem Beruf des Politikers, ganz gleich, welcher Ausrichtung. Denn wir begegnen im Film auch Vertretern des weiteren politischen Spektrums – und die sehen in ihrem Bemühen um Wählerstimmen ganz genauso aus wie Herr Wichmann von der CDU.

Donnie Darko

Donnie Darko: Ja, ich geb’s zu, ich hatte ihn noch nie gesehen. Aber so großartig, wie ich ihn mir nach den ganzen Vorschusslorbeeren vorgestellt habe, ist er dann doch nicht. Ich weiß nicht, warum Darko immer in einem Atemzug mit Requiem for a Dream genannt wird, den ich um Klassen besser fand; wahrscheinlich, weil beide Webseiten zu den Filmen so seltsam sind und ziemlich ähnlich funktionieren (hier die zu Requiem und hier die zu Darko). Den Film selber fand ich schon recht spannend, und ich mag grundsätzlich Filme, bei denen ich mich alle 20 Minuten frage, wo es denn jetzt bitte hingehen soll. Aber die Auflösung ist natürlich ein totales Drehbuchloch, wie so ziemlich alle Zeitreise- und Paralleluniversumsfilme das eben sind.

Ich fand eben diese Auflösung ein wenig zu überambitioniert, um das eigentliche Thema des Films – die üblichen Pubertätsproblematiken: Wer bin ich; keiner versteht mich; wenn man mich lassen würde, könnte ich die Welt ändern – zu beenden. Jedenfalls hab ich den Film so gesehen. Deswegen fand ich die eine kurze Szene zwischen Jake Gyllenhaal und Mary McDonnell so schön, als er halb verzweifelt, aber eher kokettierend fragt: “How does it feel to have a wacko for a son?” und die Mutter ihm jeden Wind aus den Segeln nimmt mit ihrer elternweisen Antwort: “Wonderful.”

Die Stimmung des Films fand ich sehr schön, sehr beklemmend und sehr einzigartig. Und der wunderbare Tears for Fears-Heuler Mad World in der Coverversion von Gary Jules bleibt mir sicher auch noch sehr lange im Ohr.

One Hour Photo

One Hour Photo: ziemlich nettes Regiedebüt von Videogott Mark Romanek über einen Angestellten eines Schnellfotoservices, der sich in die heile Welt der Leute fantasiert, die auf den Fotos sind, die er entwickelt.

Sehr stimmige Bilder, schöne Farbwechsel, die die einzelnen Welten, in denen der Film spielt, klarmachen (und zwar weniger platt als in Traffic) und dazu ein in seiner Unscheinbarkeit sehr überzeugender Robin Williams. Die Story selber ist relativ vorhersehbar, aber trotzdem ist man ziemlich gefesselt von der Stringenz, mit der sie erzählt wird.

Ich war zum Schluss ziemlich dankbar dafür, dass nicht Quentin Tarantino den Film gedreht hat – der hätte wahrscheinlich ein ziemliches Blutbad angerichtet. Aber gerade die Tatsache, dass das nicht passiert ist (“I just took pictures!”) hat den Film für mich gut gemacht. Keine blöde Splatterauflösung, sondern eine, die den Charakteren entspricht. Schön. Nicht weltbewegend, aber schön.

Aber wo, verdammt, ist der Bindestrich im Titel geblieben? Das müsste doch One-Hour Photo heißen. Genau wie dieser eklige Spinnenfilm Eight-Legged Freaks heißen muss und nicht Eight Legged Freaks. Mir doch egal, ob da acht komische Freaks Beine haben. Kleines Grammatik-Genöle am Rande. Ach so, Freaks hatte auf Deutsch den wunderbaren Titel Arac Attack. Ich sag gar nichts mehr.

Divine Secrets of the Ya-Ya Sisterhood

Divine Secrets of the Ya-Ya Sisterhood (Die göttlichen Geheimnisse der Ya-Ya-Schwestern): Uärgx, igitt, nie wieder. Frauenfilme, die in den Südstaaten spielen und mit „I love you, Mama“ „ I love you, too, sunflower“ aufhören, sollten einfach verboten werden. Und Sandra Bullock, Ashley Judd, James Garner und Ellen Burstyn müssten es eigentlich besser wissen. Die machen den Job doch auch nicht erst seit gestern. Widerlicher Zuckerschleim. In die Tonne. Und komm bloß nie wieder raus.

How to Lose a Guy in 10 Days

Und dann war ich noch im Kino: How to Lose a Guy in 10 Days (zum Kotzen unelegant übersetzt mit Wie werde ich ihn los – in 10 Tagen?) mit Kate Hudson und – Achtung – Schnuckelchen Matthew McConaughey.

Darüber ne lange Kritik zu schreiben, lohnt sich nicht wirklich. Die Kurzfassung: och naja. Kate Hudson ist nicht wirklich komisch, nur niedlich, und Matthew genauso. Die einzigen Pointen, die wirklich richtig gut funktioniert haben, kamen von Adam Goldberg, der den Arter zum Texter McConaughey spielt. Werberpack – die sind im Film immer eklig. Und viel zu gutaussehend.

Der Film hatte eine nette Grundidee (beide schließen unabhängig voneinander Wetten ab: Sie will einen Kerl in zehn Tagen loswerden, er in zehn Tagen ein Mädel dazu kriegen, sich unsterblich in ihn zu verlieben), die walzt er einen Hauch zu lange aus, und zum Schluss kriegen die beiden sich natürlich.

Ich hab mich nicht wirklich gelangweilt, war aber auch nicht zu Tränen gerührt. Aber immerhin hat Matthew zweimal sein Hemd ausgezogen. Passt schon.

The Core

The Core
(The Core – Der innere Kern, USA 2003)

Darsteller: Aaron Eckhart, Hilary Swank, Stanley Tucci, Delroy Lindo, Alfre Woodard, Bruce Greenwood
Drehbuch: Cooper Layne, John Rogers
Kamera: John Lindley
Musik: Christopher Young
Regie: Jon Amiel

Hm. Ja. Hm. Ich hab mir also The Core angeguckt. Hm. Und ich hab mich die ganze Zeit gefragt, was ich bloß nachher darüber schreiben soll, denn den Film selber kann man so nebenbei im Kopf mitlaufen lassen. Er erfordert nicht wirklich absolute geistige Anwesenheit. Hm.

Gehen wir doch mal ganz pragmatisch vor. Woran hänge ich sonst meine Kritiken auf? An der Story. An den Darstellern. An der filmischen Umsetzung. Am Anspruch. Dann wollen wir mal.

Die Story (die uns Aaron Eckhart als Uni-Professor mit Hilfe eines Pfirsichs und einer brennenden Sprühdose demonstriert – danke, wäre sonst auch echt zu schwer zu kapieren gewesen): Der innere Kern der Erde hat aufgehört zu rotieren. Dadurch bricht das elektromagnetische Feld um die Erde zusammen. Innerhalb dreier Monate nach dieser Entdeckung werden Stürme aus Elektrizität auf der Erdoberfläche beginnen, und dazu fangen böse, böse Mikrowellen an, den Planeten zu grillen. Innerhalb eines Jahres ist die Sache bzw. die Erde dann durch. Lösung: Ein „Schiff“ mit sechs Besatzungsmitgliedern an Bord stößt ins Innere der Erde vor, um dem Kern mit einer Menge Atombomben einen kleinen Schubs zu geben und ihn damit wieder zum Laufen zu bringen. Und danach ist alles wieder gut.

Okay. Die Story kannte ich ja schon vorher, daher habe ich mir auch überhaupt keinen Kopf um die völlig schwachsinnigen pseudowissenschaftlichen Grundlagen der Geschichte gemacht. Bei Filmen dieser Art, heißen sie The Core oder auch Armageddon oder Independence Day, sollte man das sowieso nienienie tun. Damit ruiniert man sich höchstens zwei komplett anspruchslose Stunden im Kino. Was aber Armageddon und ID4 „besser“ gemacht hat als The Core, ist leider die Tatsache, dass sie viel schlechter waren.

The Core kann mit ziemlich guten Schauspielern aufwarten, was man von den anderen beiden Filmen nicht wirklich behaupten kann. Der Prince von Bel Air rettet die Welt? Ben „Weichei“ Affleck als knallharter Pilot? Blödsinn. Aber genau das hat die beiden Filme so entspannt gemacht. Sämtliche Charaktere waren so dermaßen überzeichnet und haben einen Macho- oder Platitüden-Dialogsatz nach dem anderen von sich gegeben, dass man sie nie ernst genommen hat und sich so gemütllich von einem Special Effect zum nächsten hangeln konnte, bis nach zwei Stunden das Popcorn alle war und man endlich was trinken gehen konnte.

Die Besetzung aus The Core spielt sonst eher in Filmen der etwas gehoberenen Klasse mit (allen voran Oscarpreisträgerin Hilary Swank); daher hatte ich immer das Gefühl, dass sie versuchen, ihr Können trotz der Story unter Beweis zu stellen. Und das hat das ganze so seltsam unausgegoren gemacht.

Ich kam jedenfalls sehr zwiegespalten aus dem Kino. Normalerweise finde ich die absolute Eindimensionalität der Charaktere in Actionspektakeln sehr erfrischend, weil man so keine unnötigen Tränen vergießt, wenn einer nach dem anderen auf den kruden Missionen dahingerafft werden. Wenn aber Aaron Eckhart versucht, seinem Freund im Tode beizustehen, dann bricht einem dabei das Herz, denn da ist auf einmal echtes Gefühl in den Pappkulissen, und man wünscht sich fast, er könne nicht so gut schauspielern und seine Rolle hätte noch weniger Tiefe als sie eh schon hat, damit einem diese Szene egal sein könnte. Ist sie aber nicht.

Und wenn der Hacker der Truppe, der als einziger über der Erde geblieben ist, nicht an einen Rechner kommt, an den er aber verdammt dringend muss, dann will ich Sätze à la “Come on, you f***ing son of a bitch” hören und nicht sehen, wie ihm Tränen der Verzweiflung über die Wangen laufen. Männer in Actionfilmen weinen nicht – höchstens, wenn der Präsident ihnen die Hand schüttelt.

Fast fehlen einem die albernen patriotischen Gesten wie Hand zum Gruß an die Mütze, Hymnen, amerikanische Flaggen, die Weltpresse, wie sie die Besatzung fotografiert, wenn diese in Zeitlupe an Bord geht – normalerweise ist das eklig, und man grinst, wenn man es sieht. Bei The Core fehlt das alles, und man wünscht es sich beinahe herbei, weil man dann den Film als „komplett daneben“ zu den Akten legen könnte.

Auch die Dialoge sind nicht ganz so Bruce Willis-markig-markant runtergerotzt, sondern kommen eher ironisch daher. Die Bruce Willis-Nummer hätte auch keinem der Charaktere gestanden, aber durch diesen Bruch der Gewohnheiten fängt man eben doch an, über die Story nachzudenken und sie ernst zu nehmen – und dann wächst einem die Besatzung eben ans Herz, und es ist nicht mehr egal, was man ihnen passiert. Keiner der Jungs und Mädels kommt als der Retter der Welt daher, keiner schwingt große Reden von Verantwortung und Ehre und Vaterland. Ganz im Gegenteil: Einer der Jungs sagt ganz pragmatisch und dabei sehr rührend, dass er gar nicht die Welt retten will. Ihm würde es reichen, seine Frau und seine Kinder in Sicherheit zu wissen. Vielleicht ist man durch diese eher leisen Töne versucht, die Charaktere an sich ranzulassen und nicht gleich als Karikatur abzutun. Aber genau das ist die Crux: Will ich so leise Töne überhaupt in einem Film, in den ich eigentlich nur gegangen bin, um mir ein paar schöne Special Effects anzugucken?

Wenn wenigstens die mich aus meinen Gedanken gerissen hätten. Aber leider sind sie auch nicht der Bringer. Wenn das Kolosseum im Rom dem Erdboden gleich gemacht wird, mutet das arg nach der Szene „Das Weiße Haus unter außerirdischem Beschuss“ aus ID4 an. Und das Innere der Erde sieht wahlweise aus wie der fiese, gezackte Meteorit aus Armageddon oder wie ein blubberiger Bildschirmhintergrund in OS 9. Unterste Schublade.

Ich weiß einfach nicht genau, was der Film eigentlich sollte. Für einen Actionreißer war er mir fast einen Hauch zu intellektuell gestrickt. Für einen Actionfilm mit Anspruch (wenn es das gibt), war er wieder zu schablonenhaft. Und damit wäre ich wieder am Anfang. Das einzige, was ich wirklich über The Core sagen kann, ist: Hm.

The Hours

The Hours
(USA, 2002)

Darsteller: Meryl Streep, Julianne Moore, Nicole Kidman, Ed Harris, John C. Reilly, Stephen Dillane, Allison Janney, Claire Danes, Jeff Daniels, Miranda Richardson, Toni Collette, Jack Rovello
Drehbuch: David Hare, nach dem Roman von Michael Cunningham
Kamera: Seamus McGarvey
Musik: Philip Glass
Regie: Stephen Daldry

Es gibt einen Satz in The Hours, der mir im Gedächtnis geblieben ist. John C. Reilly als liebevoller, aber ahnungsloser Gatte der 50er Jahre-Hausfrau und Mutter Julianne Moore, die an ihrer Rolle zu zerbrechen droht, spricht ihn ganz stolz am Abendbrottisch aus: “This life is what I always wanted. I had an idea of our happiness.”

Darum geht es in The Hours: an idea of happiness, eine Vorstellung von Glück. Ein schönes Thema, eine großartige Besetzung, ein guter Regisseur – und was ist draus geworden? Ein belangloser Film.

The Hours verwebt kunstvoll, meiner Meinung nach zu kunstvoll, das Leben dreier Frauen ineinander: das von Virginia Woolf (Nicole Kidman), die gerade an Mrs. Dalloway schreibt, das von Laura Brown (Julianne Moore), die eben dieses Buch liest, und das von Clarissa Vaughan (Meryl Streep), die den Spitznamen „Mrs. Dalloway“ trägt, deren tiefergehende Verbindung zu den anderen beiden allerdings erst später im Film klar wird.

Allesamt sind sie Frauen, die in ihrer jeweiligen Zeit bestimmten Erwartungen entsprechen wollen oder müssen und an ihnen zu scheitern drohen. Alle drei leben ein Leben, in dem sie sich gefangen fühlen. Zwei von ihnen finden selber einen Ausweg, der dritten wird die Entscheidung abgenommen, und sie muss sich nun mit dieser neuen Situation auseinandersetzen.

Schon die Beschreibung des Inhalts klingt schwer und deprimierend – so fühlt sich der Film meistens auch an. Jede kleine Geste hat eine große Bedeutung, des öfteren füllen sich Augen in Großaufnahme mit Tränen, und jeder Schnitt zwischen den verschiedenen Zeiten soll uns klar machen, wie sehr Frauen seit Jahrzehnten leiden. Gut, dass nicht auch noch Virginia Woolfs Urgroßmutter irgendwas mit Mrs. Dalloway zu tun hatte, sonst hätten wir uns anschauen müssen, dass Frauen seit Jahrhunderten leiden und verzweifeln und einfach richtig arm dran sind.

Mein Problem mit The Hours ist, dass sein Thema ein sehr gefühlvolles ist: eine Vorstellung von Glück, ein Traum von Erfüllung, und dass er dieses Thema leider zu distanziert vermittelt. Die Stärke der Frauen, ihr Instinkt, das für sie individuell Richtige zu tun, ganz gleich, was der Rest der Welt darüber denkt, wird uns in so tableauhaften Szenen dargeboten, dass man sich nie in einem der drei Leben verliert und so mitfühlt, miterlebt und, ja, mitleidet, was die drei Frauen empfinden. Man bleibt seltsam unberührt, denn trotz der engagierten Darstellerinnen hat man immer das Gefühl, einer sehr angestrengten intellektuellen Inszenierung beizuwohnen. Ich finde es gerade selber schwer nachvollziehbar, wie sehr man von den einzelnen Interpretationen der Hauptdarstellerinnen fasziniert sein kann und trotzdem von keiner der drei wirklich ergriffen wird.

Der ganze Film wirkt wie eine Parabel, ein Lehrstück über weibliche Leidensfähigkeit, und nicht wie eine mitreißende Geschichte. Es soll unglaublich viel Emotion vermittelt werden, und es kommt leider kaum etwas davon an. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, dass der Film so in sein eigenes Thema verliebt ist, dass er darüber vergisst, dass es um Menschen geht und nicht um einen verkopften Diskurs.

Vielleicht ist die künstliche Beschränkung der Filmhandlung auf einen Tag (wie in Mrs. Dalloway) einfach zuviel der intellektuellen Sperenzchen. Wir bekommen dadurch sehr wenig vom Hintergrund der drei Hauptpersonen mit – die wenigen Brocken, die sich aus den Dialogen ergeben, geben zwar einen kleinen Einblick in die Vergangenheit der drei Frauen, aber eben nicht genug, um wirklich die Tragweite ihrer jeweiligen Entscheidungen klar zu machen. Und auch diese Dialoge, die Hintergrund vermitteln sollen, wirken sehr aufgesetzt: Toni Collette und Jeff Daniels dürfen für jeweils zehn Minuten ins Bild, um ein paar Fakten einzustreuen, aber wirklich weiter bringen sie uns nicht.

The Hours ist als Roman wahrscheinlich ein großes Rührstück. Ich weiß es nicht, und jetzt will ich ihn auch gar nicht mehr lesen. Aber als Film sieht er mir einfach zu schulmeisterlich aus, zu bemüht strapaziert er die Regeln für Tränendrücker und scheitert doch an ihnen. Wahrscheinlich hatte Stephen Daldry eine Idee von einem guten, emotionalen, ehrlichen Film. Bei dieser Idee ist es geblieben, denn ein emotionaler Film ist es leider nicht geworden.

The Green Mile

The Green Mile: Man glaubt’s ja kaum, aber den hatte ich vorher noch nie gesehen. Aber jetzt, denn seit Donnerstag verfüge ich über eine Ausleihkarte der Hamburger Bücherhallen, die netterweise auch Originalversionen auf Video und DVD haben. Und das ganze kostet – keinen Cent und behalten kann ich bis zu sechs Filme – eine fette Woche. Wieso bin ich da nicht früher draufgekommen?

Zum Film: eine sehr bewegende Geschichte über den zum Tode verurteilten John Coffey, der Kranke heilen und Tote zum Leben erwecken kann (das haben wir doch schon mal irgendwo gehört?). Mit ihm im Todestrakt ein Franzose, der einer Maus Kunststückchen beibringt, ein Kindermörder, der von Grund auf böse ist, und mehrere Wächter, die meisten sehr menschlich und aufrichtig, einer hinterhältig und gemein. Coffey wird zum Schluss hingerichtet, aber nicht, bevor er die Guten belohnt und die Bösen bestraft hat.

Wie immer nimmt sich Frank Darabont sehr viel Zeit für seine Geschichte und bringt uns die Charaktere so nahe, dass wir gar nicht umhin können, von ihrem Schicksal gerührt zu sein. Eine sehr rührende, sehr hoffnungsvolle und einfach wunderbare Geschichte, die uns mehr Menschlichkeit lehren will. Und auch diesen Wunsch haben wir schon mal gehört. Er wird anscheinend nie unaktuell.